Werbeblocker erklären immer wieder ihr Ziel, vor allem nervige Werbung auszublenden. Selbst Google arbeitet dafür an einem eigenen Adblocker, obwohl das Unternehmen stark auf Werbung angewiesen ist. Und wer einen Blick auf die Werbebranche wirft, sieht tatsächlich schnell, dass Qualitätsinitiativen bisher nicht fruchten.
Heute ist die Dmexco in Köln offiziell gestartet. Die Fachmesse wurde bereits am Dienstag durch den Online Ad Summit eingeleitet und offenbart auch ein Problem der Branche: Die Qualität lässt bei Online-Werbung noch immer zu wünschen übrig. Und das, obwohl schon länger Initiativen für bessere Werbung sorgen sollen. Dabei geht es weniger um Inhalte, sondern um die technischen Aspekte der Werbebanner.
Arne Steinmetz, zuständig für die Online-Werbung bei Gruner + Jahr, zeigte nach Angaben von Heise Online, dass die bisherigen Qualitätsinitiativen kaum Wirkung entfaltet haben. Das liege vor allem daran, dass viele Unternehmen sich nicht an den getroffenen Vereinbarungen halten: Obwohl sich Player der Werbebranche beispielsweise darauf geeinigt haben, dass Bannergrößen auf 200 Kilobyte beschränkt sein sollen, lade jedes zehnte Werbemittel, das über Gruner + Jahr ausgespielt werden soll, über 800 Kilobyte an Daten nach.
Eine Autorität, die die vereinbarten Schranken durchsetzt, gibt es schließlich nicht. „Die Richtlinien sind vorhanden – aber zu viele halten sich nicht daran“, fasst Steinmetz das Problem zusammen. Gleichzeitig räumt er ein, dass man „bisher zu wenig getan“ habe. Groß-Agenturen setzen sich ihm zufolge zwar – öffentlichkeitswirksam – für bessere Anzeigenstandards ein, ignorieren aber die Appelle in der Praxis.
86 Traffic-Pixel in einem Banner
Zudem gebe es einen regelrechten Wildwuchs an Traffic-Pixeln, die den Werbetreibenden dabei helfen sollen, die Ausspielung der Anzeigen zu erfassen und kontrollieren zu können. Schließlich will jeder Werbetreibende wissen, wie viele Menschen seine Anzeige gesehen haben und wie erfolgreich die Werbung war. Doch 30 Prozent der Werbemittel enthalten über fünf Traffic-Pixel. Trauriger Rekord bei Gruner + Jahr war ein Banner, der insgesamt 86 Tracking-Pixel enthielt. Derartige Eskalationen seien vor allem das Ergebnis langer Vertriebsketten: Mit jedem Bearbeitungsschritt durch einen anderen Dienstleister kommen zu den ursprünglich richtlinienmäßigen Banner weitere Daten und Skripte hinzu.
Das schlägt schließlich auf das Datenvolumen der Nutzer und verlangsamt sogar die Ladezeiten der Banner, da immer mehr Daten nachgeladen werden müssen. Für die Verlage bedeutet das zudem häufig, dass sie gar nicht mehr wissen, welche Firmen hinter den zahlreichen Traffic-Pixeln in den Bannern stecken. „Wir kennen ein Viertel der Firmen nicht, die dort drin sind“, räumt Steinmetz ein.
Werbebranche für Adblocker-Verbreitung selbst verantwortlich
Eine Lösung ist etwa die Coalition for Better Ads, die unter anderem von Google und Facebook gegründet wurde. Nun arbeitet Google sogar an einem eigenen Adblocker für seinen Chrome-Browser und warnt Webmaster davor, aufdringliche Werbeformen einzubinden (wir berichteten). Doch obwohl die Initiative wirksam für bessere Werbung im Netz sorgen könnte, stehen die Verlage ihr auch skeptisch gegenüber. Steinmetz gibt zu bedenken, ob man Google wirklich „den letzten Meter“ bei der Auslieferung der Werbung überlassen wolle. Auch Oliver von Wersch, der die Coalition for Better Ads mitgestaltet hatte, warnt vor der Marktmacht der großen Player. Die Marktkonzentration habe eine Dimension angenommen, „die nicht mehr gesund ist“, so von Wersch.
In den vergangenen Jahren hatte vor allem die deutsche Werbebranche von Wersch zufolge einige Entwicklungen versäumt beziehungsweise Probleme falsch gelöst. Man habe sich auf Symptome konzentriert und das tiefgründigere Problem ignoriert – ja, sogar verschärft. Ein Beispiel: Die Unternehmen hatten immer wieder eine Erhöhung der „Viewability“ der Banner gefordert. Die Werbung sollte also vom Nutzer gesehen werden. Das Ergebnis war, dass viele Seiten derart stark auf diesen Aspekt optimiert wurden, dass sie vor Werbung quasi überquollen. Nutzer reagierten allergisch und ignorierten die Werbeanzeigen – oder nutzten eben einen Adblocker, um sie ausblenden zu lassen.
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