Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil (Az.: VI R 18/22 vom 20.02.2025) klargestellt: Ein Steuerbescheid gilt nach einer bestimmten Frist nach dem Absenden als zugestellt – ganz egal, ob er tatsächlich so schnell angekommen ist oder nicht. Für Online-Händler, die viel Korrespondenz bearbeiten, kann diese Regelung (die sogenannte „Zugangsvermutung“) entscheidend sein, um Fristen zu wahren.

Ein verspäteter Brief – und trotzdem zu spät reagiert?

Im konkreten Fall hatte eine Steuerpflichtige behauptet, sie habe den Bescheid vom Finanzamt erst vier Tage nach dem Absendedatum erhalten – was zur Folge hatte, dass sie (beziehungsweise die Steuerberaterin) auch die Frist für einen Einspruch falsch berechnete und diesen nicht fristgerecht einlegte. Das erste Finanzgericht hatte ihr noch recht gegeben. Doch der BFH stellte klar: Allein die Behauptung, ein Brief sei verspätet angekommen, reicht nicht aus, um die gesetzliche Fristverlängerung zu bekommen. Auch wenn der Brief tatsächlich später kam, aus Sicht des Gesetzes galt der Steuerbescheid spätestens am dritten Tag als zugestellt – wenn man nichts anderes beweisen kann.

Was zählt: Beweise, kein reines Behaupten

Wer sich auf einen späteren Zugang beruft, muss diesen auch substanziell belegen. Das bedeutet: Es braucht konkrete Hinweise – etwa Zeugenaussagen, Posteingangsdokumentationen oder andere Belege. Allgemeine Aussagen wie „Die Post ist hier immer unzuverlässig“ oder „Montags kommt eh nichts“ reichen nicht aus. Die gesetzliche Drei-Tages-Regel bleibt bestehen, auch wenn es tatsächlich keine Postzustellung gab.

Achtung: Seit dem 1. Januar 2025 gilt die bisherige Drei-Tage-Zugangsvermutung im Steuerrecht nicht mehr. Sie wurde durch eine Vier-Tage-Regelung ersetzt. Das bedeutet, dass ein Steuerbescheid nun grundsätzlich am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt. Diese Änderung berücksichtigt die verlängerten Postlaufzeiten infolge des neuen Postrechtsmodernisierungsgesetzes.

Die Zustell-Regel gilt vor allem im öffentlichen Recht – also im Steuerrecht, Verwaltungsrecht und Sozialrecht. Dort wird gesetzlich vermutet, dass ein Bescheid am vierten Tag nach dem Versand beim Empfänger angekommen ist, auch wenn er ihn tatsächlich erst später bekommt. Diese Regel soll die Zustellung und eventuelle Streitigkeiten rund um den Erhalt vereinfachen, da die Briefe aus Kostengründen in der Regel ohne Zustellnachweis (z. B. Einwurfeinschreiben) versendet werden. Welcher Beweis dann der Behörde oder schlimmstenfalls einem Gericht genügt, ist wiederum eine Gratwanderung.

Im Zivilrecht – z. B. bei Kündigungen oder anderen Vertragsangelegenheiten – zählt dagegen nicht der Versand, sondern der tatsächliche Zugang beim Empfänger. Dort gibt es keine gesetzliche Regel – die Frist beginnt erst, wenn das Schreiben wirklich angekommen ist.

Beispiel: Einspruchsfrist für einen Steuerbescheid berechnen (ab 2025)

  • Versanddatum des Steuerbescheids: Dienstag, 4. März 2025
  • Bekanntgabe gemäß Vier-Tage-Regel (die Frist endet am vierten Tag nach der Aufgabe zur Post): Samstag, 8. März 2025.
  • Verschiebung bei Wochenende oder Feiertag auf den nächsten Werktag: Montag, 10. März 2025.
  • Beginn der Einspruchsfrist am Tag nach der Bekanntgabe: Dienstag, 11. März 2025.
  • Ende der Einspruchsfrist einen Monat später: Donnerstag, 10. April 2025 um Mitternacht.

Auch Online-Händler kennen das: Zwischen Bestellungen, Rücksendungen und Steuerangelegenheiten bleibt wenig Zeit. Doch wer die Fristen für Einspruch oder Widerspruch gegen einen behördlichen Bescheid verpasst, kann schnell Geld verlieren – sei es durch zu hohe Steuerzahlungen oder verlorene Rechtsmittel. Deshalb gilt: Behördenpost sofort öffnen, Datum dokumentieren – und im Zweifel rechtzeitig handeln oder Unterstützung suchen.

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