Betrüger finden auf dem Marktplatz von Amazon immer neue Möglichkeiten, die Konkurrenz auszustechen oder Kunden hinters Licht zu führen, etwa mit Fake-Reviews. Eine bislang wenig beachtete, aber offenbar – zumindest auf dem US-Marktplatz – recht verbreitete Masche, ist es, sich an die Listings von ehemals erfolgreichen, aber mittlerweile eingestellten Produkten zu hängen – und dafür sogar Eigenmarken von Amazon selbst zu nutzen.

„Findige“ Verkäufer haben offenbar einen Weg gefunden, den Erfolg von Produkten, etwa aus der AmazonBasics-Reihe, für sich auszunutzen. Amazon bewirbt die Eigenmarken sehr intensiv und sammelt tausende Bewertungen für die Listings. Wird ein Produkt irgendwann nicht mehr produziert oder kommt eine neue Version, endet zwar auch dessen Bewerbung, das Listing verschwindet aber nicht aus dem Katalog. Die Betrüger nutzen das aus.

Chaos auf dem Marktplatz

Aufgedeckt hat diese Betrugsmasche nun das US-Portal The Verge, das von Juozas Kaziukėnas von Marketplace Pulse darauf aufmerksam gemacht wurde. Die Masche werfe ein neues Licht auf das „Chaos, das bei Amazon herrscht. Es ist fast komisch, dass ausgerechnet die Produkte, auf die Amazon am meisten schauen müsste, nämlich ihre eigenen Marken, für unlautere Zwecke genutzt werden“, so Kaziukėnas. The Verge nennt ein kurioses Beispiel. Das Listing für ein AmazonBasics HDMI-Kabel – nach Hinweis von The Verge mittlerweile gelöscht – wurde benutzt, um zwei komplett unterschiedliche Wecker zu verkaufen: Ein Digitalwecker aus Holz mit unterschiedlichen Funktionen sowie ein Lichtwecker. Dieser wurde als eine zweite Variante in der Farbe „Blackadaafgew”, gelistet und eine Kopie des Wecker verwies kurioserweise auf ein Fernglas. Mehrere Amazon-Listings würden also, so The Verge, gleich mehrfach für unlautere Zwecke missbraucht.

Auch wenn das nun erst einmal dubios klinge und wenig Erfolg verspreche, hatte das Listing über 5.300 Bewertungen mit einer Durchschnittswertung von 4,6 Sternen. Diese bezogen sich zwar zu einem überwältigenden Teil auf das tatsächliche HDMI-Kabel, an das sich die Händler hängten, das Listing belegte in Amazons Wecker-Kategorie aber immerhin Platz 98. Der Fall ist durchaus kurios, es gibt aber auch schwieriger erkennbare Fälle, so The Verge. Oft sind sie daran zu erkennen, dass sich die Reviews nicht auf das jeweilige Produkt beziehen.

Amazon einfach zu groß?

Das Problem ist für Kaziukėnas offensichtlich: „Normalerweise würde ein Händler seine Kategorien und Marken kuratieren, Amazon allerdings verlässt sich auf Automation und Daten.“ Es falle schlicht kaum auf, wenn man sich an alte Listings dranhänge oder Bewertungen nicht echt seien. Amazon kommentiert gegenüber The Verge ausweichend. Man habe Richtlinien, wann Produkte gruppiert werden und gewisse „Leitplanken“, die das inkorrekte Gruppieren verhindern.

Die ehemalige Amazon-Mitarbeiterin Rachel Johnson Greer, die mittlerweile Amazon-Händler berät, habe gegenüber The Verge nur lachend geantwortet: „Ich habe nur darauf gewartet, dass so etwas passiert“. Es sei sehr chaotisch auf dem Marktplatz. Es gebe mehr als zwei Milliarden Listings, die niemals verschwinden. Wird ein Produkt eingestellt, dann liege das Listing brach und warte darauf, übernommen zu werden. Dank der schieren Menge an Produkten – auch Amazon-Eigenmarken – falle das selten auf. Allerdings räumt Greer ein, dass es die schiere Masse für Amazon schwer mache, das Problem zu lösen. „Ich weiß auch nicht, wie Amazon darauf reagieren kann. Ich weiß nur, dass das Problem größer ist, als man glaubt.“