19.000 Euro Schaden: So kann eine fehlende Widerrufsbelehrung die Existenz bedrohen

Veröffentlicht: 30.04.2025
imgAktualisierung: 30.04.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 2 Min.
30.04.2025
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Ein Sparschwein steht auf einem rissigen Boden
AndreyPopov / Depositphotos.com
Ein Unternehmer verliert seinen kompletten Lohn – wegen eines Formfehlers. Was das für den Handel bedeutet, ist brisanter, als viele denken.


Ein aktuelles Urteil aus Frankenthal sorgt für Aufsehen – nicht nur unter Handwerkern. Ein Gartenbauer verliert seinen gesamten Werklohn, weil er den Verbraucher nicht über dessen gesetzliches Widerrufsrecht belehrt hatte. Die Konsequenz: Der Kunde widerrief den Vertrag nach getaner Arbeit – und der Gartenbauer ging leer aus. Was zunächst nach einem Problem „aus dem Handwerk“ klingt, betrifft in Wahrheit auch viele Online-Händler.

Was genau ist passiert?

Das Landgericht Frankenthal (Az. 8 O 214/24) entschied Mitte April 2025, dass ein Gartenbauer keinen Cent für seine Arbeit verlangen darf, weil er versäumt hatte, seinen Kunden über dessen Widerrufsrecht zu belehren. Obwohl die Arbeiten vollständig und offenbar fachgerecht durchgeführt wurden, nutzte der Kunde sein Widerrufsrecht – zu Recht, wie das Gericht urteilte. Denn bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nur zu laufen, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt wurde. Ist das nicht der Fall, verlängert sich die Frist auf ein Jahr und 14 Tage.

Besonders bitter: Der Gartenbauer bekam auch keinen Wertersatz für seine Arbeit. Der vollständige Zahlungsanspruch in Höhe von 19.000 Euro entfiel.

Was hat das mit Online-Handel zu tun?

Sehr viel. Denn dieselben Verbraucherschutzvorschriften gelten auch für den E-Commerce. Online-Händler schließen mit Verbrauchern Fernabsatzverträge – und auch hier gilt das gesetzlich verankerte Widerrufsrecht. Wer als Shop-Betreiber vergisst, die Kunden korrekt zu belehren, läuft Gefahr, dass die Widerrufsfrist gar nicht beginnt, Kunden auch Monate später noch ihre Bestellung widerrufen können, gelieferte und genutzte Produkte vollständig zurückgenommen werden müssen – ohne Anspruch auf Wertersatz – und der gesamte Kaufpreis trotzdem erstattet werden muss. Kurz gesagt: Eine fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung kann für Online-Shops teuer werden.

Zwischen Verbraucherschutz und Missbrauch

Viele Händler berichten jedoch auch von Fällen, in denen das gesetzliche Widerrufsrecht nicht fair, sondern gezielt ausgenutzt wird – etwa durch Kunden, die Ware intensiv nutzen und kurz vor Ablauf der Frist zurücksenden, oder gar durch „Serien-Widerrufer“, die systematisch Bestellungen tätigen und widerrufen. Auch das Urteil aus Frankenthal wirft in diesem Kontext Fragen auf: Darf ein Verbraucher wirklich Monate nach Vertragsschluss und abgeschlossener Leistung einfach widerrufen – ohne Gegenleistung, erst recht, wenn er beispielsweise rechtlich versiert wäre und den Fehler erkannt hat?

Rechtlich lautet die Antwort: Ja, wenn die Widerrufsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist. Aber genau darin liegt die Krux: Der Gesetzgeber will durch diese „harte Sanktion“ den Unternehmer dazu zwingen, seine Pflicht zur Belehrung ernst zu nehmen. Der Gedanke dahinter: Nur wer sauber informiert, darf auch auf sein Geld bestehen. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack – besonders dann, wenn das Widerrufsrecht als Druckmittel oder Spartrick missbraucht wird. Hier fordert der E-Commerce seit Langem mehr Rechtssicherheit und eine Abgrenzung.

Für den Moment heißt das aber: Wer sich nicht angreifbar machen will, muss das Widerrufsrecht korrekt kommunizieren – klar, vollständig und nachweisbar. Nur so kann Missbrauch effektiv abgewehrt werden.

Veröffentlicht: 30.04.2025
img Letzte Aktualisierung: 30.04.2025
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
12 Kommentare
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McKeegan
07.05.2025

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Wenn solche Urteile und Begründungen gefällt werden brauchen wir keine Menschen mehr als Richter. Da setze ich eine KI hin, die urteilt präzise nach Gesetzeslage. Die Idee war doch mal, daß ein Richter das Ganze nach seinem Ermessen beurteilt. Das passiert hier ganz klar nicht. Vermutlich hat er einfach das Urteil aus einem anderen Fall (mit einem Küchenbauer, war2022 oder 2023) kopiert und die Namen ersetzt, das ist inzwischen im Justizbereich übliche Praxis - sowohl auf Seiten von Anwälten als auch auf Seiten der Richter. Mit solcher Gesetzeslage (und "Rechtsprechung") werden kleinere Unternehmer schlicht fertig gemacht, und es bleiben nur die Großen übrig, die langfristig die Qualität abschleifen werden für Gewinnmaximierung.
Max Sonntag
07.05.2025

