Amazon ist für viele Online-Händler ein wichtiger Absatzkanal, doch Freude und Frustration liegen bei den Marktplatz-Händlern oft nah beieinander. Am Rande des Amazon-Events „Unternehmerinnen der Zukunft“ in München haben wir mit Nick Denissen, Vice President Small Business bei Amazon, gesprochen. Es ging unter anderem um das Verhältnis des Konzerns zu seinen Händlern, neue Services für Verkäufer und Frauen im E-Commerce.
OnlinehändlerNews: Jeff Bezos hat Anfang des Jahres erklärt, dass inzwischen 58 Prozent aller Warenverkäufe auf Amazon durch die Drittanbieter zustandekommen. Wie abhängig ist der Konzern von seinen Händlern jetzt?
Nick Denissen: Wir haben ja bereits vor über 20 Jahren unsere Webseite für unabhängige Verkaufspartner geöffnet. Am Anfang betrug ihr Anteil am Bruttowarenumsatz 3 Prozent und wie Sie schon sagten, sind es heute 58 Prozent. Ich glaube, das ist einfach ein Zeichen dafür, dass die Partnerschaft mit den Verkaufspartnern wächst und gedeiht – der Erfolg der Verkaufspartner ist auch Amazons Erfolg und unsere Interessen stimmen miteinander überein. Deswegen freuen wir uns für jedes Unternehmen, das erfolgreich ist. Wir haben auch eine Schätzung machen lassen: Die Verkaufspartner haben weltweit 1,6 Millionen Arbeitsplätze generiert, was auch ein schöner Beleg dafür ist, dass die Geschäfte für die Händler gut laufen.
Wie genau unterstützt Amazon vor allem kleine und mittelständische Unternehmen darin, ihr Geschäft voranzutreiben?
Wir haben zum Beispiel dieses Jahr bekanntgegeben, dass wir 15 Milliarden US-Dollar investieren, um Verkaufspartner in ihrem Wachstum zu unterstützen. Davon fließt natürlich ein großer Teil in die Logistik. Wir haben mit Prime und Versand durch Amazon die Möglichkeit geschaffen, dass auch unsere Verkaufspartner in den USA schon Next Day zustellen können.
Wir haben dieses Jahr auch neue Tools für die Verkaufspartner entwickelt, beispielsweise für das Thema Pricing. So können die Händler Pricing-Automatisierung besser durchführen. Wir haben auch gesehen, dass viele Verkaufspartner ihre eigene Marke aufbauen und haben deshalb zugleich stark in Brand-Building-Tools investiert. Da gibt es eine ganze Reihe an Beispielen und es kommt letztendlich darauf an, welches Ziel der Verkaufspartner verfolgt. Wir wollen Programme und Services anbieten, die es den Händlern ermöglichen, ihre wirtschaftliche Zielsetzung als Unternehmer zu erreichen.
Export ist auch ein wichtiger Bereich. Wir erleichtern es den Händlern, in unterschiedliche Länder zu verkaufen. Ich habe letzte Woche einen Verkaufspartner in Washington, D.C. kennengelernt, der jetzt angefangen hat, seine Produkte in England zu verkaufen, obwohl er selbst noch nie außerhalb der USA war.
Das steckt hinter Amazons Eigenmarken-Strategie
Da gab es ja in der Vergangenheit immer mal Kritik. Es haben sich auch bei uns Händler gemeldet, die behauptet haben, dass Amazon ein gut laufendes Produkt von ihnen selbst in den Markt gebracht hat. Kam die Kritik auch bei Ihnen an?
