Zum Black Friday rechnet der Großteil der Händler:innen mit hohen Umsätzen – und wird auch selten enttäuscht. Im Schnitt steigen die Erlöse um die 150 bis 200 Prozent. Online-Händler:innen erzielen voraussichtlich dreimal so viel Umsatz wie an einem normalen Freitag – etwa 204 Prozent mehr, die Online-Verkäufe steigen um 107 Prozent, ermittelte die Finanztechnologie-Plattform Adyen.
Doch lohnt es sich für die Händler:innen tatsächlich? Bezieht man den Einkaufszeitraum rund um die Schnäppchentage mit ein, läge die eigentliche Steigerung nur noch bei sieben Prozent. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung Kearney und der KI-Softwarefirma 7Learnings.
Umsätze verschieben sich
Kearney errechnete, dass fehlerhafte Preisstrategien und Rabatte die Händler:innen Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe kosten. Denn: „Der Umsatzschub besteht zu großen Teilen nur aus verschobenen Umsätzen“, erläutert Moritz Tybus, Partner bei Kearney, laut Spiegel zu den Studienergebnissen. Kund:innen seien vor und nach dem Rabatttag deutlich sparsamer und warten stattdessen auf die Aktionen am Stichtag. Die Nachfrage geht drei Wochen vor und zwei Wochen nach dem Black Friday deutlich zurück.
Die Handelsunternehmen hätten 2023 am Black Friday 5,8 Milliarden Euro Umsatz erzielt, an normalen Tagen waren es dann zusammen insgesamt 2 Milliarden gewesen – 5,5 Milliarden Euro Umsatz seien ihnen entgangen. So ähnlich verhält es sich mit dem Gewinn: 625 Millionen Euro wurden erzielt, 883 Millionen Euro versäumt. Unterm Strich stand beim Black Friday 2023 somit ein Verlust von 258 Millionen Euro, so Kearney.
Händler:innen unterbieten sich gegenseitig
Die Kundschaft ist vor allem durch die wirtschaftliche Unsicherheit und die Inflation inzwischen deutlich sparsamer geworden. Als Rabatt, der sich aus ihrer Sicht wirklich lohnt, werden von einem Großteil nur Reduzierungen um 50 Prozent angesehen, ergab kürzlich eine Befragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Doch Moritz Tybus zufolge ist dieses Problem eher hausgemacht: „Oft richten sich die Preise und Rabatte weniger nach den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen der Kunden“, erläutert er, „sondern werden vor allem auf Basis der Konkurrenz festgelegt.“ Und das führe wiederum dazu, dass sich die Händler:innen gegenseitig hochschaukeln.
Zuspruch für diese Theorie gibt ihm Handelsprofi Marcus Diekmann: „Black Friday ist keine Kür, sondern Pflicht geworden und ufert dementsprechend absolut aus. So macht der Handel sich gegenseitig die Margen kaputt“, wird Diekmann beim Handelsblatt zitiert.
Weniger ist mehr
Wie entkommt man diesem Dilemma? Laut Kearney und 7Learnings geht das, indem man tatsächlich am Black Friday weniger oder keine Rabatte anbietet. Denn Händler:innen, die auf die Reduzierungen verzichten und somit an diesen Tagen einen potenziell schwächeren Umsatz erzielen, würden auf lange Sicht ihren Gewinn verdoppeln. Auch KI könne bei der Entwicklung von Preisstrategien unterstützen: Mithilfe der Technologie könnten Rabatte geschickter vergeben und auch die Marketingausgaben besser kalkuliert werden. Auf diese Weise wäre es sogar möglich gewesen, die Gewinne am Black Friday des letzten Jahres um 290 Millionen auf 915 Millionen Euro und den Umsatz auf 6,5 Milliarden Euro zu steigern. Die Marge ließe sich so von 10,8 auf 14 Prozent erhöhen, heißt es.
Vor unzufriedenen Kund:innen müsse man sich offenbar nicht fürchten: In einer Verbraucherbefragung ermittelte Kearney, dass diese auch ein positives Fazit aus den Schnäppchentagen gezogen hätten, obwohl die Rabatte letztlich geringer als gedacht ausfielen.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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