Wer ein rechtswidriges Angebot bei Amazon einstellt oder sich an dieses anhängt, muss selbst dafür haften. Das ist nichts Neues. Amazon selbst hingegen ist bislang nur mittelbar in der Verantwortung, wenn die Händler:innen Verstöße begehen. Die Wettbewerbszentrale hat jedoch ein Grundsatzverfahren angestoßen, in dem Amazon mehr und mehr dafür einstehen muss, wenn bekannte Wettbewerbsverstöße auf der Plattform immer wieder vorkommen, der Marktplatz aber nicht ausreichend tätig wird.
Notice & Take Down-Verfahren genügt nicht
Stein des Anstoßes war die Verwendung von den Begriffen Sojamilch, Hafermilch oder Reismilch für vegane Pflanzendrinks, was aus rechtlicher Sicht jedoch nicht mehr gestattet ist. Für pflanzliche Alternativen wird seit einer Rechtsänderung daher beispielsweise die Bezeichnung „Drink“ verwendet. Auf Amazon tauchten die veralteten und nunmehr unzulässigen Bezeichnung jedoch immer noch auf, weshalb die Wettbewerbszentrale einschritt. Doch nicht wie gewohnt gegen die werbenden Händler:innen selbst, sondern gegen Amazon, weil die Plattform nichts gegen weitere Verstöße unternommen hatte. Mit Erfolg.
Es sei Amazon technisch möglich und zumutbar gewesen, die Verstöße aus allen weiteren, auch künftigen, Angeboten herauszufiltern, so das Fazit der ersten Instanz (wir berichteten). Hintergrund: Amazon haftet auch für Rechtsverletzungen seiner Händler:innen, wenn die Plattform auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist und nichts unternommen hat (sogenanntes Notice & Take Down-Verfahren). Zudem müssen Marktplätze wie Amazon Sorge dafür tragen, dass es nicht zu weiteren Verstößen kommt (Notice & Stay Down). Wie man das verstehen darf, und ob Amazon zu nachlässig war, hat nun noch einmal das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt erläutern dürfen.
Erweiterte Handlungspflichten für Amazon
Das Oberlandesgericht bestätigt, dass Amazons Pflicht zum Prüfen, Einschreiten sowie die Vorsorge vor weiteren Verstößen nicht nur bei jugendgefährdenden, volksverhetzenden oder gewaltverherrlichenden Inhalten besteht, sondern auch bei „normalen“ Verstößen wie hier die Bezeichnungsvorschriften für Milchalternativen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Az. 6 U 154/22 – nicht rechtskräftig).
Weiß Amazon von einem Verstoß, muss die Plattform also nicht nur das betreffende Angebot entfernen, beziehungsweise berichtigen lassen, sondern auch weitere Angebote auf gleichartige Verstöße prüfen und diese beseitigen. Insoweit sei Amazon zuzumuten, Wörter wie Sojamilch, Hafermilch und Reismilch für vegane Pflanzendrinks beispielsweise vollflächig herauszufiltern. Unterbleibt das, ist Amazon gemäß dem Urteil in der Mithaftung und kann selbst direkt für den Verstoß abgemahnt werden.
Sind Abmahnungen auf Amazon nun Geschichte?
Vermutlich nicht. Das Urteil ist nach Aussagen der Wettbewerbszentrale noch nicht rechtskräftig und dürfte (und müsste) wegen seiner großen Brisanz wohl doch vom Bundesgerichtshof entschieden werden.
Zum anderen ändert eine Entscheidung, egal wie sie ausgehen mag, nichts daran, dass die verantwortlichen Händler:innen sich selbst um die Einhaltung von Recht und Gesetz kümmern müssen. Ob sich kleinere Abmahner:innen künftig direkt an Amazon halten, ist ebenfalls fraglich. Abmahnungen sind also weiterhin ein großes Thema für Amazon-Händler:innen. Die ergriffenen technischen Vorkehrungen könnten jedoch die Verstöße generell minimieren und damit letztendlich auch die Abmahngefahr.
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