Eigenmarken-Strategien gibt es schon seit eh und je im Handel und das ist gut für die Kunden und für den Wettbewerb. Das machen alle großen Handelsunternehmen und so haben wir auch bei Amazon eine Eigenmarken-Strategie, die allerdings nur ein Prozent an unserem Gesamtumsatz ausmacht. Die einzigen Informationen, die wir hier nutzen, sind auch die, die jedem anderen Verkaufspartner zur Verfügung stehen. Wir bieten ja viele Tools an, mit denen ein Händler ein Marktsegment analysieren kann, um einfach zu verstehen: Welche Produkte verkaufen sich, was verkauft sich vielleicht nicht so gut. Ich habe auch gerade mit einem Verkaufspartner hier in Deutschland gesprochen, der das auch so macht.
Mit dem kleinen Einschub vielleicht, dass Amazon auf seiner Plattform einen anderen Hebel hat. Das ist ja auch oft der Vorwurf, wenn Amazon dann ein Produkt von einem Händler „kopieren“ und auf seiner Plattform anbieten sollte, dass Amazon natürlich das eigene Produkt ein wenig präsenter machen kann. Ist das so?
Ich glaube, da wird in manchen Bereichen – und das ist einer davon – etwas missverstanden. Zum einen nutzen wir keine individuellen Daten für unsere Produktentwicklung. Zum anderen steht für uns der Kunde im Mittelpunkt: Unser Ziel ist es, unseren Kunden die Produkte zu präsentieren, die für sie die höchste Relevanz haben – unabhängig davon, ob sie aus unserem eigenen Handelsgeschäft oder von einem unserer Verkaufspartner stammen.
Händler-Tools im App Store
Allein letztes Jahr haben Sie 150 neue Tools und Services gestartet, wie Amazon erst kürzlich mitgeteilt hat. Wenn ich jetzt ein Händler bin und auf Amazon starten möchte und als Unterstützung dieses Tool-Angebot habe, wie kann ich mich da zurechtfinden?
Wir bieten den Händlern sehr viele Tools an, wie Sie zu Recht sagen. Das kann schon manchmal ein wenig unübersichtlich werden. Was soll ich jetzt als erstes oder als nächstes machen? Aber letztlich wollen wir für jeden unserer Verkaufspartner ein passendes Angebot machen. Wir haben zum Beispiel jetzt auch einen Service, der den Händlern die nächste beste Handlungsmöglichkeit für das Konto mitteilt. Wenn ihm zum Beispiel gewisse Informationen auf der Detailseite fehlen, bekommt der Verkaufspartner das angezeigt.
Wir haben auch Seller-University-Inhalte neu strukturiert und bearbeitet. Ich weiß nicht genau, wo wir in Deutschland nun damit stehen, weil es in den USA relativ neu ist. Wir sind jedoch sehr bemüht, zu verstehen, was gut für die Verkaufspartner funktioniert und wo sie ihre Schwierigkeiten haben, um letztendlich Verbesserungen durchzuführen.
In Deutschland haben sie ja jetzt auch den App Store gestartet. Was genau bietet der den Händlern?
Wir haben damit die Möglichkeit für innovative Unternehmen eröffnet, ihre eigenen Applikationen zu entwickeln. Wenn ich also zum Beispiel ein Pricing-Tool haben möchte, aber nicht das Pricing-Tool von Amazon nutzen will, kann ich mir aus dem App Store so ein Tool aussuchen. Der App Store ist relativ neu, aber es sind bereits unterschiedlichste Anbieter von Tools vertreten. Manche Tools ersetzen dann Tools, die es im Seller Central gibt und andere Tools ergänzen sozusagen das Dienstleistungsportfolio und bieten auch Möglichkeiten, die im Seller Central nicht dabei sind. Es ist einfach ein sehr innovativer Weg, weitere Möglichkeiten zu schaffen, um für die Verkaufspartner neue Tools zu entwickeln und sie in ihrem Geschäft zu unterstützen.
Wir haben vorhin schon über Export mit Amazon gesprochen. Ist der Prozess tatsächlich so leicht für den Händler?
