Wie zahle ich eigentlich ein faires Gehalt?

Veröffentlicht: 01.07.2025
imgAktualisierung: 01.07.2025
Geschrieben von: Hanna Behn
Lesezeit: ca. 5 Min.
01.07.2025
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ca. 5 Min.
Fünfköpfiges Team sitzt in einem Meetingraum, eine Person präsentiert und hebt fragend die Schultern
.shock / Depositphotos.com
Ab kommendem Jahr wird mehr Gehaltstransparenz Pflicht, etwa in Stellenanzeigen. Aber wie schafft man eine gute, konkurrenzfähige Vergütung?


Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie kommen auf Unternehmen neue Pflichten zur Angabe von Gehältern zu. In Stellenanzeigen wird dann zu lesen sein, wie viel Unternehmen – zumindest jene ab 50 Mitarbeitenden – für eine bestimmte Jobposition zahlen werden. Damit werden die Pflichten des Entgelttransparenzgesetzes nochmal erweitert.

Gehälter und Firmen, die offen ihre Gehälter angeben, sind noch besser untereinander vergleichbar – und dadurch wird die Gehaltsfrage noch offensichtlicher zum Wettbewerbsfaktor beim Ringen um die besten Fachkräfte. Was kann Gehaltstransparenz leisten? Und wie können Unternehmen eine angemessene und gleichermaßen konkurrenzfähige Vergütung festlegen? Wir haben einige Tipps und Praxisbeispiele zusammengetragen. 

Transparente Gehaltsinformationen – wieso eigentlich? 

Über Geld spricht man nicht? Gespräche über das Gehalt hinter vorgehaltener Hand – das ist in vielen Unternehmen Alltag. Die Frage, wer verdient wie viel – und warum, sollte jedoch nicht nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben für Arbeitgeber wichtig sein. Transparente Informationen können Unzufriedenheiten, Neid und auch Kündigungen vorbeugen.  

„Transparenz macht jede Form von Bevorzugung sichtbar. Wir halten es für unerlässlich, dass unsere Teammitglieder umfassend darüber informiert sind, wie und warum wir unsere Vergütungsentscheidungen treffen“, findet beispielsweise das US-amerikanische Social-Media-Softwareunternehmen Buffer, das seit 13 Jahren auf Gehaltstransparenz setzt. „Anstatt Gehaltsfragen privat zu besprechen, streben wir nach Praktiken und einer Unternehmenskultur, die uns die Möglichkeit gibt, an diesen Diskussionen beteiligt zu sein“, berichtet Buffer auf seinem Unternehmensblog

Offene Gehälter: Vom Online-Rechner bis zur öffentlichen Liste

Bei Buffer ist die Vergütung jedes Einzelnen öffentlich online zu finden. Außerdem wird ausführlich die Formel erklärt, nach der Gehälter errechnet werden. Wer es lieber nicht ganz so transparent möchte, könnte sich auch ein Beispiel am Hamburger Unternehmen Oose nehmen. Der Anbieter für Workshops, Coaching und Seminaren, der absichtlich auf klassische Chef:innen verzichtet und Verantwortung stattdessen möglichst kooperativ aufteilt, nutzt seine Karriereseiten für transparente Informationen zur Vergütung: Anhand eines Gehaltsrechners, der neben der Fachabteilung auch Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Arbeitszeit und Inflation berücksichtigt, kann man sehen, wie viel man verdienen würde, wenn man jetzt bei dem Unternehmen einsteigt.  

Gehaltsstruktur entwickeln

Mitarbeitende sollten wissen, was sie tun müssen, um in der Gehaltsspanne aufzusteigen. Das entlastet Führungskräfte und sorgt für klarere, sachlichere Gespräche in Verhandlungen. Auch wird ersichtlich, wie und warum welche Tätigkeiten honoriert werden.

Eine Möglichkeit, um Gehälter transparent darzustellen, sind sogenannte Gehaltsbänder. Sie definieren die Gehaltsspannen, also das Mindest- und Höchstgehalt für die jeweilige Position und Unternehmensebene. Jeder Position oder Jobgruppe wird eine bestimmte Gehaltsspanne zugeordnet.

Vor der Einführung müssen aber einige Schritte gegangen werden: 

  • Eigene Zahlungsbereitschaft analysieren
  • offizielle Rollen bzw. Stellen im Unternehmen definieren und erstellen, gegebenenfalls Mitarbeitergruppen festlegen
  • Marktgerechte Bezahlung recherchieren, z. B. durch Vergleiche mit Wettbewerbern aus der Branche, über Gehaltsstudien oder über Portale wie StepStone, Kununu oder auch den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit

Einbezogen werden sollten Faktoren wie Qualifikation, Erfahrung, Verantwortung, die Anforderungen an eine Position und Lebenshaltungskosten. Wichtig ist, dass solche Gehaltsbänder regelmäßig aktualisiert und an die jeweilige Markt- und Wirtschaftslage angepasst werden. Tools und Vorlagen können bei der Entwicklung hilfreich sein.

