Schmerz ist ein Thema, über das man nicht spricht. Also man spricht darüber, wenn man sich in den Finger geschnitten oder sich das Bein gebrochen hat. Wenn man sich den Fuß am Schreibtisch gestoßen hat oder die Kopfschmerzen den Schädel zum Bersten bringen. Wenn man vom üppigen Mittagessen Magendrücken bekommt oder man sich beim sportlichen Vergnügen eine Zerrung eingefangen hat. Alles kein Problem.
Über Schmerzen spricht man allerdings dann nicht – oder zumindest weniger bis kaum –, wenn es sich um den monatlichen Schmerz Menstruierender handelt. Er gilt in vielen Gruppen und Bereichen noch immer als Tabu-Thema und wird von einigen Menschen als „normal“, weil ständig wiederkehrend, und damit auch als weniger relevant eingestuft. Dass einige Frauen bis in die tiefsten Grundfesten ihres Körpers erschüttert werden und leiden, da es ihren Körper innerlich zu zerreißen droht und sie von hormonellen Schüben quasi übergossen werden, bleibt ein verschämtes Gesprächsthema hinter vorgehaltenen Händen oder verschlossen Türen.
Blutig statt klinisch rein
Umso erfreulicher ist ein neues Werbevideo der britischen Marke Bodyform, einem Hersteller von Monatsbinden. Er hat sich gegen eine saubere, keusche und quasi sterile Werbekampagne entschieden, in der eine schöne Frau in einem klinischen Setting eine unecht-blaue Flüssigkeit auf eine makellos aufgefaltete Einlage tröpfelt. Stattdessen präsentiert das Unternehmen echte Menstruationsschmerzen in all ihren Facetten.
Im Video sind stattdessen Menstruierende allen Alters zu sehen, die sich vor Schmerzen im Bett krümmen, und dazwischen immer wieder kurze Einblendungen blutiger Gewebe. Es sind Bilder und Szenen, die viele Frauen und Menstruierende kennen: Der Körper schwitzt und leidet, an wohl bringenden Schlaf ist kaum zu denken. Mit Atemtechniken wird versucht, die Krämpfe zu lindern. Auch unangenehmes Auslaufen oder Flatulenzen werden thematisiert.
Kein Entkommen
Untermalt wird das gesamte Szenerie-Konstrukt mit hervorragend gewählten, sehr eindringlichen Tech-Rhythmen, denen man nicht zu entkommen scheint – genau wie dem monatlichen Schmerz: Ein Anschauen ohne Kopfnicken, Fußwackeln oder leichtem Schwingen des Körpers dürfte vielen Zuschauerinnen und Zuschauern zumindest schwerfallen.
Alles in allem ist das neue Werbevideo nicht nur ein Tabu-Bruch, sondern eine Offenbarung. Denn es verschweigt wenig und ist authentisch wie kaum ein Clip für Binden zuvor. Danke für so viel Ehrlichkeit im Marketing!
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