Antworten

Wenn die Arbeiten fachgerecht und vereinbarungsgemäß durchgeführt wurden, hätte ich als Kunde ein mulmiges Gefühl, wenn ich abends alleine mein Haus verlassen würde. Nein Spaß beiseite: Wenn ich als Handwerker vor Ort beim Kunden ein Aufmaß mache, ein Angebot schreibe und der Kunde mit nach Abschluß der Arbeiten die korrekte Ausführung per Abnahmeprotokoll bestätigt - was im Handwerk ja die Regel ist - verstehe ich nicht, wie hier ein Widerrufsrecht gelten kann. Das passiert ja immer "außerhalb von Geschäftsräumen". Im Fernabsatzhandel sehe ich das ja ein, aber bei Handwerkern? Klar ist es ein Leichtes, eine Widerrufsbelehrung seinem Angebot beizufügen, aber letztlich ist das völlig absurd. Mit meinen Handwerkern wird der Auftrag nach Angebot noch per Handschlag geschlossen.
cf
06.05.2025

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Meinung: Verbraucherschutz ist wichtig, es sollte für den Onlinehandel jedoch irgendeine Lösung geschaffen werden die verhindert, dass Kunden z.B. Kleidung kaufen, am Wochenende schick damit ausgehen und dann zurückschicken. Wer es auf die Spitze treibt braucht überhaupt keine Kleidung zu kaufen, da man sich ja alle paar Tage etwas neues bestellen und nach 14 Tagen zurücksenden kann. Notfalls würde es ja reichen, wenn Händler sehr große Etiketten anbringen, welche bei der "Warenprüfung" und bei Widerruf nicht entfernt werden dürfen. Mit einem Din A5 großen Pappschild läuft dann wohl kaum noch einer rum. Und ein Verbot angebrachte Schilder zu entfernen (die natürlich eine Anprobe nicht verhindern dürfen) wäre keine wesentliche Benachteiligung der Verbraucher.
Florian
04.05.2025

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Ich sehe das neutral und emotionslos, rechtliche Dinge sind einzuhalten. Für eigene Versäumnisse kann ich nicht Richter oder Kunden verantwortlich machen. Die Frage, über die man diskutieren muss: Welche Möglichkeiten hat der Unternehmer, alternativen Wertersatz zu verlangen. Das mag ein getrennter Rechtsvorgang sein, aber ist m.E. auf verschiedenen Wegen möglich. (812 BGB z.B., ungerechtfertige Bereicherung u.a.)
Oli P.
02.05.2025

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Ich bin sicher dieser Kunde bekommt in seiner Region keinen Handwerker mehr...
bmb
02.05.2025

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Wir waren 2021 von der Flut betroffen und hatten im Anschluss sehr viele Handwerker im Haus. Nicht einer hat mich über ein Widerrufsrecht belehrt. Und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass das hätte sein müssen. Traurig, dass Handwerker so abgezockt werden. K.I gebe ich vollkommen recht!
Reiner
02.05.2025

Antworten

Früher galt mal, was ausgemacht war. Der Kunde wird ja wohl dabei gewesen sein, also der Gartenbauer tätig wurde und dieser hat ja wohl kaum ohne seine Weisung im Garten gearbeitet. Wenn die Arbeit sach- und fachgerecht erledigt wurde, dann steht dem Gartenbauer m. M. nach auch ein entsprechende Gegenleistung zu. Die getroffene Gerichts-Entscheidung mag zwar korrekt sein, aber warum sollte der Auftraggeber ungerechterweise bevorteilt werden, nur weil ihm ein Schriftstück nicht zur Kenntnis gebracht wurde. Solche richterlich gebilligten Ungerechtigkeiten sollten durch den Gesetzgeber unterbunden werden.
K.I
02.05.2025

Antworten

Meinung: Ich würde als Unternehmer direkt hinfahren und meine gesamte Arbeit dort entfernen incl. Material, Pflanzen ect. Diese "Auftraggeber, Kunden" sind einfach nur Arsc....... Die Richter empfinde ich auch als extrem gestört! Dem Betrüger Tür und Tor öffnen nennen wir diese Art von Urteilen und Gesetze!
Robert Flachenäcker
02.05.2025

Antworten

So sehr ich Verbraucherschutz grundsätzlich schätze… bei dem Theme liegt meines Erachtens viel zu viel Verantwortung auf dennGewerbetreibenden. Das alles grenzt auch schon am Entmündigung von Bürgern, die ansonstem auch nicht im Alltag über alle Handlungen, die sie ausführen „belehrt werden müssen“, sondern einfach wissen, was geltendes Recht ist. Vor allem ist die altuelle Rechstlage für Winkeladvokaten eine Einladung, sich auf Kosten anderer zu bereichern.
H.B.
02.05.2025

Antworten

Traurig, absolut traurig. Offenbar weiß man, was man für Rechte hat und nutzt das nach ausgeführten Arbeiten gnadenlos aus. Am besten studiert man bei diesen idiotischen Gesetzen Jura bevor man sich selbstständig macht
QY
02.05.2025

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Wer sich für 19000 Euro Gartenarbeiten leisten kann... Der kann sich auch gute Anwälte leisten. Der finanziell starke hat Recht.
Frank2
01.05.2025

Antworten

Bürokratie Schwachsinn in dem Fall... Es wird doch wohl jedem klar sein, dass eine begonnene arbeitet auch kosten verursacht....