„Work-Life-Balance ist für Verlierer!“ - Das sage nicht ich, sondern Joey Kelly. Ähnliche Töne schlug auch im vergangenen Jahr Barbara Schöneberger an und kritisierte junge Leute. „Die“ wollen ein Sabbatical machen, bevor „sie“ „richtig gearbeitet haben“. Wenn ich so was lese, frage ich mich schon: „Was stimmt hier eigentlich nicht?“

Die Wut gegen Work-Life-Balance

Ich frage mich ganz ehrlich, woher diese aggressive Kritik gegen das Bedürfnis nach Work-Life-Balance kommt. Klar: „Mache deine Leidenschaft zum Beruf, dann musst du nie wieder arbeiten“ klingt wie ein schöner Kalenderspruch – hat mit der Realität aber wenig zu tun.

Nicht jeder hat das Privileg, aus seiner Leidenschaft eine Einnahmequelle zu machen, mit der man seinen Lebensunterhalt decken kann. Manche können nicht. Manche wollen nicht. Das ist in Ordnung. Es ist auch vollkommen in Ordnung, seinen Beruf einfach nur als etwas zu sehen, mit dem man seinen Lebensunterhalt deckt.

Junge Leute arbeiten so viel wie nie

Aber auch die Fakten deuten darauf hin, dass das ständige Schießen gegen die Forderung nach einer Work-Life-Balance nicht unbedingt berechtigt ist. Wie eine aktuelle Studie des IAB zeigt, arbeiten junge Menschen heute mehr denn je. Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs, bringt es auf den Punkt: „Dass die Generation Z viel fordert, aber wenig arbeitet, ist ein verbreitetes Vorurteil. Doch es ist falsch. Die jungen Leute sind fleißig wie lange nicht mehr“. Besonders Studierende mit Nebenjob sind für diesen Anstieg in der Erwerbstätigkeit verantwortlich.

Die Gen Z unterscheidet sich deutlich von den Millennials: Sie sind vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen und eben auch mit ihren Möglichkeiten. Sie sehen, was möglich ist; haben aber auch noch miterlebt, wie sich andere Generationen für die Arbeit „bucklig” machen. Es ist also klar, dass sie Work-Life-Balance nicht als Benefit, sondern Standard betrachten.

Warum mir als Führungskraft Work-Life-Balance wichtig ist

Abgesehen davon, ist mir auch als Führungskraft wichtig, dass mein Team eine gesunde Work-Life-Balance hat: Denn nur wer Zeit für Erholung, persönliche Interessen und soziale Beziehungen hat, kann langfristig motiviert, kreativ und belastbar bleiben. Ich bin überzeugt: Ein ausbalanciertes Leben sorgt für bessere Arbeitsergebnisse, weniger Ausfälle durch Stress oder Überforderung – und vor allem für ein respektvolles, menschliches Miteinander.

Ich will nicht Teil einer Kultur sein, die Überarbeitung glorifiziert und Erschöpfung als Zeichen von Stärke sieht. Sondern einer, die Leistung nicht trotzt, sondern wegen gesunder Grenzen möglich macht.

Also nein, lieber Joey, wer Work-Life-Balance lebt, ist kein Loser, sondern jemand, der Verantwortung für sich selbst übernimmt – und verstanden hat, dass Leistung kein Dauerlauf ohne Pause ist. Und nein, liebe Barbara: Wer mit Anfang 20 schon ein Sabbatical macht, ist nicht arbeitsscheu, sondern reflektiert – und mutig genug, sich frühzeitig Zeit für Orientierung, persönliche Entwicklung oder mentale Gesundheit zu nehmen.

Warum die Jugend der Arbeitswelt guttut

Ich für meinen Teil habe mit meinen Mitte Dreißig eigentlich sogar ziemlichen Respekt vor der mir nachfolgenden Generation.

Weil sie Fragen stellt, wo andere einfach mitlaufen.
Weil sie auf ihre Grenzen achtet, wo andere sie übergehen.
Weil sie eine neue Arbeitswelt mitgestalten will, anstatt sich kritiklos in die alte zu fügen.

Und ja, das mag unbequem sein. Aber genau deshalb ist es so wichtig.

Denn die Zukunft der Arbeit wird nicht davon bestimmt, wer am lautesten gegen Pausen wettert, sondern wer versteht, dass Menschen keine Maschinen sind – und dass gute Arbeit Zeit, Sinn und Luft zum Atmen braucht.