ChatGPT und andere KI-Modelle erleichtern ungemein den Alltag. Sie helfen bei Texten, der Bilderstellung und verwandeln das kreative Chaos wie von Zauberhand in verwertbare Ergebnisse.

Entsprechend sind die technischen Arbeitskollegen auch für viele Online-Händler:innen Teil des Alltags. Aber: Wie gut kann die KI helfen, wenn es hart auf hart kommt und eine Abmahnung ins Haus flattert? Werfen wir einen Blick darauf.

Unsere bisherigen Tests mit ChatGPT findest du hier:

Versuch 1: Abmahnung wegen Grundpreisangabe

Zunächst haben wir es mit einer grundsätzlichen Frage probiert. Dafür haben wir folgenden Prompt verwendet:

„Ich habe eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung bekommen. Der Abmahner wirft mir vor, dass ich in meinem Shop den Grundpreis vergessen habe. Außerdem sei die Widerrufsbelehrung widersprüchlich. Was soll ich jetzt tun?“

Zunächst will die KI, dass wir Ruhe bewahren:

1. Nicht voreilig reagieren

  • Keine Unterlassungserklärung unterschreiben, ohne sie juristisch prüfen zu lassen.
  • Keine Zahlungen leisten, bevor die Abmahnung rechtlich bewertet wurde.“

Danach bekommt man eine kleine Checkliste, um die Abmahnung zu prüfen, oder aber prüfen zu lassen. Diese beinhaltet die üblichen Schritte, die auch eine Kanzlei so wahrscheinlich durchgehen würde. Also:

  • Wer mahnt ab?
  • Ist die Abmahnung formal korrekt?
  • Sind die Vorwürfe berechtigt?

Hier wird schon klar: Ob eine Abmahnung formal korrekt ist, wird man als Laie schlecht bewerten können. Vielleicht lautet der nächste von der KI empfohlene Schritt daher:

3. Anwalt einschalten

Gerade bei einer Unterlassungserklärung ist anwaltliche Hilfe essenziell:

  • Modifizierte Unterlassungserklärung statt vorgefertigter Muster verwenden.
  • Prüfung, ob die Abmahnung überhaupt rechtmäßig und verhältnismäßig ist.“

Insgesamt findet man in der Antwort keine Fehler. Allerdings ist sie auch so allgemein, dass sie kaum zur Selbsthilfe taugt. Daher haben wir noch mal nachgehakt:

„Wie erkenne ich, ob die Abmahnung formell richtig ist?“

Die Antwort ist tatsächlich gut. Es wird erklärt, was alles in eine Abmahnung gehört und was dahintersteckt, also beispielsweise:

  • Wer mahnt ab? (Mitbewerber, Verband etc.)
  • Bezeichnung der Verstöße: Hier wird darauf hingewiesen, dass die pauschale Behauptung von Wettbewerbsverstößen nicht ausreichend ist
  • Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
  • Fristsetzung
  • Hinweis auf die Wiederholungsgefahr

Die KI schlägt dann vor, dass man die Abmahnung doch mal hochladen könne. Dabei wird aber dick darauf hingewiesen, dass die Abmahnung anonymisiert werden soll. Das ist gut und wird hier auch noch versucht.

Versuch 2: Komplexere Abmahnung auf Amazon

Als Zweites versuchen wir es mit einem etwas komplexeren Fall. Dafür haben wir folgenden Prompt verwendet:

„Mein Amazon-Shop wurde abgemahnt. Das Produktbild wurde wohl geklaut. Das sehe ich auch ein, das Problem ist: Ich habe mich an das Produkt nur angehängt und habe keinen Einfluss auf das Bild selbst. Klar könnte ich jetzt die Unterlassungserklärung unterschreiben. Allerdings kann es jederzeit wieder zu einem Verstoß kommen. Was soll ich tun?“

ChatGPT erfasst zunächst richtig, dass Händler:innen auch dann abgemahnt werden können, wenn sie den Fehler im Amazon-Angebot gar nicht verschuldet haben. Entsprechend identifiziert die KI auch das Hauptproblem richtig:

