In der virtuellen Welt ist man quasi nur einen Klick von der nächsten Straftat entfernt. Wer sich geschickt anstellt, kann großen Schaden anrichten, bevor er gefunden und bestraft wird.

Wie bereits in dem ersten Teil von „Tatort Marktplatz“ startet auch dieser Beitrag mit einer Kriminalgeschichte aus einer Zeit, die weit vor den Anfängen des Internets liegt. 

Die Hintergrundgeschichten sind an reale Fälle angelehnt. Namen und ausschmückende Details wurden verändert; an der juristischen Beurteilung ändert sich dadurch allerdings nichts.

Tierhandel im mittelalterlichen China

Chinas Erfolg im Mittelalter verdankt es unter anderem dem gesponnenen Gold: der Seide. Über die Seidenstraße versorgten chinesische Händler das Alte Rom und den Rest von Europa mit dem luxuriösen, leicht durchsichtigen Stoff. Hersteller des Materials ist die Seidenraupe. Diese kleinen Tierchen fressen ausschließlich die Blätter des Maulbeerbaumes. Um genug Seide für ein Kleid zu gewinnen, müssen gut 70 Kilo der Blätter gefressen werden.

Um die Spitzenstellung in Sachen Seide nicht zu verlieren, war es bei Todesstrafe verboten, die Raupen über die Landesgrenzen zu schaffen. Allerdings hat China damit die Rechnung ohne Kaiser Justinian I. gemacht. Dieser schickte im Jahr 551 zwei Mönche auf eine spektakuläre Reise: In ihren Gehstöcken schmuggelten die Mönche Raupeneier und Maulbeersamen aus China bis nach Konstantinopel. So breitete sich das Material in ganz Europa aus und wurde später sogar zum Lebensretter: Die ersten Fallschirme wurden aus Seide hergestellt. 

Ob die zwei Mönche die ersten Schmuggler von Tieren waren, ist nicht bekannt. Fakt ist allerdings, dass der illegale Handel mit Tieren und tierischen Produkten auch heute nicht zuletzt dank des Internets ein katastrophales Problem für die Umwelt darstellt. Während man früher versuchte, die Seidenraupe aus China zu schmuggeln, ist es heute anders herum: Ein großes Problem im illegalen Handel mit Tieren ist China. Die traditionelle chinesische Medizin arbeitet mit Elfenbein, Tigerprodukten und Schuppentieren. Oft stammen die erforderlichen Zutaten von vom Aussterben bedrohten Tierarten. Das Internet erleichtert diesen Handel natürlich.

Heute steht auf den illegalen Tierhandel zumindest in den europäischen Ländern keine Todesstrafe. In Deutschland droht ein Bußgeld und je nachdem, was getan wurde, auch ein Strafverfahren.

Der falsche Arzt

Trotz der vielen Skandale in den letzten Jahren genießen Ärzte als Halbgötter in Weiß ein gewisses gesellschaftliches Ansehen und das nahezu blinde Vertrauen vieler Menschen. Dieses Vertrauen machte sich der 30-Jährige Informatiker Tristan zu Nutze. Auf einem nicht näher bezeichneten Kleinanzeigenportal schaltete er eine Annonce:

„Probandinnen für Studie gesucht!
Für eine geplante Studie suchen wir gesunde junge Frauen.
Die Tests finden rein virtuell statt. Eine Anreise ist nicht erforderlich.“

Als Aufwandsentschädigung bot Tristan teilweise bis zu 3.000 Euro an. Gut 88 Frauen brachte er so dazu, an seinem Experiment teilzunehmen. Bei dem Experiment schaltete sich Tristan via Webcam zu und gab Anweisungen zur Umsetzung: Bestandteil war dabei, dass sich die Frauen von einer weiteren Person fixieren ließen. Zum Einsatz kamen hier beispielsweise Gartenliegen und Kabelbinder. Danach wurden den Frauen unter zuhilfenahme eines Löffels Stromschläge versetzt.

Einen medizinischen Zweck hatte dies freilich nicht. Tristan, der sich vorher in mehreren einschlägigen Foren zu Sado-Maso-Techniken informiert hatte, erregte der Anblick der Frauen aber. Sie zucken, hatten sichtliche Schmerzen und Krämpfe. Die jüngste Teilnehmerin seiner Studie war gerade einmal 13 Jahre alt. Eine andere Frau trug Brandverletzungen an den Schläfen davon.

In einem Fall brachte der falsche Arzt die Probandin dazu, sich zwei metallene Gegenstände an die Schläfen zu halten, so dass der Strom durch das Hirn floss. „Es hat Peng im Kopf gemacht“, soll eines der Opfer die Schmerzen beschrieben haben, die durch die Stromschläge entstanden.

