Praxistipps: So schaffen KMU den KI-Einstieg

Veröffentlicht: 12.08.2024
imgAktualisierung: 12.08.2024
Geschrieben von: Gastautor
Lesezeit: ca. 5 Min.
12.08.2024
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Hand hält Smartphone, Visualisierung Künstliche Intelligenz
Jirsak / Depositphotos.com
Der KI-Hype lässt nicht nach. Aber gerade kleine und mittelständische Unternehmen finden oft schwer einen Einstieg. Ryan Chaves von Mollie, gibt Praxistipps.


Künstliche Intelligenz ist drauf und dran, ihren festen Platz im E-Commerce zu finden: Angefangen bei personalisierten Produktempfehlungen bis hin zu intelligenten Suchfunktionen wird KI seit über einem Jahrzehnt erfolgreich zur Optimierung des E-Commerce eingesetzt. Diese klassischen KI-Anwendungen nutzen historische Daten und Machine Learning Algorithmen, um gezielte Empfehlungen zu geben oder die Kundenabwanderung zu verringern.

Mit der Einführung generativer KI stehen nun jedoch noch tiefgreifendere Veränderungen bevor, die die Customer Experience revolutionieren. Generative KI kann nicht nur auf vorhandene Informationen reagieren, sondern auch neue, kreative Inhalte erstellen. Dies umfasst beispielsweise individuelle Texte für Newsletter, maßgeschneiderte Produktempfehlungen und detaillierte Produktbeschreibungen, die auf den spezifischen Bedürfnissen der Kunden basieren.

Diese Fortschritte gehen einher mit höheren Conversion-Rates und stärkerer Kundenbindung. Eine aktuelle Studie von Salesforce unterstreicht diesen Trend: 84 Prozent der Unternehmen, die generative KI umfassend implementiert haben, konnten bereits erhebliche Verbesserungen im E-Commerce erzielen.  

Was hindert KMU an der Nutzung von KI?

Obwohl das Potenzial dieser Technologie unbestreitbar ist, zögern viele Unternehmen hierzulande, KI umfassend in ihre Geschäftsprozesse zu implementieren. Laut Statistischem Bundesamt haben lediglich 10 Prozent der kleinen und 16 Prozent der mittleren Unternehmen in Deutschland bislang diesen Schritt gewagt. Es stellt sich die Frage: Welche Hindernisse stehen den KMU dabei im Weg?

Hauptsächlich sind es fehlende technische Expertise, rechtliches Unwissen und das Fehlen von Anwendungsbeispielen, die jene Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, so eine Studie von Mittelstand Digital. Diese Ängste sind jedoch oft unbegründet, denn auch für KMU gibt es durchaus finanzierbare und praktikable Wege, um KI-Lösungen zu implementieren. 

Kernziele des Unternehmens definieren

Bevor Unternehmen mit der Implementierung von KI beginnen, sollten sie sich vorab grundlegende Fragen stellen, um sicherzustellen, dass KI-Initiativen mit den übergeordneten Zielen und Strategien des Unternehmens übereinstimmen: Welche Kernziele verfolgt das Unternehmen? In welchen Betriebsprozessen liegt der größte Bedarf und welche Optimierungen werden angestrebt? Die Beantwortung dieser Fragen gewährleistet, dass die KI-Initiativen von Anfang an auf die wichtigsten Ziele und langfristigen Strategien des Unternehmens ausgerichtet sind. Gleichzeitig verhindert dieser Ansatz, dass Ressourcen in vorerst weniger relevanten Bereichen verschwendet werden. 

Bottlenecks identifizieren

Zudem sollten Unternehmen ihre täglichen Arbeitsabläufe gründlich unter die Lupe nehmen, um genau die Bereiche mit akuten Engpässen zu identifizieren, die KI gezielt beheben kann. Dadurch lässt sich klar identifizieren, wo KI-Lösungen den größten möglichen Mehrwert leisten können. Besonders im E-Commerce zeigt sich recht häufig, dass die Bearbeitung von Kundenanfragen zu viel Zeit in Anspruch nimmt. In diesem Fall bietet ein generativer KI-gestützter Chatbot enorme Potenziale, indem er beispielsweise Kunden die Möglichkeit zum Selbstservice gibt und dadurch die Arbeitsbelastung der Callcenter deutlich reduziert.

Rechtliche Absicherung von Anfang an

Es ist ein Muss, sich vor der Implementierung von KI-Lösungen rechtlich abzusichern. Dies schließt die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ein, insbesondere die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Darüber hinaus sollten sich KMU auf den bevorstehenden EU AI Act einstellen, der ab 2026 in Kraft treten wird. Der EU AI Act wurde erst kürzlich verabschiedet – und nur ein paar Wochen nach seiner Veröffentlichung im offiziellen EU-Amtsblatt werden Unternehmen nun mit einer Reihe von Fristen konfrontiert sein, die sich über 24 Monate erstrecken.

