Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dem nunmehr im Volltext vorliegenden Urteil vom 13.04.2011 (VIII ZR 220/10) eine Entscheidung zur Frage gefällt, wo der Verkäufer den Nacherfüllungsanspruch des Käufers erfüllen muss. Diese Zweifelsfrage stellt sich Onlinehändlern vor allem dann, wenn der Händler und der Käufer an unterschiedlichen Orten wohnen und der gekaufte, mangelhafte Artikel so schwer, sperrig bzw. groß ist, dass er nicht einfach und kostengünstig per Paket versendet werden kann.

 In diesen Fällen stellt sich dann erfahrungsgemäß die Frage, ob der Verkäufer den Artikel zur Durchführung der Nacherfüllung abholen muss oder ob der Kunde den Artikel zur Durchführung der Nacherfüllung zum Ort, an welchem der Verkäufer sitzt, bringen muss.

Im Sachverhalt, den der BGH zu entscheiden hatte, erwarb ein Kunde, der in Frankreich wohnte, von einem Händler, der in Deutschland ansässig war, einen Camping-Anhänger. Der Händler lieferte den Camping-Anhänger an den Wohnort des Kunden. In der Folgezeit traten Sachmängel am Anhänger auf. Der Kunde forderte den Händler auf, den Anhänger wieder abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Ein daraufhin vereinbarter Abholtermin scheiterte. Zum Rücktransport hätte vom Händler ein (rotes) Überführungskennzeichen angemeldet werden müssen - ein solches lag jedoch nicht vor. Der Kunde forderte den Händler nachfolgend unter Fristsetzung erneut zur Abholung und Mängelbeseitigung auf. Nachdem auch diese Frist erfolglos verstrichen war, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Der BGH entschied in diesem Fall, dass der Kunde den Anhänger zur Durchführung der Nachbesserung an den Ort hätte bringen müssen, wo der Verkäufer ansässig ist.

Sofern zwischen den Parteien des Kaufvertrages keine Vereinbarungen zum Erfüllungsort getroffen werden, sei die Frage, wo der Erfüllungsort der Nacherfüllung liege, nach der allgemeinen Regelung des § 269 Abs. 1 BGB zu beantworten.

Hierbei müssten aber die Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden.

Der BGH führte in seinem Urteil unter anderem aus:

„....Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kläger nicht gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen können. ... Der von den Klägern ... erklärte Rücktritt vom Vertrag ist ... unwirksam, weil die Kläger den Anhänger nicht zur Vornahme der Nacherfüllung (§ 439 BGB) an den Firmensitz der Beklagten verbracht haben.

...Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach dem in § 323 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Vorrang der Nacherfüllung grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 439 BGB gesetzt hat ... Dabei kann der Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach seiner Wahl Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder durch Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Zwar haben die Kläger der Beklagten eine Frist zur Beseitigung der gerügten Mängel gesetzt. Sie sind hiermit jedoch ihrer Obliegenheit, der Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben ..., nicht in gehöriger Weise nachgekommen, da sie den Faltanhänger für die Mängelbeseitigung nicht zum Sitz der Beklagten verbracht, sondern die Beklagten zur Abholung des Anhängers in Frankreich aufgefordert haben.

... Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ist auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt. Erfüllungsort der Nacherfüllung war vorliegend - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - der Firmensitz der Beklagten (Anmerkung: also des Händlers)...“

und weiter:

„...Die Frage, an welchem Ort ... im Kaufrecht der Verkäufer die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt.... Der Senat ... entscheidet sie nunmehr dahin, dass der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB zu bestimmen ist...

Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen - wie hier - vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz beziehungsweise seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte.

Zu den beim Fehlen vertraglicher Vereinbarungen maßgebenden Umständen zählen anerkanntermaßen die Ortsgebundenheit und Art der vorzunehmenden Leistung ..., die Verkehrssitte, örtliche Gepflogenheiten und eventuelle Handelsbräuche ...“

Fazit:

  1. Wenn die Parteien des Kaufvertrages Vereinbarungen zum Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruchs getroffen haben, sind diese einzuhalten - die Nacherfüllung ist dann an dem vereinbarten Ort zu erbringen.
  2. Wenn hierzu keine Vereinbarung getroffen worden ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, an welchem Ort die Nacherfüllung zu erbringen ist.

Zu berücksichtigen sind v.a. die folgenden Umstände:

  • Natur des Schuldverhältnisses,
  • Ortsgebundenheit der vorzunehmenden Leistung,
  • Art der vorzunehmenden Leistung,
  • Verkehrssitte, örtliche Gepflogenheiten, ev. bestehende Handelsbräuche.

Da im Fall des BGH für die Reparatur des Camping-Anhängers Werkstatttechnik und Fachpersonal erforderlich waren und dem Kunden der Transport des Camping-Anhängers kosten- und aufwandmäßig nicht unzumutbar war, lag der Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch beim Händler. Der Kunde hätte den Anhänger daher dorthin transportieren müssen, damit der Händler den Nacherfüllungsanspruch im Wege der Reparatur hätte erfüllen können.