„Wohlbefinden in der Flasche“, „Balance für deinen Tag“, „Natürlich entspannter leben“ – solche Slogans begegnen uns heute überall. Egal ob Tee, Kapseln, Massagegeräte oder Matratzen: Gesundheit ist längst zum Verkaufsargument geworden. Händler wissen, dass sich Produkte besser verkaufen, wenn sie nicht nur schmecken oder hübsch aussehen, sondern auch „guttun“.

Gerade in der Welt der Nahrungsergänzungsmittel, Naturkosmetik und Wellnessprodukte sind emotionale, gesundheitsbezogene Claims daher fast schon Pflicht. Kunden wünschen sich Wirkung – und ein gutes Gefühl beim Kauf. Doch genau hier wird es heikel. Denn rechtlich ist längst nicht alles erlaubt, was sich gut liest.

EuGH-Urteil: Gesundheit ja – aber nur mit Genehmigung

Am 30. April 2024 hat der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C‑386/23) ein Urteil gefällt, das viele in der Branche aufhorchen lässt. Im Mittelpunkt stand ein deutsches Unternehmen, das ein Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Extrakten – konkret Safran und Melonensaft – beworben hatte. Die Versprechen: stressmindernd, stimmungsaufhellend, unterstützend bei Erschöpfung.

Das klang für viele potenzielle Kunden nachvollziehbar. Für den Verband Sozialer Wettbewerb jedoch nicht – er klagte. Und der EuGH entschied klar: Solche gesundheitsbezogenen Angaben sind ohne vorherige Zulassung durch die EU nicht erlaubt. Das heißt konkret: Auch wenn ein pflanzlicher Stoff wie Safran nachweislich eine bestimmte Wirkung hat, darf man das als Händler nicht werblich verwenden – jedenfalls nicht öffentlich.

Bürokratie schlägt Marketing: Klarheit bei pflanzlichen Health Claims

Die Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, das werden nun viele einwenden, galt doch schon seit etlichen Jahren und es ist bekannt, wie heikel gesundheitsbezogene Aussagen sind. Was ist also das Neue an dem Urteil? Seit Inkrafttreten der Health-Claims-Verordnung müssen gesundheitsbezogene Angaben eigentlich offiziell von der EU genehmigt werden, bevor sie werblich verwendet werden dürfen. So weit, so ungut. Für pflanzliche Stoffe (sogenannte „Botanicals“) gab es aber eine Besonderheit: Für über 1.500 solcher Claims lagen bereits Anträge vor – doch die EU-Kommission hat diese nie abschließend geprüft. Das führte dazu, dass viele Händler und Hersteller davon ausgingen, man dürfe solche Aussagen vorläufig weiterverwenden, solange der jeweilige Antrag „in der Warteschlange“ war – also nach dem Motto: „Solange nicht abgelehnt, wird’s schon passen.“ Genau diese Übergangspraxis hat der EuGH jetzt beendet. Für Botanicals fehlt bis heute eine offizielle Liste zulässiger Aussagen. Nun stellte der EuGH klar: Was nicht genehmigt ist, darf nicht gesagt werden. Ganz gleich, wie plausibel das Versprechen klingt.

Ausnahme: Nur Health Claims, die vor dem 19. Januar 2008 beantragt und später genehmigt wurden, sind zulässig – wer damals keinen Antrag gestellt hat, weil bald eine EU-Liste erwartet wurde, steht nun ohne rechtssichere Werbemöglichkeit da, was der EuGH-Generalanwalt ausdrücklich kritisiert hat.

Was ist noch erlaubt? Ein Dilemma mit Ansage

Händler stehen einmal mehr zwischen Baum und Borke: Auf der einen Seite gibt es die Kunden, die nach natürlichen Lösungen suchen. Auf der anderen Seite besteht eine Rechtslage, die keine Grautöne duldet. Die Folge dessen ist: Wer zu viel verspricht, riskiert Abmahnungen. Wer zu vage bleibt, verkauft schlechter. Gerade im Online-Handel, wo Kunden sich allein auf Texte und Bilder verlassen, ist das eine echte Herausforderung. Ohne Nutzenversprechen, ohne „Story“ fehlt der entscheidende Kaufimpuls. Doch jedes Wort zu viel kann gleichzeitig eine Abmahnung bedeuten. Das zeigen unsere Abmahnmonitore, die regelmäßig genau solche Aussagen ausfindig machen.

Viele Unternehmen müssen sich nun zwischen Rechtssicherheit und Marktfähigkeit entscheiden. Oder kreative Wege finden, um weiterhin ansprechend zu kommunizieren, ohne juristisch anzuecken. Es bleibt also kompliziert: Denn verkaufen darf man fast alles – man darf es nur nicht beim Namen nennen.

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