Am Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf wurde am gestrigen Dienstag eine Berufungsverhandlung zu einer Kündigungsschutzklage geführt. Das hört sich erst einmal wenig spektakulär an. Doch der zugrunde liegende Sachverhalt mutet mitunter ziemlich kurios an: von nackten Badeausflügen und Tänzen mit einem Deko-Flamingo auf einer Betriebsfeier ist da die Rede. Die wesentliche Frage für das LAG war jedoch, ob die Arbeitgeberin zur Kündigung des sich (vermeintlich) danebenbenehmenden Mitarbeiters berechtigt war und inwieweit sich Fehler bei der Anhörung des Betriebsrats auf die Kündigung auswirken.
Eins sei aber schon vorweg genommen: der gekündigte Arbeitnehmer wird in der kommenden Woche seine Arbeitsstelle wieder antreten.
Schwimmen auf der Betriebsfeier
Eine Betriebsfeier in Köln wurde dem Mitarbeiter eines Aufzugsunternehmens zum Verhängnis. Dieser wollte die sinkende Stimmung etwas anheben und ging von dem angemieteten Partyschiff ans Ufer, um von dort nur mit einer Unterhose bekleidet in den Rhein zu springen, zum Boot zurückzuschwimmen und anschließend an allen Mitarbeitern vorbei zum Ausgang des Bootes zu laufen. Die Arbeitgeberin des Mannes stellte ihn sofort zur Rede. Drei Tage nach der Feier und nach einer Anhörung des Betriebsrats flatterte dem 33-Jährigen jedoch die Kündigung ins Haus. Dagegen erhob er Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf – und bekam Recht (Urteil vom 07.03.2023, Az. 16 Ca 4079/22). Nun fand die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht statt Urteil vom 18.07.2023, Az. 3 Sa 211/23).
Wie LTO berichtet, war der Arbeitnehmer seit dem 1. Januar 2021 als Trainee zum Verkauf von Neuanlagen in der Region West beschäftigt. Wie der Mann in der Verhandlung erläuterte, gelte diese Region als Party-Region des Unternehmens. Er wollte lediglich Spaß haben, gab er bekannt. Die Arbeitgeberin verstand diesen Spaß allerdings nicht. Vielmehr sah sie den Betriebsfrieden gestört, da der Mitarbeiter sich selbst und auch andere mögliche Retter mit seiner Aktion gefährdet habe. Schließlich sei die Stimmung dadurch erst recht gekippt.
Bewusste Irreführung des Betriebsrats?
Um dem Arbeitnehmer kündigen zu können, hörte sie den Betriebsrat wie vorgeschrieben an. Allerdings machte sie dabei mehrere fehlerhafte Angaben. So bezeichnete sie den Mann beispielsweise als ledig, obwohl er verheiratet ist. Auch der Fakt, dass der Mann bei seinem Sprung in den Rhein eine Unterhose trug, unterschlug die Arbeitgeberin und erklärte dem Betriebsrat gegenüber, der Mann sei nackt geschwommen. Laut dem Vorsitzenden Richter am LAG seien diese falschen Angaben „mindestens grob fahrlässig” gewesen.
Die entscheidende Frage für das LAG bestand nun darin zu bewerten, ob diese Falschbehauptungen schon eine bewusste Irreführung des Betriebsrats darstellen, die die außerordentliche Kündigung unwirksam werden lässt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf sah das jedenfalls schon so und auch das LAG schloss sich dieser Auffassung an.
Fraglich war auch, ob die vermeintliche Nacktheit des Arbeitnehmers entscheidend war, denn im Prozess stellte die Arbeitgeberin darauf ab, dass der Mitarbeiter damit den Betriebsfrieden gestört habe. Gegenüber dem Betriebsrat trug sie aber die Selbst- oder Fremdgefährdung als Grund vor. Dafür ist es unerheblich, was der Mann getragen hat. Die Betriebsratsanhörung sei damit zumindest fehlerhaft und die Kündigung somit unwirksam gewesen.
Wiederholungs„täter” und Klassenclown
Ein Grund für das Vorgehen der Arbeitnehmerin könnte gewesen sein, dass der Mitarbeiter bereits in der Vergangenheit schon einmal bei einer Betriebsfeier auffällig geworden ist. Damals soll er auf einem Firmenevent mit einem Deko-Flamingo getanzt und mit ihm ein Foto gemacht haben. Das dabei beschädigte Deko-Tier habe er aber anschließend zurückgebracht. Dafür kassierte der Mann eine Ermahnung. Eine förmliche Abmahnung allerdings gab es nicht. Die 400 Euro Schaden an dem Flamingo sollten mit einer entsprechend hohen Zielvereinbarung ausgeglichen werden.
Im Gerichtssaal gab der Mann an, dass es unter Umständen gar nicht zu dem Vorfall am Rhein gekommen wäre, wenn man ihn schon nach der Sache mit dem Flamingo unmissverständlich klargemacht hätte, dass das „nicht ok war”. Der Richter konnte dieser Einlassung nicht wirklich Glauben schenken und gab zu verstehen: „Sie haben den Status des Klassenclowns übernommen und so clownesk wünscht man es im Unternehmen nicht.”
Den vorgeschlagenen Vergleich zur Annahme des Abfindungsbetrags lehnte der Arbeitnehmer mit der Begründung ab, er wolle weiter für das Unternehmen arbeiten. Am kommenden Montag wird er daher seine Arbeitsstelle wieder antreten.
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