In den 90ern hat man mit sechs Jahren mit Bausteinen gebaut, Fußball gespielt oder auf dem Spielplatz gewartet, bis die größeren Kinder das Klettergerüst freigeben. Vielleicht gab es sogar eine Spielkonsole von Nintendo, die war aber am elterlichen Röhrenfernseher angeschlossen, die Zeitfenster zur Nutzung waren also begrenzt. Heute belegt eine YouGov-Studie, dass die Hälfte der Kids das erste Smartphone zwischen sechs und elf Jahren bekommt. Und als Vater findet der Autor dieser Zeilen diese Tatsache maximal befremdlich.
An dieser Stelle sei gleich klargestellt, dass früher sicher nicht alles besser war und dass das natürlich eine andere Zeit war und Kinder heute unter ganz veränderten Rahmenbedingungen aufwachsen. Und das ist mir bewusst! Meine Fünfjährige wartet nicht samstagmorgens auf Darkwing Duck und Chip & Chap bei RTL II und sie wird in ihrem Leben ziemlich sicher nie ein Tamagotchi aus der Nähe sehen. Neben den analogen Klassikern im Kinderzimmer, die nie altern, gibt’s heute animierte Serien bei Netflix, Tonieboxen und die Möglichkeit, bei Papas WhatsApp zwei Dutzend Emojis an Oma zu schicken.
Hauptsache Helikopter-Eltern
Nun kommt die besagte YouGov-Studie zu Ergebnissen, die befremdlich wirken. Nicht nur bekommen Kinder das erste Smartphone teils in sehr jungem Alter. Gut 80 Prozent der Eltern von Kindern zwischen null und elf Jahren sagen, dass sie einen Überblick darüber haben, was die Kinder im Fernsehen, im Internet oder in Streaming-Portalen konsumieren. Das heißt im Umkehrschluss: Mehr als 15 Prozent wissen es nicht.
Da stellen sich doch Fragen: Will man als Eltern nicht eigentlich wissen, womit sich die Kinder beschäftigen? Will man einem Kleinkind schon ein Smartphone anvertrauen? Ist man Helikopter-Vater, weil man das nicht will oder umgekehrt vielleicht gerade deswegen, weil man darüber jederzeit kontrollieren kann, wo das Kind ist und was es tut? Wird der soziale Druck in der Schule so groß, dass die meisten Eltern am Ende einknicken, weil alle Smartphones haben?
Tochter soll nicht allein durch die Weiten des Internets
Vor fünf Jahren hätte ich diese Fragen wohl mit dem Brustton der Überzeugung beantwortet. Heute ist daraus eher ein „Man weiß es nicht“ geworden. Wir Eltern sind irrationale Wesen, wenn es um unsere Kinder geht. Ich will aber der Überzeugung sein, dass meine Tochter noch nicht in den Weiten des Internets allein gelassen werden sollte. Und ich will der Überzeugung sein, dass sie keine 24-Stunden-Kontrolle benötigt. Selbstständigkeit erlernen ist ein essentieller Teil des Kindseins. Das muss doch aber auch im 21. Jahrhundert ohne eigenes Smartphone gehen.
Bin ich jetzt doch so ein alter Mann geworden, vor dem ich mich immer selbst gewarnt habe? Mal davon abgesehen, dass ich den Korridor zwischen sechs und elf Jahren in der YouGov-Studie für sehr weit gefasst halte, weil es zwischen einem frisch eingeschulten Kind und einem Fast-Teenager einen himmelweiten Unterschied gibt. Zunächst verlege ich mich mal auf „Pech gehabt!“, wenn das Kleinkind irgendwann wirklich ein Smartphone will. Bislang reichen Pferdehöfe und Kettcars zum Glücklichsein. Hoffen wir, dass das noch eine Weile so bleibt.
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Ich finde Smartphone eine wesentlich besser kontrollierte Lösung, als nicht so gut steuerbares und werbeverseuchte s Fernsehen. Das gibt es bei uns nicht. Unsere Lösung ist kuratierter und limitiert, und sie können selbst auswählen und lernen den digitalen Umgang von der Pike auf. Ansonsten schauen Sie jeden Abend auf dem Chromebook eine Folge der Sendung mit dem Elefanten an in der ARD Mediathek an. Das vermittelt eine Menge Wissen.
Nebeneffekt von all dem:
Sowohl Handy, als auch die Sendung dem Elefanten, sind beides Dinge, die man zur manchmal leider notwendigen, aber wirksamen negativen Motivation nutzten kann. "Also wenn's jetzt nicht bald ist Bad geht, wird das heute leider nichts mehr mit dem Elefanten..."
Auch war es in Kita Schließzeiten eine Möglichkeit als zuhause arbeitende Eltern mal ein bisschen Ruhe zu haben...
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