Firmenläufe und ähnliche Events sind in vielen Unternehmen und Betrieben beliebte Ereignisse, die praktisch auch häufig dem Teambuilding dienen. Den Bezug zum Betrieb sollte man allerdings wohl nicht allzu stark gewichten: Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied jetzt über die Frage, ob der Sturz einer Arbeitnehmerin im Rahmen eines Firmenlaufs im Jahr 2019 einen Arbeitsunfall darstelle. Nach Auffassung der Richter handle es sich aber weder um Betriebssport noch um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, womit dann auch kein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung gegeben sei (Urteil v. 21.3.2023, Az. L 3 U 66/21, nicht rechtskräftig).
Arbeitnehmerin stürzt bei Firmenlauf – Unfallkasse kommt nicht für Schaden auf
Auf Inlineskates nahm die damals 45 Jahre alte Klägerin im Mai 2019 zusammen mit Kolleginnen und Kollegen ihres Unternehmens am Berliner Firmenlauf teil. Organisiert hatte die Veranstaltung ein Berliner Sportverein, teilnehmen konnten neben den Beschäftigten von Unternehmen auch Freizeit- und Nachbarschaftsteams. Geschmückt wurde die Veranstaltung durch eine Siegerehrung und eine anschließende „Run-Party“.
Für die Klägerin gab es allerdings wohl weniger einen Grund zum Feiern: Sie kam nach dem Start auf der Skaterstrecke auf nassem Untergrund ins Rutschen, stürzte und zog sich einen Bruch des rechten Handgelenks zu. Die Unfallkasse lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab und kam entsprechend auch nicht für den Schaden auf – es handele sich nämlich nicht um eine Betriebsveranstaltung.
Arbeitgeberin hatte Mitarbeitende zur Teilnahme motiviert
Die Arbeitnehmerin klagte dann vor dem Sozialgericht Berlin, blieb jedoch ohne Erfolg. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die Entscheidung jetzt. Dies begründete es laut Pressemitteilung des Gerichts damit, dass sich der Unfall nicht bei einer Aktivität ereignet habe, die mit der Beschäftigung in einem engen rechtlichen Zusammenhang stehe.
Im Verfahren hatte sich die Arbeitnehmerin unter anderem auf die Organisation der Veranstaltung berufen. So argumentierte sie im Widerspruchsverfahren gegen die Entscheidung der Unfallkasse etwa, dass ihre Arbeitgeberin per Rundschreiben, Newsletter und durch persönliche Ansprache über einen längeren Zeitraum für eine zahlreiche aktive Teilnahme aller Mitarbeitenden geworben, auch die Teilnahmegebühr übernommen und Sportshirts in der Corporate Identity zur Verfügung gestellt habe. Andere Mitarbeitende seien zum Anfeuern an der Strecke aufgerufen gewesen. Seitens des organisierenden Sportvereins sei auf die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls als Eventzweck hingewiesen worden.
LSG Berlin: Kein enger Zusammenhang zwischen Firmenlauf und Beschäftigung
Wie das LSG Berlin nun meint, sei der Widerspruch der Arbeitnehmerin allerdings rechtmäßiger Weise abgelehnt worden. Die Teilnahme der Klägerin am Firmenlauf bzw. dem Skating-Wettbewerb sei nicht ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnen, weil es keinen sachlichen Zusammenhang gebe.
Im Urteil gehen die Richter dann die verschiedenen Optionen durch. So wäre eine Anerkennung als Arbeitsunfall grundsätzlich dann in Betracht gekommen, wenn es sich um einen Bestandteil der Beschäftigtenversicherung, Betriebssport, eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung oder eine Ausformung des betrieblichen Gesundheitsmanagements gehandelt hätte – was aber eben alles nicht der Fall sei.
Mehr Volksfest als Betriebsveranstaltung
Das Gericht stellt fest, dass die Arbeitnehmerin, ihres Zeichens Beauftragte für Medizinproduktesicherheit, mit der Teilnahme keine Pflichten aus ihrem Arbeitsvertrag erfüllt habe, sodass sie während des Wettbewerbs auch nicht ihrer Beschäftigung nachging. Die Teilnahme am Firmenlauf stelle aber auch keine Ausübung von Betriebsport dar: Hier scheiterte es schon daran, dass der Berliner Firmenlauf nur einmal jährlich stattfindet. Für Betriebssport müsse aber das Kriterium von regelmäßig stattfindenden Übungsstunden erfüllt sein. Zwar hatte sich die Klägerin „gelegentlich in lockerer Runde“ zum gemeinsamen Skaten getroffen, aber das genügt laut Urteil nicht.
Und was spricht gegen die Einordnung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung? Auch hier seien die Bedingungen nicht erfüllt, so das Gericht. Etwa sei der Firmenlauf nicht dazu geeignet gewesen, den betrieblichen Zusammenhalt zu fördern, auch hätte nur ein ganz geringer Teil der Belegschaft teilgenommen. Zutreffend, so steht es im Urteil, habe die Klägerin der Veranstaltung den Charakter eines Volksfestes zugeschrieben. Letztlich konnten die Richter im Firmenlauf auch keine konkrete Maßnahme der Gesundheitsförderung gehandelt habe.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Klägerin kann beim Bundessozialgericht noch die Zulassung der Revision beantragen.
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