Es muss nicht immer ein Steuerparadies sein, das hinter der Nutzung von Briefkastenadressen und Dienstleistern steckt, die einem die Post hinterher senden. So kann man sich auf diese Weise etwa eine besonders prestigeträchtige Adresse verschaffen, oder aber versuchen, seine Privatsphäre zu verteidigen. Im Fall, um den sich dieser Artikel dreht, lebte die Klägerin schlichtweg im Ausland und hatte sich für den Empfang von Post in Deutschland eines solchen Postdienstleisters bedient. Im Zuge einer Klage hatte sie diese Adresse angegeben – und brachte sie damit zum Scheitern. Laut der Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfülle sie damit nämlich nicht die Anforderungen an eine ladungsfähige Anschrift (Urteil v. 07.07.2023, Az. 210/22). Die Bedeutung der Entscheidung geht aber über die ordnungsgemäße Klageerhebung hinaus, denn auch in anderen Kontexten muss eine ladungsfähige Anschrift angegeben werden – so etwa im Impressum einer Website.
Klageerhebung fehlgeschlagen – Was ist passiert?
Der Fall selbst spielt fernab des Online-Handels im Wohnungseigentümerrecht. Die Klägerin wollte mit ihrer Anfechtungsklage verschiedene Beschlüsse für unwirksam erklären. Sie hat zwei Wohnsitze im Ausland und hatte einen in Deutschland ansässigen Postdienstleister damit beauftragt, ihre Post weiterzuleiten. Anbieter solcher Dienstleistungen gibt es zahlreich, für unterschiedliche Kundengruppen und mit unterschiedlichem Leistungsumfang.
Diese Adresse jedenfalls teilte sie im Prozess mit, ihre eigene Wohnanschrift hingegen nicht. Sowohl das zuständige Amtsgericht als auch das Berufungsgericht wiesen ihre Klage als unzulässig ab, da die ladungsfähige Anschrift fehle. Auch mit der Revision zum Bundesgerichtshof hatte die Klägerin keinen Erfolg.
Worum es überhaupt geht: keine Klage aus dem Verborgenen
Die Klageschrift muss die Bezeichnung der Parteien enthalten, da ist die Zivilprozessordnung eindeutig. So sollen Name, Stand oder Gewerbe sowie Wohnort und Parteistellung in der Klageschrift genannt werden. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört dazu auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Fehlt sie, ist die Klage unzulässig, selbst wenn man sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt.
Etwas anderes kann gelten, wenn man schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen vorbringt. „Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dient der Identifizierung des Klägers. Gleichzeitig dokumentiert dieser hiermit seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer Kostentragungspflicht, zu stellen und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen“, heißt es in der Entscheidung des BGH. Und schließlich müsste das Gericht ja auch in der Lage sein, das persönliche Erscheinen des Gerichts anzuordnen – und dazu muss es denjenigen selbst laden.
Das ist keine ladungsfähige Anschrift
Aber nicht jede Anschrift, unter der eine Zustellung an den Zustelladressaten möglich ist, ist auch eine ladungsfähige Anschrift. Da braucht es schon eine, unter der der Adressat tatsächlich zu erreichen bzw. anzutreffen ist und bei welcher die ernsthafte Möglichkeit der Übergabe eines zuzustellenden Schriftstückes an ihn selbst besteht, sagt der BGH mit Blick auf die Gesetzeslage. Diese Anforderungen habe die Klägerin nicht erfüllt: „Die Klägerin hält sich an der Adresse des Postdienstleisters nicht auf. Sie hat dort weder ihre Wohnung im Sinne ihres tatsächlichen Lebensmittelpunktes noch einen Geschäftsraum noch ist sie dort sonst anzutreffen“, sagt der BGH. Gründe, warum sie ihre tatsächliche Adresse nicht offenlegen kann oder warum ihr die Offenlegung nicht zumutbar ist, hätte sie unterbreiten können, tat sie aber nicht. Festzuhalten bleibt, dass der Einwurf eines Briefes in einen Briefkasten eben nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit der förmlichen Zustellung im rechtlichen Sinne.