„⚠️ Problem: Wiederholungsgefahr

Wenn du die Unterlassungserklärung einfach unterschreibst, verpflichtest du dich:

  • das Bild nie wieder zu verwenden – und das auch unter Androhung hoher Vertragsstrafe.
  • Das kannst du nicht garantieren, solange du dich weiter an diese ASIN hängst – oder jemand anders erneut das Bild in das Listing hochlädt.“

Danach folgen die gleichen Tipps wie im ersten Versuch. Auch generelle Tipps zum rechtssicheren Verkauf bei Amazon werden gegeben: 

„🔄 Langfristiger Tipp

  • Nutze eigene ASINs und eigene Bilder, wenn möglich.
  • Verwende nur Bilder mit gesicherten Nutzungsrechten (z. B. eigene Fotos oder lizenziertes Material).
  • Dokumentiere, woher du Bilder hast – das hilft bei späteren Vorwürfen.“

Worauf die KI allerdings nicht kommt, ist ein taktisches Vorgehen: Wird man wegen eines Fehlers abgemahnt, gegen den man auch in Zukunft nichts tun kann, empfiehlt es sich, sich verklagen zu lassen. Das klingt erstmal hart, aber: Anders als bei Verstößen gegen Unterlassungserklärungen, muss die Gegenseite bei Verstößen gegen Unterlassungsurteile erst mal ein Ordnungsmittel beantragen. Das Ordnungsmittel – meistens Ordnungsgeld – landet in der Staatskasse. Die Klage ist zwar erst mal teurer als eine außergerichtliche Klärung, kann aber durchaus in einzelnen Fällen der taktisch klügere Weg sein. Auf die Gegenfrage, ob ein „sich verklagen lassen“ nicht auch eine Möglichkeit wäre, antwortet ChatGPT entsprechend, verweist aber auch auf die typischen Prozessrisiken. 

Letzten Endes ist es aber auch nicht tragisch, dass die KI diese Feinheit nicht kennt, denn: Sie weist ohnehin immer wieder darauf hin, wie wichtig die anwaltliche Beratung im Falle einer Abmahnung ist.

Versuch 3: Abmahnung hochladen

Im letzten Versuch laden wir eine anonymisierte Abmahnung zu ChatGPT hoch. Dafür nutzen wir eine Abmahnung durch den Ido Verband, bei der wir außerdem das Datum geschwärzt haben.

Auf den ersten Blick sieht das ganz gut aus. Die KI sagt direkt, dass die Aktivlegitimation durch den Ido zweifelhaft ist. Ganz richtig ist das aber nicht: Der Verband darf bereits seit einiger Zeit nicht mehr abmahnen. Dann kommt die KI aber etwas durcheinander: Sie halluziniert die Abmahnung aus dem zweiten Versuch mit dazu und spricht von Amazon-Listing, obwohl es um eine Ebay-Abmahnung geht.

Von daher ist auch der abschließende Tipp richtig und wichtig:

„Nicht zahlen, nicht unterschreiben – aber handeln. Mit etwas juristischer Hilfe kannst du die Risiken deutlich minimieren – gerade, weil es sich hier nicht um einen glasklaren Fall handelt.“

Fazit: Nützlich – aber kein Ersatz für Rechtsberatung

ChatGPT ist erstaunlich hilfreich, wenn es darum geht, sich bei einer Abmahnung einen ersten Überblick zu verschaffen. Die KI liefert strukturierte Handlungsempfehlungen, erklärt juristische Zusammenhänge verständlich und identifiziert auch Fallstricke wie die Wiederholungsgefahr bei Amazon-Listings.

Aber: Sobald es komplex wird – etwa bei Fragen der Aktivlegitimation oder taktischen Überlegungen wie dem bewussten Klagerisiko – stößt das Modell an Grenzen. Die Hinweise auf anwaltliche Beratung kommen daher zu Recht immer wieder.

Kurzum: Die KI kann Ordnung ins Abmahnungschaos bringen – aber nicht das Urteilsvermögen und die Erfahrung eines Anwalts ersetzen. Wer sich also nicht nur informieren, sondern auch absichern will, kommt um professionelle Hilfe nicht herum.