Überblick über die Unternehmensformen mit ihren Vor- und Nachteilen aus Gründersicht – Teil 4: AG, „kleine“ AG und SE

Veröffentlicht: 02.11.2011 | Geschrieben von: Katrin Krietsch | Letzte Aktualisierung: 02.11.2011

1. Aktiengesellschaft (AG)

Die AG gehört zu den Kapitalgesellschaften (zur Unterscheidung von den Personengesellschaften lesen Sie bitte Teil 2 der Beitragsreihe), was bedeutet, dass die AG eine „juristische Person", also eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist. Nicht die Gesellschafter der AG, sondern die AG selber haftet den Gläubigern der AG gegenüber mit dem Gesellschaftsvermögen.

Die AG entsteht mit Eintragung ins Handelsregister. Die Gesellschafter der AG können wiederum natürliche oder juristische Personen sein. Das Recht der Aktiengesellschaften ist im Aktiengesetz (AktG) niedergelegt, welches 1994 durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts" reformiert worden ist - Ziel der Reform war es, die Unternehmensform der AG auch für den Mittelstand attraktiv zu machen.

Die AG kann eine Vielzahl von Zwecken verfolgen, sofern diese gesetzlich zulässig sind. Allerdings dürfen bestimmte freie Berufe (wie z.B. Arzt, Apotheker, Notar) nicht in Form einer AG betrieben werden. Sie sind per Gesetz eine Handelsgesellschaft, auch dann, wenn der Gesellschaftszweck sich nicht auf ein Handelsgewerbe im eigentlichen Sinne bezieht.

Wie bei allen Kaufleuten und Handelsgesellschaften kann bei der Firmierung (= Namen der AG) zwischen einer Sach-, Namens- oder Phantasiefirma gewählt werden.

Das Grundkapital der AG ist in Aktien zerlegt, die weitgehend formfrei übertragen und damit gehandelt werden können. Das Grundkapital der AG beträgt mindestens 50.000,00 Euro. Dieses Kapital kann in Form von Bar- oder auch Sacheinlagen eingebracht werden. Bei Sacheinlagen ist der Nennbetrag der für die Einlage zu gewährenden Aktien in der Satzung der AG festzulegen.

Traditionell ist die AG die passende Rechtsform für Großunternehmen. Seit der Gesetzesreform von 1994 ist sie jedoch auch für kleinere und mittelständische Unternehmen eine zunehmend interessante Unternehmensform geworden.

Vorteile der AG aus Gründersicht auf einen Blick:

  • Beschränkte Haftung: Die AG haftet Gläubigern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur mit dem Gesellschaftsvermögen; die Gesellschafter können persönlich nicht in Haftung genommen werden.
  • Die Geschäftsanteile/Aktien sind einfach zu übertragen, da hier keine besonderen Formvorschriften (wie z.B. notarielle Beurkundung) bestehen.
  • Der Bestand der AG ist vom Mitgliederbestand unabhängig. Durch den Erwerb von Stammaktien kann dennoch der Einfluss auf die AG gesichert werden (v.a. interessant für die Frage der Unternehmensnachfolge bei Familienunternehmen).
  • Die AG genießt - auch aufgrund des engen rechtlichen Korsetts, in welches sie verfasst ist - ein sehr hohes Ansehen und Vertrauen im Rechtsverkehr, mit welchem sich öffentlichkeitswirksam werben lässt.

Dem stehen folgende Nachteile gegenüber:

  • Die Gründung und Führung einer AG ist sehr anspruchsvoll - es gibt eine ganze Reihe zwingender (also nicht vertraglich abdingbarer) rechtlicher Vorschriften zu beachten. Es ist regelmäßig ein vergleichsweise aufwändiger Mix aus Planung und Finanzierung erforderlich - die AG ist nicht mal eben so gegründet und auch nach der Gründung kein „organisatorischer Selbstläufer". Das liegt u.a. an den drei Gremien (Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung), welche die Geschicke der AG gemeinsam leiten müssen.
  • Die Gründung der AG ist kostenintensiv und mit bürokratischem Aufwand verbunden: Das zu erbringende Grundkapital liegt bei mindestens 50.000,00 €, hierzu weiter oben. Es sind verschiedene Stufen der Gründung zu durchlaufen, die hier verkürzt dargestellt sein sollen:
    1. Feststellung der Satzung = Gesellschaftsvertrag mit dem gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt (u.a. Namen der Gründer, Firma, Sitz der AG, Unternehmensgegenstand, Grundkapital, Zahl der Aktien bei Stückaktien bzw. Zahl und Nennbeträge bei Nennbetragsaktien, Vorstandsmitglieder, Form der Bekanntmachung), der notariell beurkundet werden muss;
    2. danach Aufbringung und Einzahlung des Grundkapitals, Bestellung der Organe (wiederum notariell zu beurkunden);
    3. danach Erstattung des Gründungsberichts,
    4. Prüfung des Gründungsberichts durch den Vorstand und den Aufsichtsrat bzw. durch einen externen Prüfer.
    5. Anmeldung und Eintragung der AG ins Handelsregister.
  • Die AG unterliegt zudem dem rechtlichen Grundsatz der sog. Satzungsstrenge (bedeutet: in der Satzung darf keine vom Gesetz abweichende Regelung vereinbart werden, es sei denn, das Gesetz lässt die Ausnahme ausdrücklich zu) und ist daher in der Ausgestaltung und Verwaltung weniger flexibel als die GmbH. Für ein Startup dürfte sie sich daher in aller Regel als zu schwerfällig erweisen.

