Handelt es sich bei einer „Alltagsmaske“ in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ um ein Medizinprodukt? Diese Frage sollte kurz vor Weihnachten noch das Oberlandesgericht Hamm beschäftigen (Beschluss v. 15.12.2020, Az. I-4 W 116/20). Dass diese Frage für die Herstellung und den Verkauf solcher Masken nicht ganz irrelevant ist, daran erinnern sich vielleicht noch einige Händler aus den Anfängen der Corona-Pandemie. Denn handelt es sich bei einer Ware um ein Medizinprodukt oder um persönliche Schutzausrüstung, gelten besondere gesetzliche Anforderungen an das Produkt – so kann etwa eine Konformitätsbewertung nötig werden.
Hinsichtlich der betreffenden Maske gibt das OLG Hamm aber Entwarnung.
Medizinprodukt? Zweckbestimmung durch Hersteller ausschlaggebend
Ein Unternehmen aus Isernhagen hatte gegen eine Großhändlerin aus Drensteinfurt den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, so berichtet die Pressemitteilung des Gerichts. Deren Ziel: Die Vertriebsuntersagung einerseits einer „Mund- und Nasenmaske“, andererseits einer „Stoffmaske“. Das zunächst mit dem Fall befasste Landgericht Münster (Az. 25 O 89/20) wies den Antrag im Hinblick auf die Stoffmaske aber zurück, hier kam es zu keiner Vertriebsuntersagung. Gegen diese Zurückweisung wehrte sich das Unternehmen mit einer sofortigen Beschwerde zum OLG Hamm.
Fraglich war hier also, ob dem Unternehmen gegen die Großhändlerin ein solcher Verfügungsanspruch wegen des Vertriebs der Alltagsmaske zusteht. Dieser könnte sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit dem Medizinproduktegesetz (MPG) ergeben, wenn es sich bei der Maske denn um ein Medizinprodukt handelt.
Was ein Medizinprodukt ist, das definiert § 3 Nr. 1 MPG. Es kommt, knapp zusammengefasst, darauf an, ob das Produkt einem medizinischen Zweck dient. Ob es das tut, das wird nicht objektiv bestimmt, sondern richtet sich danach, welche Bestimmung der Hersteller dem Produkt zuschreibt. Das, so das Gericht, werde anhand der Angaben des Herstellers überprüft, welche die angesprochenen Käufer der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder der Werbung entnehmen können. Würde die Großhändlerin also ihre Stoffmaske etwa in einer Anzeige in einem medizinischen Kontext bewerben, würde sie die Maske einem medizinischen Zweck widmen und damit ggf. auch zu einem Medizinprodukt machen.
Auch Wasser und Seife werden nicht automatisch zu Medizinprodukt
Hier sei das nicht nicht der Fall, so das OLG Hamm, weshalb die Stoffmaske nicht als Medizinprodukt einzuordnen sei. Für diese Erkenntnis schaut sich das Gericht mehrere Aspekte an: Zunächst sei die Maske und deren Verpackung nicht mit einem – ausdrücklichen oder konkludenten – Hinweis auf medizinische Zwecke versehen. Auch könnte man nicht aus der Gestaltung und Aufmachung des Produkts darauf schließen. In diesem Fall war ein „ein lückenhaftes Gebiss“ aufgedruckt. Auch die mögliche Aufstellung der Maske im Einzelhandel zusammen mit medizinischen Masken sei der Großhändlerin nicht zuzurechnen. Letztlich handele es sich bei der Maske auch nach dem Sprachgebrauch um nicht mehr als eine sog. Alltagsmaske im Form einer „textilen Mund- und Nase-Bedeckung“.
Dass solchen Masken aus wissenschaftlicher Sicht und auch aus der Sicht des Gesetzgebers eine Schutzwirkung hinsichtlich der Verbreitung des Coronavirus beigemessen wird, ändere nichts daran, dass sie nach der Bestimmung des Herstellers keinem medizinischen Zweck diene. „Auch Wasser und Seife werden nicht deshalb zu „Medizinprodukten“, weil regelmäßiges Händewaschen nach allgemeiner Auffassung und Empfehlung der zuständigen Behörden eine Schutzwirkung vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hat“, heißt es im Beschluss. Diese Einordnung decke sich zudem mit der Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Hinweispflicht für Nicht-Medizinprodukte?
Dass es sich bei der Stoffmaske gerade um kein Medizinprodukt handelt, darauf müsste weiterhin nicht ausdrücklich hingewiesen werden. „Es ist nicht ersichtlich, wenn nicht sogar abwegig, dass der angesprochene Verkehr die hier konkret in Rede stehende „Alltagsmaske in Form einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ einer unter Verbraucherschutz-, Infektionsschutz-, Gesundheitsschutz- oder Sicherheitsaspekten gesetzlich besonders geregelten Produktkategorie zurechnet. Dementsprechend bedarf es auch keines aufklärenden Hinweises, dass diese Maske keiner derartigen Produktkategorie angehört“, schreibt das Gericht mit ausdrücklichem Bezug auf die gegenständliche Maske. Das bedeutet auch: Werden die angesprochenen Abnehmer veranlasst, anzunehmen, es handele sich bei einer Maske doch um ein Medizinprodukt, obwohl dies nicht der Fall ist, kann ein entsprechender Hinweis nötig sein. Hinweise, wann dies der Fall ist, nennt das Gericht aber nicht.
Schließlich hätte es im Fall dieser Stoffmaske auch nicht der Mitlieferung einer Gebrauchsanweisung nach dem Produktsicherheitsgesetz bedurft. Für eine Alltagsmaske, die kein Medizinprodukt ist, seien keine besonderen Regelung zur Gewährleistung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit zu beachten, sodass über solche auch nicht informiert werden muss.
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