„Ist das Kunst, oder kann das weg?“ – in dieser schon fast abgedroschenen Frage steckt viel Wahrheit. Zwar geht es in einem aktuellen Fall nicht darum, ob etwas weg kann, sondern ab wann etwas Kunst ist. Konkret geht es um den Schweizer Möbelhersteller USM und das Regalsystem USM Haller. USM streitet sich aktuell mit seinem Nürnberger Konkurrenten Konektra.
Streit um Ersatzteile
Das Regalsystem Haller, welches sich vor allem in Büroräumen und Arztpraxen, aber auch in so mancher Privatwohnung wiederfindet, zeichnen sich durch hochglanzverchromte Rundrohre aus, die mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In diesem Gestell können dann verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall eingesetzt werden. Es handelt sich um eine Art modulares System, welches individuell gestaltet werden kann.
Das Unternehmen Konektra vertreibt auf seiner Seite Ersatzteile und Erweiterungsteile für das USM-Haller-System. Diese entsprechen den Originalteilen und die Kundschaft kann sogar 15 Prozent gegenüber den Angeboten von USM sparen. Nachdem sich der Konkurrent nur mit dem Angebot von Ersatzteilen befasst hat, werden seit einigen Jahren – konkret seit dem Relaunch des Shops – sämtliche Teile angeboten, die dafür notwendig sind, um sich selbst ein USM-Haller-Stück zusammenzubauen. Nur, dass die Teile eben nicht von USM selbst stammen.
USM ist der Ansicht, dass es sich bei dem Angebot um ein Plagiat handle. Das Regalsystem sei als Werk urheberrechtlich geschützt. Entsprechend verklagte das Unternehmen den Konkurrenten auf Unterlassung und Schadensersatz.
Deutsche Gerichte sind sich uneins
Zunächst klagte USM vor dem Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.07.2020, Aktenzeichen: 14c O 57/19). Das Gericht sah in dem Regalsystem tatsächlich ein urheberrechtlich geschütztes Werk und gab der Klage überwiegend statt. Das Berufungsgericht sah es aber laut der LTO anders: Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.07.2020, Aktenzeichen: 14c O 57/19) sah in dem System keine „eigene geistige Schöpfung“. Es fehle schlicht an der Originalität. Die Konstruktion sei durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt worden. Eine „Ausübung künstlerischer Freiheit“, wie der Europäische Gerichtshof sie für die Werkschaffung verlange, hätte keine Rolle gespielt. In der Folge wurden USM zwar wettbewerbsrechtliche Ansprüche zugesprochen, aber keine urheberrechtlichen.
Beide Parteien legten daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein: USM will die Anerkennung der urheberrechtlichen Ansprüche durchsetzen und Konektra strebt weiterhin die vollständige Klageabweisung an.
Der EuGH soll es klären
Auf ein schnelles Ende des Streits können die Parteien aber nicht hoffen: Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 21. Dezember 2023, Aktenzeichen: I ZR 96/22) hat nun laut Beck-Aktuell erst einmal den Europäischen Gerichtshof zu Rate gezogen. Dieser soll klären, wann ein Möbelstück ein Werk im Sinne des Urheberrechts ist.
Zum einen geht es um das Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz. Die Frage ist, ob der Schutz des Urheberrechts eine Art Ausnahmecharakter hat, sodass bei der Frage, ob ein Design ein Werk sein kann, höhere Anforderungen gelten, als an andere Werksarten.
Weiterhin soll der EuGH die Frage klären, aus welcher Perspektive eigentlich geklärt werden muss, ob ein Stück eine Originalität aufweist: Geht es um die subjektive Sicht des Schöpfers, also um die Frage, ob dieser die kreative Entscheidung bewusst getroffen hat oder kommt es allein auf die objektiven Maßstäbe an.
Die dritte und letzte Frage zielt ebenfalls auf die Originalität ab: Nehmen wir an, ein Produkt wird nach seiner Schöpfung in einer Ausstellung oder in einem Museum präsentiert. Kann sich dieser nachgelagerte Umstand auf die Frage der Originalität auswirken oder geht es allein um die Umstände, die zum Schöpfungsprozess vorgelegen haben?
Es bleibt auf jeden Fall spannend. Das Verfahren beim BGH wurde nun erst einmal ausgesetzt. Die Entscheidung des EuGH wird erwartet.
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