Professionelle Online-Händler wissen nur zu gut: Die Tätigkeit als Unternehmer zieht im Vergleich mit einem einfachen Privatverkauf diverse rechtliche Besonderheiten nach sich. Wo sich Privatverkäufer etwa keine Gedanken um das Widerrufsrecht machen müssen, sieht das bei Unternehmern anders aus – so auch in einigen anderen Bereichen wie der Umsatzsteuer. Manch einem Verkäufer ist, insbesondere beim Handel über Plattformen, jedoch gar nicht klar, dass er die Sphäre der privaten Tätigkeit verlassen hat und sich auf unternehmerischen Pfaden bewegt. Manch ein anderer Verkäufer auf großem Fuß präsentiert sich bewusst als Privatperson, in der Hoffnung, sich nicht auf seine unternehmerischen Pflichten einlassen zu müssen oder einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten zu erzielen. Unabhängig von den Gründen kann eine falsche Einordnung als private Tätigkeit für die Betroffenen erhebliche Konsequenzen haben.
Mit der Einordnung einer Verkäuferin, die jedes Jahr mehrere hundert Objekte aus Haushaltsauflösungen per Auktion auf Ebay anbot, hatte sich jedenfalls jetzt der Bundesfinanzhof auseinanderzusetzen. Während die Verkäuferin in ihrer Tätigkeit selbst ein Hobby sah, stellt der BFH eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich eine unternehmerische, steuerpflichtige Tätigkeit fest (Urteil v. 12.05.2022, Az. V R 19/20).
Verkauf auf Ebay: 3.000 Auktionen in fünf Jahren
Der Entscheidung vorangegangen war zunächst der Erlass von Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden durch das Finanzamt. Eine Steuerfahndungsprüfung des beklagten Finanzamtes hatte für den Zeitraum von fünf Jahren mehrere hundert Auktionen jährlich ergeben, die auf dem Marktplatz Ebay abgewickelt wurden. Die insgesamt etwa 3.000 Versteigerungen bescherten der Verkäuferin Einnahmen von ca. 380.000 Euro. Das Finanzamt hatte Betriebsausgaben und Vorsteuern auf 30 Prozent der Einnahmen geschätzt. Nachdem das Vorverfahren erfolglos und die Klage teilweise erfolgreich verlaufen war, führte die Revision vor den Bundesfinanzhof.
Hier rügte die Klägerin unter anderem, dass sie nicht als Händlerin anzusehen sei, da sie weder ein Konzept noch eine Organisation noch Vorkenntnisse im Handel habe. Die aus Haushaltsauflösungen stammenden Gegenstände kaufe sie gelegentlich an und verkaufe sie über 1-Euro-Auktionen, teilweise auch deutlich unter Einkaufswert. Sie betrachte ihre Tätigkeit eher als Hobby bzw. Liebhaberei, tue nichts dafür, die Gegenstände gewinnbringend zu veräußern und ziele eher auf den Nervenkitzel ab, der mit der Frage verbunden ist, zu welchem Preis die Sachen erworben werden. Auch die Schätzung der Betriebsausgaben hielt sie nicht für rechtmäßig.
Wann liegt eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen vor?
Der Bundesfinanzhof allerdings entschied, dass ihre Tätigkeit als nachhaltig im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen sei. Warum ist das wichtig? Der Umsatzsteuer unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dabei ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Und gewerblich oder beruflich ist wiederum eben jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen – auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.
Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen vorliegen, ist dabei gar nicht so leicht. Es gibt nämlich keine in Stein gemeißelten Grenzwerte oder ähnliches. Stattdessen kommt es nach der Rechtsprechung auf das „Gesamtbild der Verhältnisse“ an. „Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend) festgelegter Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können, so der BFH in einer älteren Entscheidung (BFH, Urteil v. 26.4.2012, Az. V R 2/11). Insbesondere seien demnach folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Dauer und Intensität des Tätigwerdens
- Höhe der Entgelte
- Beteiligung am Markt
- Zahl der ausgeführten Umsätze
- planmäßiges Tätigwerden
- Unterhalten eines Geschäftslokals
Zahl und Umfang etwaiger Verkäufer sind dabei nur eines von mehreren, gegebenenfalls zu berücksichtigenden Kriterien, für sich genommen aber kein allein maßgebliches Kriterium.
Bundesfinanzhof: Privataccount auf Ebay ist nicht entscheidend
Im hiesigen Fall konnte der BFH keinen Fehler bei der Beurteilung durch das Finanzgericht feststellen. Es habe ausdrücklich auf das Gesamtbild der Verhältnisse abgestellt, und dabei berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Verkaufstätigkeit schon über viele Jahre nachhaltig ausübe, da auch die Anzahl der Verkäufe beträchtlich sei. Auch habe bei der Bewertung eine Rolle gespielt, dass der Umfang dieser Tätigkeit eine Betriebsorganisation erfordere – etwa den Erwerb von Verpackungsmaterial und Porto, aber auch die Anfertigung von Produktfotos.
„Das FG hat diesen Sachverhalt ohne Verstoß gegen Denkgesetze und ohne Vernachlässigung wesentlicher Umstände dahingehend gewürdigt, dass eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen ("ebay"-Plattform) vorliegt“, die deshalb als nachhaltig zu beurteilen sei, so das Urteil. Auf die Tatsache, ob die Verkäuferin einen privaten oder einen gewerblichen Zugang auf Ebay gewählt habe, komme es nicht an. Durch die Eröffnung eines Privataccounts auf einem Marktplatz können sich Unternehmer also auch nicht vor ihren unternehmerischen Pflichten drücken.
Finanzgericht muss Feststellungen zur Differenzbesteuerung nachholen
Zudem hat der Bundesfinanzhof in seiner Zurückverweisung dem Finanzgericht aufgegeben, bisher fehlende Feststellungen zur Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nachzuholen. Die Besonderheit der Differenzbesteuerung liegt darin, dass bei einem Wiederverkäufer, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt (oder solche im eigenen Namen öffentlich versteigert), und an den diese Gegenstände geliefert wurden, ohne dass dafür Umsatzsteuer geschuldet wurde (wie bspw. hier im Rahmen von privaten Haushaltsauflösungen), der Umsatz nicht nach Verkaufspreis bemessen wird, sondern nach dem Betrag, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis übersteigt.
„Fehlende Aufzeichnungen über Einkäufe stehen nach dem Urteil des BFH der Differenzbesteuerung nicht zwingend entgegen, so dass dann zu schätzen sein kann“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Sei auf dieser Grundlage die Differenzbesteuerung anzuwenden, komme es zu einer erheblichen Minderung des Steueranspruchs.
Kommentar schreiben