Die unendliche Geschichte um die EU-Urheberrechtsreform geht in die nächste Runde. Erst vor zwei Wochen hatte der EU-Ministerrat die geplante Reform gestoppt. Ein Kompromissvorschlag der rumänischen Ratspräsidentschaft wurde von elf Mitgliedsstaaten abgelehnt, der geplante Trilog wurde abgesagt. Allerdings war der Grund für den Verhandlungsstopp offenbar nicht die Ablehnung der Mitgliedsstaaten, sondern ein Disput über die Uploadfilter-Regeln. Julia Reda von der Piratenpartei fasst die unterschiedlichen Positionen süffisant zusammen: „Frankreichs Position: Artikel 13 ist super und sollte für alle Plattformen gelten, egal wie klein sie sind. […]Deutschlands Position: Artikel 13 ist super, soll aber nicht für alle gelten.“
Am 4. Februar leakte das Magazin Politico nun einen Deal zwischen Deutschland und Frankreich. Redas Fazit dazu fällt drastisch aus. Bei Twitter schreibt sie: „#Artikel13 ist wieder auf der Zielgeraden – und er ist schlimmer als je zuvor“. Die deutsche Bundesregierung habe ihre Bedenken gegen Uploadfilter komplett aufgegeben.
#Artikel13 ist wieder auf der Zielgeraden – und er ist schlimmer als je zuvor https://t.co/87WZ9GCkeh Sieht leider so aus, als ob die Bundesregierung ihre Bedenken gegen #Uploadfilter komplett aufgegeben hat. Wie passt das zum Koalitionsvertrag, @katarinabarley? #SaveYourInternet pic.twitter.com/M2AiHdrMBa
— Julia Reda (@Senficon) 5. Februar 2019
Artikel 13 quasi für alle
Der Deal zwischen den beiden Nationen sehe demnach vor, dass Artikel 13 für alle profitorientierten Unternehmen gelte. Uploadfilter seien also für alle verpflichtend, es sei denn, sie erfüllen drei Kriterien: Die Plattform ist jünger als drei Jahre alt. Der Jahresumsatz beträgt weniger als zehn Millionen Euro. Die Plattform hat weniger als fünf Millionen monatliche Nutzer. „Unzählige völlig harmlose Apps und Webseiten, die nicht alle diese Kriterien erfüllen, müssten demnach Uploadfilter installieren, die User und Betreiber gleichermaßen schädigen, selbst wenn die Plattform bisher überhaupt kein Problem mit Urheberrechtsverletzungen hat“, kritisiert Reda und veranschaulicht ihren Standpunkt an einigen Beispielen.
Das Diskussionsforum des Portals Ars Technica zum Beispiel ist älter als drei Jahre und falle damit raus. Die Plattform Patreon, die Urhebern eine faire Bezahlung ihrer Werke ermöglicht, erfülle keine der drei Kriterien und wäre damit ebenfalls verpflichtet, Uploadfilter zu integrieren. Auch soziale Netzwerke in Nischen – Reda nennt die Angler-Plattform GetReeled – würden in den meisten Fällen aus den Ausnahmen herausfallen. Selbst kleine Plattformen, die die Kriterien erfüllen, müssten beweisen, dass sie „größte Bemühungen“ unternommen hätten, um Lizenzen von Rechteinhabern einzuholen. Reda nennt die Aufgabe „unmöglich“, vor allem ist der Punkt im deutsch-französischen Deal schwammig formuliert und lässt Raum zur Interpretation.
Die „Zensurmaschine“-Algorithmen, wie Reda sie nennt, seien gar nicht in der Lage, zwischen echten Urheberrechtsverstößen und erlaubter Parodie zu unterscheiden. Julia Reda fasst kritisch zusammen: „Europäische Innovation online würde entmutigt werden, wenn solche hohen Kosten und rechtliche Risiken für StartUps bestünden – auch wenn sie erst dann eintreten, wenn Plattformen entweder erfolgreich oder drei Jahre alt geworden sind. Nicht-europäischen Seiten würde ein Anreiz geschaffen werden, einfach alle EU-Nutzer zur Sicherheit zu geoblocken.“
Parlament unter Zeitdruck
Möglicherweise könnte es nun schneller gehen, als den Kritikern der Urheberrechtsreform lieb ist. Bereits am Freitag, den 8. Februar, könnte die Ratsposition beschlossen und schon am Montag, den 11. Februar, der abschließende Trilog stattfinden. Dann wäre der Weg für die Verabschiedung der Richtlinie noch bis April frei. Bis zur Europawahl im Mai soll die Reform durch sein, denn es ist fraglich, ob das dann neu gewählte Parlament das Thema überhaupt noch einmal auf die Agenda setzen würde. Reda appelliert an die Kritiker, sich lautstark gegen „diese schädliche Version von Artikel 13“ einzusetzen.
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