Insgesamt zielt dieses Gesetz darauf ab, einen Rahmen zu schaffen, der die sichere und ethische Nutzung von KI fördert, während gleichzeitig die Rechte und Interessen der Verbraucher geschützt werden sollen. Unternehmen, die frühzeitig mit der Vorbereitung auf diese Vorschriften beginnen, können daraus mehrere Wettbewerbsvorteile ziehen. Zum einen stärkt es das Vertrauen der Kunden, wenn ein Unternehmen alle relevanten Gesetze und Vorschriften, vornehmlich im Bereich Datenschutz und Datensicherheit, beachtet. Zum anderen minimieren Unternehmen durch proaktive Absicherung potenzielle rechtliche Risiken.

Schulterblick auf den Wettbewerb

Ein genauerer Blick auf die Wettbewerber lohnt sich: Eine Konkurrenzanalyse liefert wertvolle Einblicke, wie andere KMU bereits erfolgreich KI-Lösungen einsetzen. Darüber hinaus hilft die Konkurrenzanalyse, Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen, sodass Unternehmen zeitnah auf Veränderungen reagieren können.

Unternehmen können Trends proaktiv nutzen und Anpassungen in der eigenen KI-Strategie vornehmen. Dadurch können sich die Unternehmen von ihren Konkurrenten abheben und einen Wettbewerbsvorteil gewinnen, indem sie beispielsweise schneller auf Kundenbedürfnisse reagieren und ihre Angebote gezielt optimieren.

Überprüfung des bestehenden Tech-Stacks

Um einen effektiven Einstieg in die Nutzung von KI zu ermöglichen, sollten KMU ihren bestehenden Tech-Stack überprüfen: Statt im ersten Schritt komplett neue KI-Tools einzuführen, genügt zunächst das Update zu KI-basierten Erweiterungen der Programme und Tools, die bereits im Einsatz sind. Mit dieser recht simplen Maßnahme können KMU operative Abläufe verbessern, ohne dabei ihre gesamte IT-Infrastruktur neu gestalten zu müssen. 

Fehlende Expertise im Team ausgleichen

Viele KMU zögern, KI zu implementieren, da sie befürchten, nicht über ausreichende Expertise im eigenen Team zu verfügen. Dabei braucht es nicht immer ein eigenes KI-Team. Die Weiterbildung der bestehenden Mitarbeiter reicht in vielen Fällen aus. Online-Kurse, die speziell auf verschiedene Rollen im Unternehmen zugeschnitten sind, können hierbei helfen.

CEOs können sich mit den strategischen Auswirkungen von KI vertraut machen, indem sie sich umfassend über die geschäftlichen Vorteile von KI-Lösungen informieren. Gleichzeitig können Software-Ingenieure technische Schulungen durchlaufen, um ihre Fähigkeiten in der Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien zu verbessern.

Die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter kann eine kosteneffiziente Alternative darstellen, bevor man mit einem neuen KI-Team den Budgetrahmen sprengt. Mittlere bis große Unternehmen, die ihre Marktpräsenz erweitern möchten, sollten zudem erwägen, externe Beratungsdienste hinzuzuziehen, anstatt sofort ein internes KI-Team aufzubauen. Spezialisierte Beratungsfirmen im Bereich Data Science bieten für einen klar definierten Zeitraum maßgeschneiderte Lösungen und Unterstützung. 

Fazit: mit klarer Zielsetzung gelingt der Erfolg

Zusammengefasst gibt es für E-Commerce KMU zahlreiche praktische und schnell umsetzbare Möglichkeiten, KI erfolgreich zu integrieren. Mit einer klaren Zielsetzung stellen Unternehmen sicher, dass ihre KI-Initiativen direkt auf ihre geschäftlichen Ziele einzahlen. Die Identifizierung von Bottlenecks in den Betriebsabläufen hilft, gezielt dort KI-Lösungen einzusetzen, wo der größte Bedarf besteht.

Langfristig gesehen wird die Integration von KI nicht nur die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit von E-Commerce KMU steigern, sondern auch neue Möglichkeiten zur Personalisierung von Kundenerlebnissen und zur Erschließung neuer Märkte eröffnen. Unternehmen, die diesen langfristigen Blick verfolgen und kontinuierlich in ihre KI-Strategie investieren, werden in der Lage sein, sich erfolgreich an die sich wandelnden Marktbedingungen anzupassen und nachhaltig zu wachsen.
 



Ryan Chaves / MollieÜber den Autor
Ryan Chaves ist Data Science & ML Engineering Manager bei Mollie, einem führenden Finanzdienstleister für B2C- und B2B-Unternehmen in Europa. Vergangenes Jahr hat Ryan Chaves zusammen mit seinem Team erfolgreich eine Machine Learning-Plattform (ML) bei Mollie implementiert.

Seither wurden mehrere weitere ML-Modelle entwickelt und erfolgreich eingeführt, die sowohl Mollie als auch seinen Kunden messbaren Mehrwert gebracht haben. Der Hauptfokus liegt derzeit auf den Bereichen Risiko- und Betrugserkennung sowie Kundenzufriedenheit, unter anderem durch die Entwicklung von MollieGPT.  Mollie ist seit 2019 am deutschen Markt vertreten. 

Veröffentlicht: 12.08.2024
img Letzte Aktualisierung: 12.08.2024
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