Sie könnten zum Beispiel auf dem Smartphone ein Seller-Central-Konto anlegen und sofort anfangen, überall auf der Welt zu verkaufen. Wie das dann in der Praxis funktioniert, wenn Sie zum Beispiel Versand durch Amazon in anderen Ländern nutzen wollen – da nehmen wir Sie an die Hand. Darunter fällt der ganze Prozess, die Ware vorzubereiten, in das andere Land zu schicken und dann übernehmen wir – wenn Sie zum Beispiel Ware für Versand durch Amazon in den USA lagern – die komplette Abfertigung an den Endkunden. So kann Ihr Unternehmen sich auf das fokussieren, was die meisten Unternehmen gerne machen: ihre Produkte weiterentwickeln und ihre Marke aufbauen, während sich Amazon um die Abwicklung kümmert.
Läuft das nur über FBA oder kann ich beim Auslandsexport mit Amazon die Logistik noch selbst abwickeln?
Das kann man auch machen, man muss Versand durch Amazon nicht nutzen. Das kann der Verkaufspartner frei entscheiden.
Die Unternehmerinnen der Zukunft im Fokus
Heute sind wir bei den Unternehmerinnen der Zukunft. Wie sehen Sie die Position von Frauen im E-Commerce?
Was spannend ist, ist einfach die Vielfalt von Unternehmen, weil Frauen auch andere Marktmöglichkeiten sehen als männliche Unternehmer. Deswegen ist es, glaube ich, sehr wichtig, eine vielseitige und diverse Händlerbasis zu haben und von Frauen geführte Unternehmen sind natürlich ganz oben mit dabei. Ich habe sehr viele spannende Produkte kennengelernt, die von Frauen erfunden wurden. Es gibt zum Beispiel ein Unternehmen in den USA: Die Gründerin war früher Beraterin, hat eine Laktoseintoleranz und war viel auf Reisen. Sie hatte so etwas wie eine Sahne für Kaffee und Tee gesucht, die aber eben nicht auf Milch basiert. Dann hat sie den ganzen Markt abgeklopft, um zu sehen, ob es ein Produkt für ihr Bedürfnis gibt – gab es nicht und da hat sie das mit einer Kickstart-Kampagne selbst gestartet. Dadurch hat sie gesehen, dass es auch im Handel Kunden gibt, die das Produkt kaufen würden, und hat dann den Mut gefasst, mit Amazon Launchpad das Unternehmen zu starten. Heute findet man das Produkt in den Kühlregalen von großen Supermarktketten – und das innerhalb von ein paar Jahren.
Das ist einfach ein Beispiel dafür, dass ein Kundenbedürfnis nicht erfüllt wurde, da kommen dann auch die unternehmerischen Ideen. Umso vielfältiger die Händlerbasis ist, und dazu zählen auch von Frauen geführte Unternehmen, desto breiter die Produktpalette, desto innovativer die Produkte und desto mehr glückliche Kunden.
Wie hoch ist der Anteil von Frauen an der gesamten Händlerschaft von Amazon?
Ich weiß gar nicht, ob wir die Zahlen schon einmal heruntergebrochen haben. Aber ein Business, welches wir bei Amazon haben, ist Merch by Amazon. Dort können Designer Designs für T-Shirts und Sweatshirts entwerfen, die dann über ein Print-on-Demand-System gefertigt und verkauft werden. Da habe ich überdurchschnittlich viele Frauen kennengelernt, die Designerinnen sind und aus welchen Gründen auch immer nicht in den großen Städten bei Agenturen arbeiten wollen. Sie nutzen dann unser Angebot, um aus ihrer Wohnung heraus ein Business aufzubauen und sich ein Einkommen zu sichern. Es kommt also ein bisschen auf die Produktnischen an, in manchen Bereichen sind schon sehr viele Unternehmerinnen unterwegs.
Gibt es jetzt bei der Händleransprache oder bei den Features etwas, wo Amazon unterscheiden muss, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt?
Mir ist so etwas nicht bekannt. Amazon macht da jedenfalls keine Unterschiede – Everything Store for Everyone.
Vielen Dank für das Gespräch!
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