Bisher sind die Behörden immer um die Frage herum gekommen, ob Amazon eine marktbeherrschende Stellung hat. Meist einigten sich die Kartellbehörden vor Abschluss mit Amazon. Entsprechend stand zwar stets der Verdacht im Raum, dass das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat – formell festgestellt wurde diese aber nie. 

Umso überraschender ist nun die Feststellung, die das Landgericht München I getroffen hat: Amazon missbraucht seine marktbeherrschende Stellung durch ungerechtfertigtes Sperren von Verkäuferkonten. 

Sperrung wegen manipulierter Rezensionen

Der Gerichtsentscheidung liegt ein Streit zwischen einer Händlerin und Amazon zu Grunde: Wie iBusiness berichtet, wurde das Konto der Händlerin von Amazon gesperrt und die Angebote entfernt. Bei einem Jahresumsatz von fast einer Million Euro gingen der Händlerin damit täglich tausende Euro durch die Lappen. Als Begründung führte Amazon an, dass die Händlerin Rezensionen manipuliert habe. Beispiele nannte der Marktplatz aber nicht. Nachdem die Händlerin Amazon zunächst außergerichtlich zur Freischaltung aufforderte, reichte sie einen Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht München I ein. 

Marktbeherrschende Stellung offenkundig

Das Gericht (LG München I, Beschluss v. 14.1.2021, Az. 37 O 32/21) gab der Händlerin Recht. Demnach hat es Amazon zu unterlassen, das Konto der Händlerin ohne Begründung und ohne Möglichkeit der Stellungnahme durch die Betroffene zu sperren. Auch die Löschung von Angeboten und das Einfrieren von Guthaben hat der Marktplatz zu unterlassen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die marktbehrrschende Stellung zwar nie formal festgestellt wurde, die EU-Kommission in einer Pressemitteilung vom 10.11.2020 aber „beiläufig und selbstverständlich von der beherrschenden Stellung der Antragsgegnerin im Bereich der Marktplatzdienste in Frankreich und Deutschland“ ausgehe.

Das grundlose Sperren von Verkäuferkonten war auch Teil des Fallberichts des Bundeskartellamts aus dem Jahr 2019. Amazon hat daraufhin zwar die AGB dahingehend geändert, dass ein grundloses Sperren nicht mehr möglich sein sollte; der aktuelle Fall zeigt aber, dass die Praxis anders aussieht.