Die sozialen Plattformen und mit ihnen das Internet ist voller Bilder, Videos, Musik und anderen Werken, die gerade in den Netzwerken häufig von Nutzerinnen und Nutzern geteilt, also gewissermaßen weiterverbreitet werden. Dazu sehen die Plattformen in der Regel auch eigene Funktionen vor. Wenn das geht, dann wird man doch beispielsweise ein Bild, das man aus irgendwelchen Gründen selbst nutzen möchte, auch einfach kopieren und weiterverwenden dürfen, oder?
Irrtum, sagt das Landgericht München I (Urteil v. 20.06.2022, Az. 32 S 231/21), und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts, nach dem die Beklagte zu Schadens- und Aufwendungsersatz in Höhe von fast 1.000 Euro verurteilt worden war. Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, der muss sich über die mögliche Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen und kann nicht per se eine Erlaubnis der Fremdnutzung aus dem Teilen auf Twitter ableiten.
Der Fall: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“
Der Kläger ist Urheber einer Fotografie, die dem Urteil zufolge die Beklagte von einer Internetseite heruntergeladen, mit einem Spruch versehen und selbst wieder hochgeladen hat. Durch die Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ versuchte die Beklagte, die hinter dem Bild stehende Veranstaltung verächtlich zu machen und es durch die Einbindung auf die eigene Seite und die Verwendung ihres Logos als eigene Werbung zu nutzen, heißt es weiter. Darin sah der Kläger nun eine unberechtigte Verwendung seines Werkes. Die Beklagte allerdings sah das anders und rechtfertigte sich unter anderem mit der Tatsache, dass das Foto auf Twitter geteilt worden und damit frei verfügbar gewesen sei.
Aus den „Richtlinien zur angemessenen Nutzung“ von Twitter würde sich nämlich ergeben, dass eine Nutzung als angemessen („fair use“) gelte, wenn diese nicht kommerzieller Natur sei oder wenn dem Originalwerk etwas hinzugefügt werde. Genau das sei passiert, indem das Foto mit einem Kommentar versehen und in einen zusätzlichen Kontext gestellt worden sei. Damit argumentiert die Beklagte also, dass der Rechteinhaber dieser Verwendung quasi zugestimmt habe, indem er sich den Richtlinien von Twitter unterworfen hat. Prinzipiell ist das nicht abwegig. Beispielsweise gibt es ähnliche Regelungen in den Bedingungen mancher Marktplätze, durch die Online-Händler dem Betreiber der Plattform Nutzungsrechte oder auch das Recht zur Unterlizenzierung etwa von Produktbildern einräumen.
Keine freie Fahrt für die ungefragte Bildnutzung wegen Teilen auf Twitter
Schließt sich das Landgericht München dieser Sichtweise an? Nein. Erstmal erklärt das Urteil die grundsätzliche Lage bei der Nutzung fremder, urheberrechtlich geschützter Materialien: „Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes und den Umfang seiner Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Derjenige, der von fremden Lichtbildern Gebrauch macht, indem er diese in seinem Internetauftritt veröffentlicht, muss sich vergewissern, dass dies mit Erlaubnis des Berechtigten geschieht“. Dass die Verwendung des Bildes rechtmäßig ist, dafür trage hier insofern die Beklagte die Beweislast.
Dann geht es um das Teilen auf Twitter: Hiermit, so das Gericht, sei keine Generaleinwilligung zum Zwecke der Weiterverbreitung verbunden – der Kläger habe also nicht durch das Teilen auf urheberrechtliche Ansprüche verzichtet. Ob die Beklagte das Bild hätte retweeten können, darauf komme es hier nicht an, weil es eben nicht retweetet, also über die von Twitter vorgesehene Teilen-Funktion, weiterverbreitet worden sei. Stattdessen habe sie das Bild (von einer anderen Seite) herunter- und im neuen Kontext wieder auf ihrer eigenen Seite hochgeladen.
Die Richtlinie von Twitter ändert an dieser Wertung laut dem Urteil nichts. Diese sieht zwar vor, dass für bestimmte Nutzungen keine Genehmigung des Rechteinhabers eingeholt werden muss. Dabei nehme sie Bezug auf das US-amerikanische Recht. „Vorliegender Sachverhalt spielt sich bereits nicht in den USA ab, sondern in der Bundesrepublik, und ist nach dem Schutzlandprinzip nach deutschem und nicht nach US-amerikanischen Urheberrecht zu beurteilen“, meint dazu aber das Gericht. Dabei stelle die Richtlinie auch klar, dass gerichtlich entschieden werde, ob eine konkrete Nutzung „angemessen“ sei. Die Richtlinie sei damit bewusst vage und wenig konkret gehalten, um nur Anhaltspunkte, jedoch keine festen Nutzungskorridore zu definieren. Auch die anderen Argumente der Beklagten, etwa die Berufung auf das Zitatrecht oder die Nutzung als Parodie, überzeugten das Gericht in diesem Fall nicht.
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