Dass es im Jurastudium einen besonderen Faible für Fälle mit Pferden gibt, wurde auf diesem Blog bereits an anderer Stelle erörtert. Nun gibt es ein neues Urteil, welches sich mit der Frage beschäftigt, ob die vorherige Karriere als Rennpferd einen Sachmangel darstellt. Die Argumentation der Klägerin lautete, dass die Vergangenheit als Rennpferd eine höhere Belastung für das Pferd darstelle, als die Verwendung im Hobbybereich. Dem schloss sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 16.08.2023, Az. 4 U 72/22) nicht an.
Hinweis: Das Urteil erging noch auf Grundlage des alten § 434 BGB zum Gewährleistungsrecht. Nach Rechtslage vor dem 1. Januar 2022 galt der Vorrang der Beschaffenheitsvereinbarung. Erst, wenn beim Kauf nichts zur Beschaffenheit vereinbart wurde, wurde an Hand anderer Kriterien, wie etwa der Eignung zur üblichen Verwendung, geprüft, ob ein Sachmangel vorliegt. Nach heutiger Rechtslage müsste das Gericht nicht nur prüfen, ob eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, sondern auch, ob objektive Anforderungen, wie etwa die Eignung für die gewöhnliche Verwendung, erfüllt wurden.
Notiz im Kaufvertrag
Dem Urteil ging der Kauf eines elf Jahre alten Pferdes voraus. Die Klägerin erwarb das Pferd für 4.300 Euro. Im Kaufvertrag hieß es laut der LTO, dass das Tier nur freizeitmäßig geritten worden sei und keine Dressur- und Springausbildung genossen habe.
Nachdem das Pferd an die neue Eigentümerin übergeben wurde, stellte sich allerdings heraus, dass dieses eine Karriere als Rennpferd hinter sich hatte. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt und für den Fall, dass dieser nicht durchkommt, hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Nachdem das Landgericht in Oldenburg den Fall bereits zu Gunsten der Verkäuferin entschieden hatte, kam das Oberlandesgericht zu dem gleichen Ergebnis.
Auf die Stelle im Kaufvertrag kommt es an
Was die rechtliche Begründung angeht, so wird gewiss der eine oder andere dem Gericht Korinthenkackerei unterstellen. Im Ergebnis kam es nämlich darauf an, an welchem Punkt im Kaufvertrag die Notiz zur Eigenschaft des Pferdes stand.
Doch gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Wann liegt überhaupt ein Sachmangel vor? Dieser liegt unter anderem dann vor, wenn die Beschaffenheit der Kaufsache von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Nun könnte man meinen, dass die Notiz eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt und diese durch die Verkäuferin nicht eingehalten wurde. Immerhin ist der Einsatz als Rennpferd nun nicht gerade das, was man im Allgemeinen unter einer Verwendung in der Freizeit versteht.
Das Problem war nun aber, dass die Notiz zwar unter der Überschrift „§ 2 Beschaffenheitsvereinbarung“ zu finden war, allerdings unter dem Satz „Die Parteien sind sich einig, dass aus folgenden Besonderheiten/Eigenheiten des Pferdes keine Haftung des Verkäufers hergeleitet werden kann…“ als Ergänzung diente. Das Gericht argumentierte hier, dass es bei dieser Klausel gerade nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung ging, sondern um die Begrenzung der Haftung. Diese Ergänzung dient schlicht und ergreifend dem Zweck, dass die Käuferin aus einer fehlenden Spezialausbildung keine Ansprüche herleiten kann. Im Umkehrschluss bedeute dies aber nun gerade nicht, dass die Vornutzung als Freizeitpferd verbindlich vereinbart wurde.
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Rennpferde nicht gefährdeter als normale Pferde
Trotz des Umstandes, dass bereits eine Beschaffenheitsvereinbarung vorlag, die gebrochen wurde, hat sich das OLG weiter mit der Frage beschäftigt, ob das Vorleben als Rennpferd grundsätzlich einen Sachmangel darstellen kann. Dazu wurde ein Gutachter angehört, der erläuterte, dass Rennpferde kein nachgewiesenes, höheres Risiko für degenerative Gelenkerkrankungen haben als Freizeitpferde. Das Auftreten dieser Erkrankungen hänge eher mit dem Alter, Art und Qualität der Haltung des Tieres zusammen. Bei dem elf Jahre alten Tier sei ohnehin mit dem baldigen Auftreten von solchen Beschwerden zu rechnen.
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