Ein kürzlich gefälltes Urteil des Oberlandesgericht (OLG) München (Urteil vom 27.09.2012 - 29 U 1682/12) sorgt im E-Commerce für Aufsehen und Verärgerung. Ein Anbieter aus dem Bereich der Anlageberatung bot auf seiner Webseite einen Newsletter zum kostenlosen Abonnement an. Hierbei verwendete er das sog. Double-Opt-In-Verfahren.
Im Fall des OLG München versendete der Anbieter am 20.02.2011 eine solche Bestätigungs-E-Mail an eine Steuerberatungsgesellschaft. Die E-Mail hatte den folgenden Inhalt:
„Betreff: Bestätigung zum H... Newsletter
Willkommen bei unserem Newsletter(n)...
Sie haben sich mit Ihrer Email-Adresse an folgendem oder folgenden Newsletter(n) angemeldet:
*Newsletter
Wenn diese Angaben richtig sind bitten wir Sie folgenden URL zu klicken um das Abonnement zu bestätigen ...
Sollte das aber ein Fehler sein, so bitten wir Sie, diese Email einfach nur zu löschen.
Vielen Dank“
Am Tag darauf versendete der Anbieter für Anlageberatung an denselben Adressaten die folgende E-Mail:
„Betreff: Willkommen beim H.... Newsletter
Willkommen beim H... Newsletter
Bitte speichern Sie diese eMail als Referenz.
Ihre email Adresse wurde für folgenden Newsletter hinterlegt:
*Newsletter
Um den Newsletter wieder abzubestellen klicken Sie bitte ... und folgen Sie den dort aufgeführten Schritten.
Um Ihre Kontaktdaten zu aktualisieren, klicken Sie bitte auf ...
Vielen Dank“
Die Steuerberatungsgesellschaft sah in der Zusendung der beiden E-Mails zum einen eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), zum anderen einen Eingriff in Ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und mahnte den Anbieter kostenpflichtig ab.
Den darauffolgenden Prozess gewann die Steuerberatungsgesellschaft jedoch nur teilweise - nämlich nur bezüglich der ersten E-Mail. Hier entschied das OLG München, dass ein unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Steuerberatungsgesellschaft vorlag:
„... Die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des Adressaten stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar.
Davon ist auszugehen bei Eingriffen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen ...“
Zudem stellte die erste E-Mail nach Ansicht des OLG München eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar, da der Anbieter vor der Zusendung der bereits als „Werbung“ einzustufenden Email zur Bestätigung der Anmeldung beim Newsletter nicht die ausdrückliche Einwilligung der Steuerberatungsgesellschaft in den Erhalt von Werbe-e-Mails eingeholt hatte.
Hierzu das OLG München im Urteil:
„... Bei der E-Mail vom 20. Februar 2011 handelt es sich um eine dem Adressaten ohne dessen Einwilligung zugesandte Werbe-Mail.
Für die Einwilligung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH GRUR 2004, 517 [519] – E-Mail-Werbung I; BGH GRUR 2011, 936 – Double-opt-in-Verfahren Tz. 30). Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken. Die Speicherung ist dem Werbenden ohne Weiteres möglich und zumutbar. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem angerufenen Verbraucher stammt, sind für den erforderlichen Nachweis ungeeignet.
Demgegenüber hat die Beklagte eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin gerade nicht vorgelegt, sondern lediglich behauptet, dass sich die Klägerin auf der Internetseite der Beklagten unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse für das Newsletter-Abonnement angemeldet habe....“
Da der Anbieter für Anlageberatung hier nicht nachweisen konnte, dass die Steuerberatungsgesellschaft auf seiner Webseite den Haken für die Bestellung des Newsletters tatsächlich gesetzt hat (es hätte auch ein beliebiger Dritter dort die E-Mailadresse der Steuerberatungsgesellschaft angeben und den Abonnement-Haken setzen können) bzw. anderweitig die Einwilligung in den Erhalt des Newsletters vor der ersten E-Mail erteilt hatte, durfte er nach Ansicht des OLG München auch nicht die erste E-Mail mit der Bestätigungs-Aufforderung versenden. Auch wenn diese erste E-Mail keine Verweise auf Leistungen oder Produkte des Anbieters enthalten habe, sei sie doch bereits als „Werbung“ im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG einzustufen, da sie der Absatzförderung des Anbieters diene (indem Sie die Berechtigung zur Zusendung von weiteren Werbemaßnahmen erfragt).
Die zweite E-Mail erhielt die Steuerberatungsgesellschaft allerdings nur, da sie den Bestätigungs- Link in der ersten E-Mail betätigt hatte (jdf. konnte sie dem OLG München nicht das Gegenteil glaubhaft machen). Da bei Erhalt der zweiten E-Mail also die Einwilligung vorlag, verlor die Steuerberatungsgesellschaft in diesem Teil den Prozess.
Fazit: Eine aus praktischer Sicht fragwürdige Entscheidung, die Konsequenzen für zahlreiche Online-Händler nach sich ziehen wird, sofern der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage in der nächsten Instanz nicht anders als das OLG München entscheidet - es bleibt hier allerdings noch abzuwarten, ob der BGH sich mit diesem Fall befassen wird.
Nach dem Urteil des OLG München gibt es derzeit praktisch keine Möglichkeit, den Newsletter per Double-Opt-In-Verfahren zu versenden, da sich das Aktivieren des Opt-In-Hakens auf der Webseite technisch kaum nachweisen lässt. Und selbst wenn sich die Aktivierung der Box technisch nachweisen ließe, würde dies nicht automatisch einen Rückschluss über die Identität desjenigen, der den Haken gesetzt hat, zulassen. Eine Zuordnung über die IP-Adresse des Anmelders ist hier ebenfalls keine Option, denn diese darf wiederum nicht ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung gespeichert werden.
Auch der Vorschlag, die Einwilligung per Fax einzuholen, ist nicht die Lösung, denn gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets bei Werbung unter der Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, anzunehmen. Das Faxgerät scheidet damit als Alternative zur Bestätigung der Einwilligung aus.
Auch eine Einholung der Einwilligung per Telefon scheitert an § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, der regelt, dass die Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung eine unzumutbare Belästigung darstellt.
Im Prinzip kann nach dem Urteil des OLG München derzeit nur noch sehr eingeschränkt über die sogenannte Direktwerbung Werbung gemacht werden. Die Versendung von Newslettern ohne vorherige Einwilligung (= sog. Direktwerbung) ist demnach ausnahmsweise möglich, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen:
a) ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse bereits erhalten hat, (sog. Bestandskunden);
b) der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet;
c) der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
d) der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne das hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
In der Praxis bedeutet das:
Der Kunde muss bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann (ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen).
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