Drei Beispiele reichen aus, um den Effekt, den Radiowerbung haben kann, zu veranschaulichen: Flensburger, Carglass, Seitenbacher. Allein die Nennung der Marken führt bei einem überwältigenden Teil der Deutschen sofort zu einer ganz besonderen Art von Kopfkino. Ganz unabhängig davon, ob man die Marken nun mag oder nicht, ob man das Flensburger trinkt oder seinen Steinschlag bei Carglass ausbessern lässt oder ob man Seitenbacher-Müsli tatsächlich isst: Das Plop der Bierflasche, den Jingle der Autoglas-Reparatur und die Stimme von Seitenbacher-Chef Willi Pfannenschwarz hat man sofort im Ohr.
„Die Seitenbacherspots zielen klar darauf ab, den Markennamen in die Köpfe der Menschen zu bekommen, also Markenbekanntheit aufzubauen. Er mag dadurch sicher den einen oder anderen Hörer auch nerven, aber seine Wirkung verfehlt er nicht“, bestätigt Friedrich A. Menze, ehemaliger Gesamtverkaufsleiter des Radio-Unternehmens Regiocast. Man muss die Spots gar nicht mögen, man muss aber anerkennen, dass sie ihr Ziel erreichen und zeigen, wie man mit auffälliger Werbung im Radio überregionale Bekanntheit erlangen kann.
Vergesst mir das Radio nicht
Im berüchtigten Marketing-Mix fällt das Thema Radiowerbung immer ein wenig aus dem Fokus. Händler konzentrieren sich auf SEO und SEA, auf Social-Media-Anzeigen, wenn sie eine kritische Größe erreicht haben auch auf den TV-Bereich. Dabei kann das Radio – gerade für kleine und mittelständische Händler – durchaus zur günstigen goldenen Gans werden. Denn während das klassische Fernsehen und die Zeitung seit Jahren unter Zuschauer- und Auflagenschwund leiden, erfreut sich das Radio nach wie vor großer Beliebtheit, weil es als klassisches „Nebenbei-Medium“ bislang nicht in die Verlegenheit kam, wirklich mit anderen, neuen Mediengattungen konkurrieren zu müssen – und weil es mit der Einführung von Online-Radio-Angeboten mit der Entwicklung Schritt gehalten hat.
„Radio hält sich sehr stabil vor allem mit Blick auf die Tagesreichweite. Die neuen Online-Audio-Angebote helfen uns zudem, auch im Bereich IP [Internetradio, Anm. d. Red.] neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und unseren Kunden zusätzliche Angebote machen zu können. Auch die Werbezeitenvermarktung hat sich dementsprechend in den zurückliegenden Jahren positiv entwickelt. Radio hat hier sogar leichte Marktanteile gewonnen“, so Menze. Außerdem geht er davon aus, dass der Trend mit Smartspeakern wie dem Echo von Amazon sogar noch befördert wird, „da Audio und damit auch Radio einen echten Boom erleben“. Der Podcast-Boom ist nur ein weiterer Beleg dafür.
Die Beliebtheit des Mediums lässt sich auch mit Zahlen belegen: 2021 betrug die durchschnittliche Radiohördauer in Deutschland 185 Minuten – pro Tag! In den vergangenen 25 Jahren hat sich diese Dauer zudem nicht großartig verändert, von vereinzelten Ausreißern nach oben und nach unten abgesehen. Etwa 60 Millionen Menschen in Deutschland hören nach wie vor mindestens ab und zu Radio, allein über 33 Millionen immer noch täglich. Das Radio ist also eine reichweitenstarke Option, potenzielle Kunden zu erreichen – wenn man es richtig anstellt.
Wie geht Radiowerbung?
Reichweite hin oder her, um davon profitieren zu können, braucht es Werbespots und Werbeplätze. An dieser Stelle muss man sagen: Ein Patentrezept für den Erfolg gibt es nicht. „Es gibt zig sehr gute Spots, die sich alle stark voneinander unterscheiden und jeweils eigene Besonderheiten aufweisen“, sagt Friedrich A. Menze. Natürlich ist es eine Möglichkeit, die Seitenbacherstrategie zu wählen, alles in Eigenregie zu produzieren, Werbeplätze zu buchen und zu hoffen, dass man vielleicht einen ähnlichen Kult produzieren kann. Wahrscheinlich ist das wohl nicht. Auf einen Spot, der im Gedächtnis bleibt, kommen Dutzende, die der Hörer sofort wieder vergessen hat. Es gibt zig Möglichkeiten, wie man einen Werbespot angeht. Einige, so Menze, „fallen durch die Tonalität auf, wieder andere überzeugen einfach durch die Attraktivität des beworbenen Produkts oder der Dienstleistung. Weitere mögliche Ansätze sind geschicktes Storytelling, Humor oder ein starkes Testimonial“.
Die Spotkreation müsse sich an den Zielen des Werbekunden orientieren. „Alles andere würde nicht funktionieren.“ Daher lohnt es sich, auf Unterstützung zu setzen, wenn das notwendige Know-how fehlt. Vor der Ausstrahlung stehen daher die Vorbereitung und die Partnersuche. Dafür gibt es bei den Vermarktern – wie etwa Audio House, dem Radio Marketing Service (RMS) oder der ARD Werbung Sales & Service GmbH – entsprechende Berater. Dabei werden dann nicht nur Werbezeiten verkauft, der potenzielle Werbekunde wird auch beraten. „Ebenso werden Kontakte zu Produktionsstudios für die Spotkreation vermittelt, auch bei der Kreation stehen die Kolleginnen und Kollegen beratend zur Seite. Insofern ist das ‚erste Mal‘ in Bezug auf Radiowerbung nichts, wovor man zurückschrecken muss.“ Spezialisierte Agenturen bieten entsprechende Dienstleistungen mittlerweile auch online an.
