Kürzlich berichteten wir über ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), dass die Rechtsprechung zur Verwendung von Markennamen als Keywords beispielsweise bei Google AdWords bestätigt und weiter präzisiert. Viele AdWords-Nutzer fragen sich nun, ob sie mit fremden Markennamen werben dürfen oder nicht. Sönke Strahmann vom Online-Marketing-Anbieter Fairrank erläutert im Interview, was es dabei zu beachten gilt.
Sönke Strahmann ist einer der Geschäftsführer des Händlerbund-Partnerunternehmens Fairrank. Im Gespräch teilt er sein Expertenwissen zum Suchmaschinen-Marketing, erläutert das sogenannte Brand Bidding und gibt Hinweise zu einigen rechtlichen Rahmenbedingungen der AdWords-Nutzung.
Herr Strahmann, Sie haben den BGH-Prozess zum Keyword-Advertising begleitet. Inwiefern waren Sie in den Fall involviert und warum ist diese Problemstellung Ihrer Meinung nach besonders wichtig?
Als unsere Kundin im Jahre 2007 vom Prozessgegner abgemahnt und verklagt wurde, war es für Fairrank sehr wichtig, ihr in dem Verfahren beizustehen.
Das Problem von Anzeigenschaltungen via AdWords, insbesondere vor dem Hintergrund der Standard-Einstellung, d.h. der automatisierten Auswahl „weitgehend passender“ Keywords, betrifft nicht nur unsere Kunden, sondern die Gesamtheit von AdWords-Nutzern, Agenturen, die Suchmaschinenwerbung für ihre Kunden betreiben und nicht zuletzt die Suchmaschinen wie z.B. Google selbst, mit denen uns eine enge Partnerschaft verbindet.
Wie würden Sie das Urteil bewerten und welche Folgen hat es für Online-Händler, die Werbung über Google AdWords betreiben?
Der BGH beweist mit seinem Urteil Fingerspitzengefühl und Praxisnähe und schafft damit Klarheit und Rechtssicherheit für viele Tausend AdWords-Nutzer, die sich andernfalls der Gefahr massenhafter Abmahnungen infolge unbeabsichtigter Anzeigenschaltungen auf fremde Markenkeywords ausgesetzt sähen.
Lohnt sich das Werben mit fremden Markennamen Ihrer Meinung nach?
„Jein“. Das sog. „Brand Bidding“, d.h. Schalten von z.B. AdWords-Anzeigen auf fremde Markennamen, ohne dass diese im Anzeigentext oder der URL auftauchen (dürfen), kann zwar dem Werbenden mehr Reichweite und Traffic bescheren, da in Suchmaschinen häufiger danach gesucht wird. Und dies kann auch zu einer Stärkung der eigenen Marke führen. Allerdings ist keineswegs sicher, ob diese Vorgehensweise letztlich auch betriebswirtschaftlichen Erfolg bringt, denn u.a. bedeutet das Mehr an Traffic auch höhere Kosten, da die Anzeigen nach Klicks abgerechnet werden. Die entscheidende Frage aber ist, ob der Werbende es schafft, mithilfe fremder Markennamen den (kauf-)relevanten Traffic auf seiner Seite zu erhöhen.
Man könnte annehmen, dass das Werben mit fremden Markenamen zu einer schlechten Zielseitenerfahrung führt. Wie wirkt sich das auf den Qualitätsfaktor aus? Und wie ist die Userexperience (Absprungrate etc.) davon betroffen?
Das ist ein weiterer möglicher Nachteil, der mit dem eben genannten zusammenhängt: Springt der Großteil der Interessenten schnell wieder von der Zielseite ab, weil er sich doch eher für das „Original“ der gesuchten Marke interessiert, kann sich das negativ auf den Qualitätsfaktor und damit auf die Platzierung und den Preis der Anzeige auswirken. Ob das tatsächlich passiert, hängt aber vom Einzelfall ab.
Wie kann man User als Kunden gewinnen, die eigentlich nach einem Konkurrenten gesucht haben? Welche besonderen Anforderungen stellt das beispielsweise auch an eine Landingpage?
Wer bewusst Anzeigen auf fremde Markenkeywords schaltet, muss in Deutschland zumindest sicherstellen, dass er es weder im Anzeigentext noch in der genannten URL erwähnt, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Bei der „Konvertierung“ des Interessenten in einen Kunden bzw. Kauf kommt es darauf an, ob das eigene Angebot für den Suchenden interessant und/oder eine Alternative zur gesuchten Marke sein könnte. Eine attraktive und zum Kontext passende Landingpage spielt in dem Zusammenhang natürlich auch eine wichtige Rolle.
Allerdings raten wir Werbungtreibenden grundsätzlich dazu, bei ihren Kampagnen in erster Linie ihre eigenen Produkte, Services sowie ihre Marke und die Alleinstellungsmerkmale in den Mittelpunkt zu stellen, bevor (bewusst) auf fremde Keywords geschaltet wird.
Welche Empfehlung geben Sie für die Arbeit mit AdWords, um Auseinandersetzungen wie in dem aktuellen Fall zu vermeiden?
Wie gesagt: Durch das aktuelle BGH-Urteil, welches die vorangegangene Rechtsprechung weiter stärkt, besteht seitens des Anzeigenschaltenden keine juristische Gefahr, sofern das Markenkeyword nicht in der Anzeige (oder auf der Landingpage) auftaucht.
Daher ist es auch weiterhin unkritisch, dass bei der AdWords-Einstellung „weitgehend passende Keywords“ im Zuge der automatischen Optimierung durch Google auch Anzeigen auf fremde Markenkeywords ausgespielt werden können.
Das Internet hält sich bekanntlich nicht an politische Grenzen. Wie verhält es sich mit vergleichbaren Sachverhalten auf internationaler Ebene?
Die Empfehlungen des EuGH sowie die Rechtsprechung einiger europäischer Länder, wie z.B. Frankreich und Österreich, weichen zum Teil erheblich von der Rechtsauffassung des BGH ab: Hier muss z.B. ein AdWords-Nutzer, der seine Anzeige auf ein fremdes Markenkeyword schaltet, zusätzlich sicherstellen, dass der Suchmaschinen-Nutzer unmittelbar aus der Anzeige oder der URL erkennen können muss, dass es zwischen dem Anzeigenschaltenden und dem Inhaber der Markenrechte keine wirtschaftliche Verbindung gibt. Der Jurist spricht in diesem Zusammenhang von einer „Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke“, falls in der AdWords-Anzeige kein aufklärender Hinweis darauf erfolgt.
Bereits dadurch kann sich ein AdWords-Nutzer in einigen europäischen Ländern – wenn auch unbeabsichtigt – einer Markenrechtsverletzung schuldig machen und abgemahnt werden. Insofern sollten sich Werbende bzw. deren Agenturen bereits im Vorfeld Gedanken darüber machen, ob grenzüberschreitende Kampagnen mit der jeweiligen Rechtsprechung konform gehen.
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