So weit, so ungünstig für die Klägerin. Der BGH setzt sich dann mit Ausnahmen auseinander. Die existieren zwar in einem engen Rahmen für juristische Personen (vgl. BGH, Urteil v. 28.6.2018, Az. I ZR 257/16, Rn. 18). Ob sie auch für natürliche Personen (Menschen) gelten, hat das Gericht aber offen gelassen, weil die Klägerin die Voraussetzungen an die Ausnahme sowieso nicht erfüllt hätte. Dafür hätte jedenfalls an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, eine Wohnung oder ein Geschäftsraum des Adressaten bestehen müssen, der tatsächlich genutzt wird (für die sog. Ersatzzustellung).
Oder es hätte eine Zustellung an einen Zustellungsvertreter möglich sein müssen, was ebenfalls nicht der Fall war. Dazu hätte die Klägerin dem Dienstleister zumindest eine Vollmacht erteilen müssen, dass dieser zuzustellende Schriftstücke entgegennehmen darf (sog. Empfangsvollmacht). „Eine Vollmacht, die sich auf die bloße Weiterleitung von Post beschränkt, reicht ebenso wenig aus wie eine Beauftragung als Postannahmestelle oder Empfangsbote“, sagt das Gericht. Gleichzeitig ist es praktisch nicht unbedingt damit getan, dem Dienstleister eine Empfangsvollmacht auszustellen.
Was hat das mit dem Impressum zu tun?
Auch das Impressum verlangt die Angabe einer Anschrift. Genaugenommen müssen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG) Diensteanbieter für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien unter anderem den Namen „und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind“, angeben – leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar. Auch diese Angaben dienen der Identifizierung, etwa des Websitebetreibers. Daher wird angenommen, dass die Angabe der Anschrift im Impressum den gleichen Anforderungen unterliegt, wie eine ladungsfähige Anschrift. Insbesondere muss die betreffende Person dort also tatsächlich anzutreffen sein.
Hier dürfte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs durchaus große Bedeutung erlangen: Wo bisher schon die Angabe eines Postfachs als nicht ausreichend erachtet worden ist, macht die Entscheidung deutlich, dass auch die Angabe der Adresse eines Postdienstleisters für sich genommen die Anforderungen nicht erfüllten dürfte. Vielmehr braucht es die Angabe einer Adresse, unter der beispielsweise der Websitebetreiber tatsächlich anzutreffen ist – oder aber einen konkreten Ausnahmefall, in dem man glaubhaft machen kann, dass die Angabe dieser Anschrift nicht möglich oder zumutbar ist.
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Offensichtlich ist dies aber eine rein deutsche Pflicht, und noch nicht mal EU-Recht, geschweige denn im angelsächsische n oder asiatischen Raum.
Anders lässt sich kaum erklären, dass 90% aller Online-Shops außerhalb Deutschlands eben keinerlei Impressum oder Adresse aufweisen.
Was wiederum die heutige eigentlich gelebte Rechtspraxis in Frage stellt, dass jeder Anbieter sich den Gesetzen des Landes unterwerfen muss, in dem er anbietet bzw. in das er liefert - auch online.
Wir alle kennen das doch in Bezug auf EU-Mehrwertsteu ersätze, national unterschiedlich e Verpackungsvero rdnungen, Marken- und Urheberrechte etc.pp.
Ausgerechnet bei der Impressumspflic ht scheint hier die EU eine L+cke gelassen zu haben...?!?
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Antwort der Redaktion
Hallo Dirk,
nach Art. 3 Absätze 1 und 2 E-Commerce Richtlinie gilt das Binnenmarktprin zip, wonach jedes EU-Land sicherstellen muss dass die im jeweiligen EU-Land ansässigen Anbieter ein Impressum bereitzustellen haben.
Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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