Im Ergebnis wurde der Täter wegen versuchten Mordes in 13 Fällen zu elf Jahren Haft verurteilt. In den übrigen Fällen sah das Gericht den Tatbestand der Körperverletzung als gegegeben an.

Mord und Totschlag – wo liegt da eigentlich der Unterschied? Oft hört man die Meinung, dass der Täter beim Mord anders als beim Totschlag, den Taterfolg – so die juristische Bezeichnung – vorsätzlich verursacht hat. Das ist aber falsch. Im Strafgesetzbuch gibt es neben Mord und Totschlag noch die fahrlässige Tötung als eigenen Tatbestand. Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag kann also nicht in der fahrlässigen oder vorsätzlichen Begehungsweise liegen. 

Von Totschlag spricht man, wenn der Tod eines Menschen vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen des Täters verursacht wurde. Im Falle des falschen Arztes sah das Gericht den Tötungsvorsatz in 13 Fällen (angeklagt waren 88) als gegeben an, da der Angeklagte den möglichen Tod der Frauen billigend in Kauf genommen hat. In den übrigen Fällen sah das Gericht lediglich eine gewollte Körperverletzung als erwiesen an. 

Aus dem Totschlag kann nun aber ein Mord werden, wenn mindestens eines der sog. Mordmerkmale erfüllt ist. Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. Da die Taten des falschen Arztes sexuell motiviert waren, erkannte hier das Gericht das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ als gegeben an. 

Der verkaufte Mitschüler

Die Schule kann für Kinder, die nicht dem Mainstream entsprechen, ein grausamer Ort sein. Klassenkameraden sind gnadenlos, wenn es darum geht, das Anderssein abzustrafen – und in Zeiten des Internets ist folgenschweres Mobbing nur wenige Klicks entfernt. 

Der 15-Jährige Paul gehört zu den bedauernswerten Geschöpfen, die ihr Selbstbewusstsein durch das Niedermachen anderer aufwerten. Ihm ist dabei jedes Mittel recht: Schließlich sind die anderen es, die daran Schuld sind, dass er sie so behandelt. Die legen es ja förmlich darauf an, runtergemacht zu werden. 

Als besonders störend empfindet er dabei Max, einen Mitschüler aus der Nachbarschaft. Irgendwas hat Max an sich, was ihn provoziert. Aus den anfänglichen Sticheleien wird schnell bitterer Ernst, der seinen Gipfel in einem Eintrag bei Ebay-Kleinanzeigen findet:

„14-jähriger Junge zu verkaufen
Verhandlungsbasis: 100.000 Euro
Leider hat sich das Produkt als minderwertiges Exemplar aus China herausgestellt. Der Junge stinkt wirklich derbe. Auch ein Ölwechsel steht mal wieder an. Ein absoluter Fehlkauf.“

Es war eine Frau, die auf diese Anzeige aufmerksam wurde und sie der Polizei meldete. Diese hatte alle Hände voll zu tun, herauszufinden, wer der Urheber der Anzeige war. Das Internet erlaubt es den Mobbern, sich feige hinter einem Vorhang aus Anonymität zu verstecken. Nach monatelangen und schwierigen Ermittlungen machte man Paul schließlich ausfindig und stellte fest, dass die Hobbies des Teenagers noch weit über das Niedermachen anderer Menschen hinauszugehen schienen: Im Kinderzimmer des Jungen fanden die Beamten gepolsterte Würgehölzer. So kam zur Verleumdung, übler Nachrede und Beleidigung auch noch der Besitz illegaler Waffen.

Mobbing, welches oft verharmlosend als Hänselei bezeichnet wird, ist in Deutschland keine eigene Straftat. In dem dargestellten Fall wurde daher wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen den 15-Jährigen ermittelt. Ob und welche Jugendstrafe am Ende dabei heraus kam, ist nicht bekannt.

Neben Verleumdung und übler Nachrede kann aber auch der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt sein. Wer jetzt denkt, dass dieser Tatbestand durch eine mobbing-bedingte Handgreiflichkeit erfüllt wird, denkt allerdings zu kurz. Mobbing kann krank machen. Erkrankt jemand in Folge des Mobbings, so kommt hier tatsächlich eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung in Betracht. 

In der Realität ist es aber meist nicht leicht zu beweisen, dass die Mobber die Körperverletzung so auch wollten. Gerade Jugendlichen dürfte es getreu dem Motto „denn sie wussten nicht, was sie tun“ schwer fallen, die mittelbaren Folgen ihres Handelns zu erkennen.