Dürfen Verbraucher sich online mehr erlauben, als stationär?

Veröffentlicht: 02.01.2025
imgAktualisierung: 02.01.2025
Geschrieben von: Sandra May
Lesezeit: ca. 4 Min.
02.01.2025
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Frau in einer Küche lächelt und packt violette Trauben aus einem Karton aus, umgeben von Kisten und Wein.
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Naschen, riechen, kaputtmachen – Online scheint sich die Kundschaft mehr erlauben zu dürfen.


Das Widerrufsrecht soll es Verbraucher:innen ermöglichen, die Ware auf ihre Beschaffenheit zu prüfen und damit die Brücke zum stationären Handel schlagen. Immerhin darf man stationär die Ware auch mal in die Hand nehmen, teilweise sogar ausprobieren. Dabei entsteht aber manchmal der Eindruck, als dürften sich Verbraucher:innen im E-Commerce mehr erlauben, als im traditionellen Handel.

Anlässlich eines Beitrages auf Instagram, in dem ZDF Info die Frage klärt „Was darfst du im Supermarkt?“ stellen wir uns daher die Frage für die gleiche Situation: „Was dürfen Verbraucher:innen im Online-Handel?”

Shampoo öffnen und daran riechen

Das Bild ist bekannt: Im Laden öffnet jemand eine Shampooflasche und riecht daran. ZDF Info weist unter Bezugnahme auf die Verbraucherzentrale Niedersachsen und das Verbraucherportal Baden-Württemberg darauf hin, dass bei Beschädigung einer Versiegelung oder Verpackung der Laden Anspruch auf Schadenersatz hat. Doch wie verhält es sich im Online-Handel?

Widerrufsrecht bei Hygieneprodukten

Das Widerrufsrecht bei Hygieneprodukten erlischt grundsätzlich, wenn das Hygienesiegel beschädigt wird. Vor dem Bruch des Siegels bleibt das Widerrufsrecht bestehen. Es stellt sich also die Frage, ob Shampoo als Hygieneprodukt gilt, denn nicht jedes versiegelte Produkt kann automatisch diesen Status beanspruchen.

Ist Shampoo ein Hygieneprodukt?

Laut Gesetz sind Hygieneprodukte solche Waren, „die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. Der Gesetzgeber definiert jedoch nicht genau, welche Produkte aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind. Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass beispielsweise bei einer Anti-Falten-Creme entschieden wurde, dass es sich nicht um ein Hygieneprodukt handelt, da das Öffnen der Versiegelung das Widerrufsrecht nicht beeinträchtigt. Dies legt eine strenge Auslegung nahe. Da man bei Shampoo nicht direkt mit dem Inhalt in Berührung kommt, ähnlich wie bei einem Parfüm, gilt es ebenfalls nicht als Hygieneprodukt. Dies wurde auch vom OLG Köln in einem Beschluss kritisch angemerkt, der die gesetzliche Regelung als „misslungen“ beschreibt.

Fazit

Kund:innen dürfen also an einer Shampooflasche riechen und dabei auch Aufkleber entfernen, da Shampoo meist nicht als Hygieneprodukt angesehen wird. Sollte die Flasche beim Öffnen beschädigt werden und der Schaden auf das Verhalten der Kund:innen zurückzuführen sein, besteht dennoch ein Anspruch der Händler:innen auf Ersatz.

Naschen als Beschaffenheitsprüfung

Im stationären Handel ist das heimliche Naschen einer Weintraube natürlich untersagt. Ähnliche Regeln gelten im Online-Handel: Das Widerrufsrecht ist für leicht verderbliche Waren ausgeschlossen, und frisches Obst und Gemüse zählen in der Regel zu diesen Produkten.

Was aber gilt für andere Lebensmittel?

Lebensmittel als Hygieneprodukte

Lebensmittel können als Hygieneprodukte betrachtet werden, wenn sie entsprechend versiegelt sind. Allerdings stellt nicht jede Verpackung eine solche Versiegelung dar. Beispielsweise können frische Fertiggerichte zum Aufwärmen, in Schutzfolie verpackte Fertigbackwaren oder Dosengerichte, sobald sie geöffnet sind, vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein.

Wertersatz bei angebrochenen Verpackungen

Wie verhält es sich jedoch mit Produkten wie Chips, Nudeln und Nüssen, die oft eine längere Haltbarkeit aufweisen? Obwohl diese Produkte nicht leicht verderblich sind und eine Verpackung nicht immer als Hygienesiegel gilt, haben Händler:innen dennoch Rechte, wenn genascht wird: Wird aus einer Verpackung genascht, besteht in vielen Fällen ein Anspruch auf Wertersatz. Denn auch im stationären Handel ist es nicht gestattet, einfach Verpackungen zu öffnen und Produkte zu probieren. Auch hier muss man sich auf das Studieren der Verpackung beschränken.

Zeitschriften lesen

ZDF Info erklärt, dass Kund:innen in einem Geschäft zwar Zeitungen durchblättern dürfen, jedoch ist ausgedehntes Lesen untersagt, da ein Laden nicht als kostenlose Bibliothek fungiert. Im Online-Handel hingegen sieht die Rechtslage anders aus: Das Widerrufsrecht gilt nicht für „Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten, ausgenommen Abonnement-Verträge“. Das bedeutet, dass einzelne Ausgaben dieser Publikationen nicht zurückgesendet werden dürfen, während bei Abonnements ein Widerrufsrecht besteht.

Für Bücher gilt diese Ausnahme jedoch nicht. Theoretisch können Bücher nach dem Lesen innerhalb der Widerrufsfrist zurückgegeben werden. Allerdings haben Händler:innen das Recht, einen Wertersatz zu verlangen, wenn das Lesen beispielsweise Spuren wie Rillen im Buchrücken hinterlässt und die Bücher dadurch nur noch als gebraucht weiterverkauft werden können.

Heruntergeworfenes Glas ersetzen

ZDF Info erklärt, dass Kund:innen für ein heruntergefallenes und zerbrochenes Glas aufkommen müssen, es sei denn, das Glas wurde unsicher abgestellt. Ähnliche Regelungen gelten im Online-Handel: Geht zerbrechliche Ware bei der Kundschaft durch Herunterfallen kaputt, haftet diese, es sei denn, die Ware war derart ungünstig verpackt, dass ein Herunterfallen beim Auspacken unvermeidlich war. Ein größeres Problem stellt jedoch die Beweisführung dar. Im B2C-Geschäft sind die Händler:innen grundsätzlich für Transportschäden verantwortlich. Wenn die Ware beschädigt ankommt und die Kundschaft behauptet, sie sei bereits beschädigt geliefert worden, ist es fast unmöglich, das Gegenteil zu beweisen. Im stationären Handel ist es einfacher: Das Personal kann beobachten, wie ein Schaden entsteht, und leichter entscheiden, ob die Verantwortung bei der Kundschaft liegt.

Veröffentlicht: 02.01.2025
img Letzte Aktualisierung: 02.01.2025
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Sandra May

Sandra May

Expertin für IT- und Strafrecht

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