2. Die „kleine" AG

Wie bereits zuvor angesprochen hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts" 1994 die Unternehmensform der AG beweglicher und damit für den Mittelstand attraktiver machen wollen.

Die wichtigsten Vereinfachungen betrafen vor allem die Gründung der AG: So gibt es z.B. keine Mindestanzahl an Gesellschaftern mehr, es ist theoretisch auch die Gründung einer Einmann-AG möglich. Zudem ist seither die Ausgabe von „1,00 €- Aktien" möglich.

Auch die Befürchtungen, die manche Gründer bezüglich einer betrieblichen Mitbestimmung hegten, sind seither entschärft: Bei einer neu gegründeten AG ist der Aufsichtsrat bei einer Beschäftigtenzahl von bis zu 500 Mitarbeitern mitbestimmungsfrei.

Zudem schuf der Gesetzgeber im Rahmen der Reform eine erhöhte Flexibilität bei der Frage der Mittelverwendung.

Die „Ich-AG"

Umgangssprachlich fest eingebürgert hat sich auch der Begriff der „Ich-AG".

Es soll hier nur klarstellend darauf verwiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine AG im Sinne des Gesellschaftsrechts handelt - es handelt sich um überhaupt keine gesellschaftsrechtliche Unternehmensform. Mit dem Begriff der „Ich-AG" bezeichnet der Volksmund vielmehr den Zuschuss für Existenzgründer nach § 421 des Sozialgesetzbuch (SGB) III. Seit 2003 erhalten Beschäftigte, die ihre Arbeitssuche/Erwerbslosigkeit durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beenden, einen zeitlich begrenzten, gestaffelten Existenzgründerzuschuss.

3. Societas Europaea (SE)

Die SE oder „Europäische AG" ist im Wesentlichen ein Produkt der Bemühungen, auf EU-Ebene ein harmonisiertes Gesellschaftsrecht zu schaffen. Auch die SE ist als Kapitalgesellschaft eine juristische Person wie die deutsche AG, deren Kapital in Aktien zerlegt ist. Sie muss ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU haben, kann diesen Sitz aber jederzeit ohne großen Verwaltungsaufwand (wie z.B. Auflösung und Neugründung) verlegen. Die SE kann EU-weit tätig werden, es muss jedoch nicht für jeden Mitgliedsstaat eine eigene Tochtergesellschaft gegründet werden. Dies ist vor dem Hintergrund der Erschließung des gesamten EU-Marktes einer der größten Vorteile der SE.

Das Mindestkapital der SE beträgt allerdings 120.000,00 €. Zudem täuscht der Eindruck, es gäbe eine EU-weit einheitliche Unternehmensform „SE" - es ist vielmehr so, dass die Regelungen zur SE in die verschiedenen Gesellschaftsrechtskodifikationen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten überführt worden ist. Es gibt also das Grundmodell der SE in den unterschiedlichsten „mitgliedsstaatlichen Schattierungen" - je nachdem, ob die SE z.B. nach deutscher, griechischer, französischer, italienischer, finnischer, estnischer (usw.) Ausprägung gegründet wird (was sich wieder nach dem Sitz der SE richtet).

Fazit: Die SE ist in Anbetracht der sehr hohen rechtlichen Regelungsintensität und der vergleichsweise hohen Mindestkapitaleinlage als Rechtsform für Unternehmensgründer nicht zu empfehlen, es sei denn das Startup soll von Beginn an europaweit tätig werden und kann ohne weiteres mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.