Dass sich neben der Produktrecherche auch der Kaufprozess in die KI-Tools verlagert, war nur eine Frage der Zeit. Vergangene Woche wurde dahingehend nun ein wichtiger Meilenstein errungen: OpenAI launchte den Instant Check-out bei ChatGPT. Damit lassen sich in dem Tool jetzt direkt Produkte shoppen und bezahlen. Etsy und Stripe sind als erste Partner mit an Bord.
Die Funktion ist (noch) ein Novum im E-Commerce. Und sie wird längst nicht allen gefallen – insbesondere Amazon. ChatGPT wird nämlich durch den Check-out zur „unmittelbaren Bedrohung für Amazons profitabelstes Geschäftssegment“, prognostiziert Branchenexperte Ben Donovan vom E-Commerce-Analyseunternehmens Marketplacepulse.
Fast 4 Milliarden Produktanfragen pro Jahr bei ChatGPT
ChatGPT habe 700 Millionen aktive Nutzer:innen. Diese versenden etwa 75,6 Millionen produktbezogenen Anfragen pro Woche, errechnet Donovan anhand offizieller Zahlen der ChatGPT-Mutter OpenAI. Daraus ergäben sich 3,9 Milliarden Produktanfragen im Jahr und „zwangsläufig ein Bruttoumsatz von einer Milliarde Dollar fast über Nacht“, heißt es in seinem Blogpost.
Damit aber nicht genug. Auch Amazons Werbeeinnahmen durch die Händler:innen – etwa 56,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 – könnten durch den neuen Player gefährdet sein. Denn: „ChatGPT bietet Verkäufern etwas, was Amazon schon seit Jahren nicht mehr anbietet: die organische, unbezahlte Produktfindung“, meint der E-Commerce-Profi.
Direkt verfügbare Produktangebote statt Keyword-Ads
Grund für die Bedrohung von Amazons Werbegeschäft ist neben der Partnerschaft von Etsy auch eine Shopify-Integration, die OpenAI ebenfalls in naher Zukunft umsetzen will. Durch diese werden Echtzeit-Preise, Lagerbestände, Bilder und Produktvarianten direkt in den ChatGPT-Antworten sichtbar. Das wiederum verändert die Art, wie Werbung platziert wird. Derzeit wird das vor allem durch Keywords, deren Optimierung und Gebote realisiert. Käufer:innen können jetzt aber spezifische Bedürfnisse in mehreren Sätzen und Stichworten beschreiben und dadurch Kontext hinzufügen, den Keyword-Suchen nicht erfassen können – damit verlieren Keywords an Bedeutung.
Für OpenAI ergeben sich demnach weitere Potenziale, Werbeeinnahmen zu erzielen. Der Konzern könne davon profitieren, „Werbealgorithmen anhand von Milliarden präferenzreicher Konversationen zu trainieren – einem detaillierten Kontext, den Stichwortsuchen nie erfassen“, so Donovan. Etwas Ähnliches könnte auch Google künftig mit seinem KI-Modus vorhaben.
Kommentar schreiben