Ein Patentrezept für den perfekten Werbespot gibt es natürlich, leider, nicht. Was zählt, ist der Wiedererkennungswert. Die Einstiegsbeispiele zeigen: Ein Spot kann auch nerven und trotzdem den gewünschten Erfolg bringen. Und überhaupt: Werbespot ist nicht gleich Werbespot. Da gibt es klassische Einzelspots von 20 bis 30 Sekunden, Tandemspots mit zusammengehörenden Elementen, Live-Reader, die direkt von einem Redakteur vorgelesen werden, Coverspots, die den Werbeblock am Anfang und am Ende einschließen, und noch viele mehr. Der Werbeinhalt muss dann auch auf die Art und Länge des Spots abgestimmt sein.
Teuer in der Rush Hour
Der vielleicht wichtigste Eckpfeiler der Planung ist die Zeit der Ausstrahlung. Denn wie im Fernsehen gibt es natürlich auch im Radio Zeiten, in denen besonders viele Menschen zuhören, und Zeiten, in denen kaum jemand das Radio einschaltet. Einen Spot in der Zeit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr zu buchen, ist zwar günstig, erreicht aber auch nicht viele Hörer. Unter der Woche zwischen 7 Uhr und 8 Uhr sind hingegen sehr viele Leute mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit, am Samstag um 10 Uhr frühstückt die Familie – das Radio ist in diesen Zeiten der natürliche Begleiter, der Werbeplatz kostet allerdings auch mehr. Dazu kommt: Ein einzelner Werbeplatz reicht nicht aus, um im Kopf des Hörers zu bleiben, ein Spot möchte logischerweise öfter geschaltet werden. „Natürlich gibt es auch Radiowerbung nicht geschenkt, wobei Radio seit über 30 Jahren beweist, dass Kosten und Nutzen bei Werbeschaltungen in einem sehr guten Verhältnis stehen“, urteilt Menze.
Auf welche tatsächlichen Preise man sich am Ende einstellen muss, ist schwierig herunterzubrechen. Die Vermarkter stellen Preisübersichten auf ihren Online-Auftritten zur Verfügung. Bei der Audiohouse kostet ein Spot unter der Woche zwischen 7 Uhr und 8 Uhr zum Beispiel knapp 45 Euro pro Sekunde, nach 21 Uhr dagegen nicht einmal acht Euro. Die übliche Länge eines Einzelspots beträgt 20 bis 30 Sekunden. Je mehr Plätze man bucht, auch über mehrere Sender hinweg, desto teurer wird es natürlich. Dafür steigt entsprechend die Reichweite. Beim Preis für die Produktion eines Spots spielen viele Faktoren eine Rolle, wie Menze ausführt: „Zunächst gilt zu klären, welche Zielgruppe erreicht werden soll, welches die Kommunikationsziele sind etc. Erst danach lässt sich eine realistische Planung durchführen.“
Messbarer Erfolg
Das Radio ist traditionell ein stark regionales Medium. Für Menze ist das allerdings kein Problem, „sondern eher eine Stärke, da die regionale Verbundenheit der Hörer mit ihren jeweiligen Sendern zu einer höheren Akzeptanz führt.“ Für national ausgerichtete Kunden, wie es viele Online-Händler nun einmal sind, gibt es nationale Vermarkter wie die RMS, die genau dafür sorgen, „dass ein Kunde nicht von Sender zu Sender gehen muss, um seine Werbung deutschlandweit zu verteilen.“ Gerade für kleinere oder Omnichannel-Händler mit stationärem Geschäft kann aber schon ein regionaler Spot für spürbare Kundenzuwächse sorgen.
Reichweite allein sagt natürlich noch nichts über den Erfolg einer Radio-Kampagne aus. Gerade Online-Händler haben an dieser Stelle aber wiederum einen Vorteil, denn sie können stets genau tracken, was in ihrem Online-Shop passiert. Es lässt sich problemlos abgleichen, wann ein Spot ausgestrahlt wurde und wie sich die Zugriffszahlen in diesem Zeitraum verändert haben. Ein rein stationärer Händler kann schwerer abschätzen, ob die Kunden nun wegen der Werbung im Laden stehen oder nicht. Ohne genaue Zahlen zu nennen, bestätigt Menze, dass Online-Händler das Radio langsam, aber sicher für sich entdecken und es stetig mehr werden. „Da sind große und kleine Anbieter dabei, selbst die Internetriesen wie Amazon oder Facebook setzen in den letzten Jahren vermehrt auf Radio/Audio-Werbung, da sie im Online-Bereich kaum mehr neue Reichweite aufbauen können. Also setzen sie auf klassische Massenmedien, die immer noch eine große Nutzung nachweisen können.“
Erfolgreiche Radiowerbung ist planbar, messbar und effektiv. Allerdings nur, wenn man es richtig anstellt. Denn im besten Fall gilt der berühmte Slogan für Radiowerbung: „Geht ins Ohr, bleibt im Kopf.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Onlinehändler Magazin in der Ausgabe Q2/2019. Für diese Neuveröffentlichung wurde er umfangreich überarbeitet und aktualisiert.
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