Viele Menschen möchten durch die Nutzung von Desinfektionsmitteln das Ansteckungsrisiko reduzieren, sei es mit einer harmlosen Erkältung oder einem der derzeit grassierenden hochansteckenden Viren. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist die Produktion gestiegen, sogar Quereinsteiger mussten aus Mangel an Waren in das Desinfektionsmittelgeschäft eingestiegen. Die Sicherheit und rechtssichere Kennzeichnung sowie die rechtmäßige Bewerbung der Produkte ließ dabei jedoch oft zu wünschen übrig.
Welchen Rechtsvorschriften unterfallen Desinfektionsmittel?
Desinfektionsmittel sind kein Spielzeug und können bei falscher Anwendung sogar mehr Schaden anrichten als Nutzen. Kein Wunder, dass die Liste der Vorgaben für die Produktion, Bewerbung und Kennzeichnung von Desinfektionsmitteln endlos ist. Mit ihrer abtötenden Wirkung fallen Desinfektionsmittel in den Anwendungsbereich der Biozid-Verordnung Nr. 528/2012.
Wie dürfen Desinfektionsmittel beworben werden?
Viele Hersteller nutzen das Spiel mit der Angst für sich aus und versuchen den potenziellen Kunden mit Wirkungen und Gesundheitsaussagen zu einem Kauf animieren. Der Einsatz von Bioziden ist jedoch keineswegs zu verharmlosen, denn die abtötende Wirkung kann auch Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben, auf dem das Desinfektionsmittel angewendet wird.
Die Biozid-Verordnung sieht daher einen zentralen Hinweis vor, der bei jeglicher Werbung für das Produkt hinzugefügt werden muss: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“ Dieser Hinweis muss sich laut der gesetzlichen Vorgaben von der eigentlichen Werbung abheben und gut lesbar sein. Das Wort „Biozidprodukte“ kann allerdings durch einen „eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart“ ersetzt werden. Dabei muss außerdem darauf geachtet werden, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt wird, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist.
Nicht erlaubt sind u.a. diese Aussagen:
- „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise.
- Nach der Rechtsprechung dürfen Biozide außerdem nicht als „reine Naturprodukte“ beworben werden, selbst wenn das Biozid tatsächlich aus rein natürlichen Inhaltsstoffen besteht. Auch „ähnliche“ Hinweise sind unzulässig, wenn sie die Anwendung verharmlosen.
Wettbewerbszentrale führt Grundsatzverfahren zur Werbung für Biozide
Die Wettbewerbszentrale lässt derzeit in zwei Grundsatzverfahren klären, ob für Desinfektionsmittel mit Aussagen wie „hautfreundlich“, „sanft zur Haut“, „hautfreundliche Produktlösung“ oder „Hautverträglichkeit“ geworben werden darf. Das OLG Karlsruhe sieht in den die Aussagen jedenfalls keinen Verstoß (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.11.2022, Az. 6 U 322/21, nicht rechtskräftig). Vielmehr beschrieben die Aussagen die Produktwirkung auf die Haut des Menschen. Das sei zulässig. Die Wettbewerbszentrale will Revision einlegen.
Die Angabe „Bio“ oder die Bezeichnung als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ sei aber generell verboten, was in einem weiteren Verfahren vorläufig entschieden wurde (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2022, Az. 6 U 95/21). Der BGH wird sich der Sache im Februar annehmen. Wir werden darüber berichten.
Update vom 21.04.2023: EuGH muss entscheiden
Bereits am 23.02.2023 hätte der BGH die Frage auf dem Tisch gehabt. Es kam aber vorerst zu keiner Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat gestern jedoch entschieden, das Verfahren auszusetzen und die Frage, ob Desinfektionsmittel mit Angaben wie „hautfreundlich“ beworben werden dürfen, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (BGH, Vorlagebeschluss vom 20.04.2023, Az.: I ZR 108/22).
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