Viele Online-Händler assoziieren den IDO-Verband mit dem Begriff Abmahnverein. Bis zur Unterstellung des Rechtsmissbrauchs ist es dann nicht mehr weit. Dieser Vorwurf wird nun durch ein neues Urteil untermauert. Das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 20.12.2019, Aktenzeichen: 21 O 38/19 KfH) bescheinigt dem IDO-Verband das rechtsmissbräuchliche Aussprechen von Abmahnungen. 

Verschonen der eigenen Mitglieder

Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Umstand, dass der Verband zwar für die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften stehen will; dies in der Praxis bei seinen eigenen Mitgliedern aber offenbar nicht durchzieht. So mahnt der IDO-Verband Händler gern wegen mehrerer Verstöße ab, nimmt das Recht bei seinen Mitgliedern aber nicht so genau. Es findet beispielsweise keinerlei Kontrolle der eigenen Mitglieder statt. Außerdem sollen diese zielgerichtet verschont werden. Der IDO-Verband hatte in der Verhandlung vor dem Landgericht zwar angegeben, seine eigenen Mitglieder zu kontrollieren und bei Verstößen gegen geltendes Recht einzuschreiten, beweisen konnte er diese Behauptung aber nicht. Das geht aus dem Blog der Kanzlei Schmid & Stillner hervor, die die Händlerseite in diesem Verfahren vertreten hat.

„Der [IDO-Verband] hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass ein Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. (…) Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des [IDO-Verbands] als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens (…) dar“, lautet daher die Feststellung des Gerichts.

Einwand der Unclean Hands

Die Frage, ob jemand rechtsmissbräuchlich handelt, lässt sich in der Regel nicht pauschal beantworten. Ob ein Abmahnmissbrauch vorliegt, wird vielmehr an den Umständen des Einzelfalls festgelegt. Dass das Gericht hier einen Abmahnmissbrauch annimmt, weil der IDO-Verband bei seinen eigenen Mitgliedern nicht auf die Einhaltung der Regeln pocht, ist etwas ungewöhnlich. Der Einwand der sogenannten Unclean Hands führt normalerweise nicht zum Erfolg. Unter Unclean Hands versteht man den Vorwurf, dass der Gegener den abgemahnten Fehler selbst begeht.

Erst 2016 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass derjenige, der wettbewerbswidrig handelt, seiner Haftung gerade nicht dadurch entgehen kann, indem er auf gleichgeartete Wettbewerbsverstöße Dritter verweist (BGH, Urteil vom 03.03.2016, Aktenzeichen: I ZR 110/15). Anders gesagt: Nur, weil es der Abmahner auch falsch macht, wird das Verhalten des Abgemahnten nicht plötzlich rechtmäßig. Begründet wird diese Einschätzung damit, dass von wettbwerbsrechtlichen Verstößen auch regelmäßig die Belange Dritter berührt sind. Der Einwand der Unclean Hands ist folglich nur dann erfolgsversprechend, wenn von den Folgen des Rechtsverstoßes nur der Abmahnende beroffen ist.

Dies betraf allerdings die Abmahnung eines Mitbewerbers. Anders kann die Sache natürlich aussehen, wenn – wie hier geschehen – ein Verband seine Existenzberechtigung auf das Einhalten wettbewerbsrechtlicher Vorschriften aufbaut. Das Urteil ist jedenfalls noch nicht rechtskräftig. Es könnte also weiter spannend bleiben.