Sie jagen insektenähnliche Aliens über die Map, lauern bewaffnet in einer Ecke auf den nächsten Gegner oder organisieren sich, um strategische Punkte einzunehmen – und führen dabei teils mehrere hundert Befehle pro Minute aus: Athleten treten heute nicht mehr nur in der realen Welt gegeneinander an, sondern messen sich auch in virtuellen Wettbewerben. Spieletitel wie StarCraft 2, Counter-Strike, Dota 2, League of Legends oder auch Fortnite locken ein Millionen-Publikum vor die Bildschirme und in Veranstaltungshallen, in denen die Spieler teils um gigantische Preisgelder kämpfen.
Das bis heute höchste Preisgeld wurde für „The International 2019“ ausgesprochen: In dem in China veranstalteten Dota-2-Turnier ging es um ein Gesamtpreisgeld von rund 34,3 Millionen US-Dollar. Damit übertraf das Turnier seinen Vorgänger „The International 2018“ nochmals um satte 8,76 Millionen Euro Preisgeld. Der sogenannte E-Sport, also der Wettkampf in der virtuellen Welt, ist mittlerweile ein Milliarden-Markt und allein in Deutschland wird mit einem Umsatz von 128,9 Millionen Euro gerechnet, der durch den E-Sport-Markt im Jahr 2022 erwirtschaftet werden soll.
E-Sport erreicht 395 Millionen Zuschauer
Und Deutschland ist bei Weitem nicht die Wiege des elektronischen Wettkampfs: In den USA und Asien, allen voran Südkorea, gehört E-Sport fest in den Alltag. Die Korean e-Sports Association (KeSPA) wurde bereits im Jahr 2000 gegründet und hat es sich zum Ziel gemacht, E-Sport zu einer offiziellen Sportveranstaltung zu machen. Der Dachverband verwaltet die Ausstrahlung von Turnieren, organisiert neue Veranstaltungen und die Konditionen, unter denen die professionellen Spieler arbeiten.
Was die Zuschauer anbelangt, bewegt sich der elektronische Sport in einem dreistelligen Millionenbereich: 2018 gab es einer Erhebung von Newzoo zufolge 173 Millionen „E-Sport-Enthusiasten“ und 222 Millionen gelegentliche Zuschauer. Damit kam der E-Sport im vergangenen Jahr auf Zuschauerzahlen von 395 Millionen. Bis 2022 sollen diese Zahlen auf 297 Millionen Enthusiasten und 347 Millionen gelegentliche Zuschauer ansteigen – mehr als eine halbe Milliarde Menschen werden demnach in drei Jahren E-Sport-Turniere verfolgen.
Dass die Branche Potenzial hat, haben auch Experten der Games-Branche in einer Statista-Befragung aus dem Jahr 2017 zum Ausdruck gebracht: 42 Prozent der Befragten bezeichneten den E-Sport damals als „Game Changer“, 40 Prozent als „interessanten Trend“. Lediglich 8 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass es sich bei E-Sport um „Viel Lärm um nichts“ handele.
Wie viel Bewegung braucht ein Sport?
Unklar ist dabei nach wie vor der Status des E-Sport in der gesamten Sportwelt. Seit Jahren setzen sich Verbände, wie eben die südkoreanische KeSPA, dafür ein, dass der elektronische Wettkampf offiziell als Sportart anerkannt wird. Bisher ist das allerdings noch nicht passiert. Erst kürzlich hat ein vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) angefordertes Rechtsgutachten ermittelt, dass E-Sport „kein Sport im Sinne des geltenden Rechts“ sei. Der Begriff Sport sei „durch die langährige Rechtssprechung im traditionellen Sinne der Anforderungen an die Körperlichkeit konkretisiert“, heißt es laut t3n.de weiter.
Genau an dieser Definition stören sich aber Verbände, wie der E-Sport-Bund Deutschland (ESDB): „Viele vom DOSB anerkannte Sportarten wie Sportschießen, Tischfußball oder Darts definieren sich über die Präzision der Bewegung, nicht den Umfang“, so ESDB-Präsident Hans Jagnow. Das gerade Schach und Bridge als olympische Sportarten anerkannt sind, stößt den E-Sport-Fans ebenfalls sauer auf – geht es in diesen Sportarten doch um die Strategie und den mentalen Wettbewerb, der in ihren Spielen ebenfalls im Vordergrund steht.
Das Rechtsgutachten sorgt aber nicht nur bei den E-Sport-Verbänden für Unmut: Auch Digital-Ministerin Dorothee Bär stört sich t3n.de zufolge an der Entscheidung. „Das Rechtsgutachten zementiert die tradierte Auffassung von Sport und argumentiert damit, dass das Merkmal der körperlichen Betätigung und die Gemeinnützigkeit bei E-Sport fehle“, so Bär gegenüber dem Magazin. Die Digital-Ministerin wundere sich aber nicht, dass ein vom DOSB in Auftrag gegebenes Gutachten dieses Urteil gefallen habe. „Ein anderes Rechtsgutachten würde sicherlich zu einem anderen Schluss kommen“, so die Ministerin, die in der Kritik an dem elektronischen Sport vor allem einen Abwehrmechanismus alter Systeme sieht: „Dass die traditionellen Verbände die Realität verleugnen, ist ein natürlicher Abwehrmechanismus neuen Entwicklungen gegenüber, vor allem wenn sie erfolgreich sind und damit als bedrohlich wahrgenommen werden.“
Die Brücke in die echte Welt ist geschlagen
Für die Digital-Ministerin dürfte der Zeitpunkt des Rechtsgutachtens besonders ärgerlich sein, da es wenige Tage vor der Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages veröffentlicht wurde. Und dieser soll auch über die weitere Förderung von E-Sport in Deutschland entscheiden.
Einen Lichtblick gibt es allerdings für E-Sport-Fans: Die Szene wächst und mittlerweile haben auch traditionelle Fußball-Vereine wie etwa Schalke 04 eigene E-Sport-Teams aufgebaut, die sich auf dem virtuellen Fußballplatz und in Titeln wie League of Legends messen sollen. Die Brücke in die „alte Welt“ ist also bereits geschlagen – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis E-Sport sich gänzlich etablieren wird. Das sieht auch Dorothee Bär so und führt t3n.de gegenüber weiter aus: „Fakt ist: Das Ausmaß an körperlichem Einsatz ist kein Maßstab für die Bezeichnung als E-Sport. Jeder, der die Steuerung beim E-Sport geführt hat, weiß, dass man dafür enorm viel Geschickt braucht.“ Auch damit trifft die Ministerin einen wunden Punkt: E-Sportler führen teils mehrere hundert Aktionen pro Minute durch und benötigen schnelle Reflexe, großes Geschick und die richtige Strategie, um erfolgreich zu sein.
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