Eigene Gehaltsformel entwickeln

Auch komplexere Gehaltsformeln können zum Einsatz kommen, um das Gehalt festzulegen. Buffer beispielsweise setzt das Gehalt anhand der Rolle (Job-Bezeichnung), dem Erfahrungsfaktor und Standortfaktoren (Lebenshaltungskosten) fest. Alle Mitarbeitenden mit vergleichbarer Rolle, Erfahrung und Standort erhalten dasselbe Gehalt. Ein wichtiger Teil des Prozesses ist die jährliche Überprüfung der Maßstäbe, die für die Formel verwendet werden. Dazu überprüfen sie die Datenquelle der Gehälter und stellen sicher, dass die Vergütung aller Mitarbeitenden den aktuellen Marktpreisen entsprechen – wodurch sich die Gehälter jährlich erhöhen.

Wie viel man tatsächlich „verdient“ und braucht – das weiß man vielleicht sogar selbst am besten. Deshalb setzen manch andere Firmen bei diesem Thema nicht einfach auf Verhandlungen oder reine Daten, sondern aktiv auf Mitbestimmung. Beim deutschen Kondomhersteller Einhorn hat man sich tiefgreifende Gedanken zum Thema „New Pay“ gemacht und ein umfassendes Gehaltsmodell auf Basis des Unternehmenswertes der Selbstbestimmtheit entwickelt. Eine sehr emotionale Reise, wie man auf dem Unternehmsblog lesen kann. Um die Festlegung und Umsetzung der Vergütung kümmert sich ein Gehaltsrat, der vom Team gewählt wird. Das Gehalt setzt sich neben dem Grundgehalt aus Faktoren wie den persönlichen Lebensumständen, Ausbildung bzw. Erfahrung sowie zusätzlich der eigenen Selbsteinschätzung zusammen. Pro Kind gibt es standardmäßig 400 Euro netto obendrauf und das Gehalt ist letztlich für alle transparent einsehbar. Die finale Entscheidung über das eigene Gehalt liegt beim jeweiligen Mitarbeitenden selbst und ist somit nicht fremdbestimmt. Perfekt ist das Modell – wie auch bei Buffer – nach wie vor nicht und wird deshalb stetig weiterentwickelt.

Feedback und Austausch

Auch wenn alle sehen können, wer wie viel verdient, heißt das nicht, dass nun alles leichter ist. Im Gegenteil: Das Thema Gehaltstransparenz kommt ohne klare Kriterien, offene Kommunikation und eine stabile Unternehmenskultur nicht aus. Unternehmen sollten Raum für Feedback und offene Diskussionen schaffen und lernen, Konflikte zu diesem Thema nicht wegzudrücken oder zu verschweigen, sondern aktiv anzugehen. Einhorn bietet dafür beispielsweise Gehaltssprechstunden an. Aber auch schon regelmäßige Feedback-Gespräche, bei denen das Thema Gehalt ein fester Tagesordnungspunkt ist und nicht erst von Mitarbeitenden angebracht werden muss, kann Frust bei diesem Thema vorbeugen.

Buffer berichtet, dass die Resonanz auf die Veröffentlichung der Gehälter sogar „überwältigend positiv war“ und die eigenen Erwartungen übertraf. Zuvor hatte man sich Sorgen über Konflikte im Team oder das leichtere Abwerben von Mitarbeitenden gemacht. „Besonders wichtig war, dass wir auch viel nützliches Feedback zur Gehaltsformel und den Daten selbst erhielten. Da wurde uns klar, welche Auswirkungen der externe Austausch hat und wie er uns dabei helfen kann, unseren hohen Standard zu halten“, so das Unternehmen.

Zusätzliche Anreize zum Gehalt bieten

Geld ist wichtig – und trotzdem nicht alles. Mitarbeitenden sind weitere Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben, Wertschätzung, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die Unternehmenskultur oder auch kleinere Boni, Zuschüsse oder Fitness-Kurse ebenfalls wichtig. Daher lohnt es sich, auch solche Benefits neben dem Gehalt transparent darzustellen. Wichtig ist, dass auch diese auf klaren Kriterien basieren und nicht willkürlich vergeben werden.

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Veröffentlicht: 01.07.2025
img Letzte Aktualisierung: 01.07.2025
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Hanna Behn

Hanna Behn

Hanna analysiert Trends im digitalen Handel und beleuchtet Leadership-Themen sowie persönliche Geschichten aus dem Alltag von Händler:innen.

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