Für viele Händler ist es gelebter Alltag: Kunden bestellen Produkte online, testen sie im schlimmsten Fall ausgiebig – und senden sie innerhalb der Widerrufsfrist zurück. Dabei ist die Ware oft deutlich über das übliche Maß hinaus genutzt. Ein getragenes Kleid mit Deospuren, ein Smartphone mit heruntergeladenen Apps oder ein Küchengerät mit Gebrauchsspuren sind da noch harmlos. Doch was nun?

Viele Händler scheuen sich, in solchen Fällen Wertersatz zu verlangen, obwohl das Gesetz dies erlaubt. Der Grund: Unsicherheit über die Rechtslage und die Angst vor schlechter Presse, negativen Bewertungen und Sanktionen durch Marktplätze. Doch ein aktuelles Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth macht deutlich: Händler sind nicht schutzlos, wenn Kunden Ware im deutlich gebrauchten Zustand zurücksenden.

Der Tesla-Fall: 20 Prozent Wertverlust bei übermäßiger Nutzung

In einem jüngst entschiedenen Fall (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 23.04.2025, Az.: 16 O 5436/24) hatte ein Verbraucher online ein Neufahrzeug von Tesla gekauft. Kurz nach Erhalt widerrief er den Vertrag, nachdem er das Fahrzeug auf seinen Namen zugelassen und rund 500 km gefahren hatte.

Der Händler behielt vom ursprünglichen Kaufpreis rund 20 Prozent als Wertersatz ein, da das Fahrzeug nicht mehr als Neuwagen verkauft werden konnte. Der Käufer klagte – doch das Gericht wies die Klage ab. Das Gericht argumentierte, dass die Zulassung des Fahrzeugs weit über eine normale Prüfung hinausgeht. Diese sei nicht erforderlich gewesen, da eine Probefahrt möglich gewesen wäre. Entsprechend durfte der Händler Wertersatz verlangen – und zwar in Höhe des durch die Zulassung verursachten Wertverlusts, den das Gericht pauschal mit 20 Prozent schätzte.

Wertersatz ist erlaubt – aber nicht automatisch

Das Urteil ist zwar aus dem Autohandel, hat aber Signalwirkung für alle Online-Händler, die mit Rücksendungen gebrauchter Ware zu tun haben. Denn: Auch im klassischen E-Commerce gilt § 357a Abs. 1 BGB – und erlaubt es Händlern, Wertersatz zu verlangen, wenn die Nutzung durch den Verbraucher über das „normale Prüfen“ hinausgeht.

Doch zunächst Achtung: Das geht nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, die der Kunden auch vor und nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich muss eine Nutzung der Ware über das zur Prüfung Notwendige hinaus (z. B. Waschen, Aktivieren, intensive Nutzung) stattgefunden haben.

Was ist „zulässige Prüfung“ – und was nicht?

Das Gesetz besagt Folgendes: „Der Verbraucher hat Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn der Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit ihr zurückzuführen ist.“ Der entscheidende Maßstab ist: Welche Prüfung wäre dem Kunden in einem Ladengeschäft möglich gewesen?
Denn § 357a Abs. 1 BGB erlaubt Wertersatz nur, wenn der Kunde die Ware über das hinaus nutzt, was zur Prüfung von Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise erforderlich ist. Die Prüfung darf also nicht mit dem „Gebrauch“ verwechselt werden – jede zweckgerichtete Nutzung über die bloße Erprobung hinaus verpflichtet zum Wertersatz.

Dass man sich hierüber in der Praxis trefflich streiten kann, beweisen die diffuse Rechtslage und die wenigen Urteile. Nachfolgend jedoch ein paar Beispiele zur Einordnung:

Zulässige PrüfungNicht notwendige Benutzung
Kleidung kurz anprobieren, um Passform und Tragekomfort einschätzen zu könnenKleidung längere Zeit tragen, waschen, stark verschmutzen (auch Deo oder Parfum)
Küchenmaschine auspacken und zum Test der Funktionsweise/Leistung einschaltenGerät längere Zeit benutzen und Speisen damit zubereiten
Handy starten und Menü testenHandy aktiv nutzen und personalisieren
Matratze auspacken und Probeliegen/-schlafenMatratze über eine längere Zeit benutzen

Die Faustregel kann also wie folgt lauten: Was im stationären Handel erlaubt wäre, ist auch online erlaubt. Alles darüber hinaus kann zu Wertersatz führen.

Wie hoch darf der Wertersatz sein?

Das Gesetz (§ 357a BGB) sagt nicht, wie hoch der Wertersatz ausfallen darf. In der Praxis ist eine Schätzung zulässig, etwa anhand von Wiederverkaufswert, Zustand der Ware und zeitlicher Nutzung. Im Tesla-Urteil hielt das Gericht pauschal 20 Prozent Abzug für angemessen, weil der Händler das Fahrzeug nur noch als Gebrauchtwagen verwerten konnte. Bei typischen Konsumgütern wie Kleidung oder Elektronik sind auch geringere oder höhere Werte denkbar.

Bemerkenswert ist, wie häufig gerade in letzter Zeit Widerrufsfälle rund um Tesla vor deutschen Gerichten landen. Ob in Oldenburg oder wie hier in Nürnberg-Fürth – es häufen sich die Entscheidungen, bei denen Käufer ihre Tesla-Bestellung rückabwickeln wollen. Das wirft Fragen auf: Liegt es an der besonders niedrigen Schwelle zum Online-Kauf, dem direkten Vertriebsmodell – oder doch an den negativen Presseberichten rund um Firmenchef Elon Musk, die dazu führen, dass man nicht mehr so gern wie anfangs mit einem Tesla in der Öffentlichkeit gesichtet werden möchte?

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