Anfang August kündigte Amazon den Launch seines schwedischen Marktplatzes Amazon.se an. Der Eintritt in den schwedischen Markt erhielt den Projekttitel „Dancing Queen“ – ein international bekannter Hit der schwedischen Popgruppe ABBA. Ob auch der Eintritt in den skandinavischen E-Commerce für Amazon so ein Erfolg wird, bleibt aktuell noch abzuwarten. Schon jetzt beeinflusst der Marktplatz-Gigant aber die dortige E-Commerce-Landschaft. Laut dem schwedischen E-Commerce-Portal Ehandel verzichten einige Marken bereits bewusst auf eine Zusammenarbeit, andere Plattformen und Shops wiederum suchen sich Anbieter, mit denen sie ihre Angebote leichter auf Amazon sichtbar machen können.  

Auch für deutsche Händler ergeben sich Änderungen, denn bislang wurden schwedische Amazon-Kunden auf die deutsche Seite und entsprechende Angebote deutscher Anbieter weitergeleitet – das entfällt nun. Was bedeutet das für Händler hierzulande? Sind damit Umsatzeinbußen oder Chancen verbunden? Darüber sprachen wir mit Amazon-Partner Sascha Stockem, CEO des auf E-Commerce-Lösungen für Amazon-Händler spezialisierten Software-Unternehmens Nethansa. 

Auf lange Sicht ist Amazon in neuen Märkten erfolgreich

Herr Stockem, was bedeutet Amazon.se für den schwedischen E-Commerce?

Sascha Stockem: Dass ab sofort ein großes neues Schiff mit der größten Produktpalette und dem besten Kundenservice unterwegs ist. In der Regel erreicht Amazon deswegen auf lange Sicht immer Erfolg in neuen Märkten. Die einzige Ausnahme war China, wo ein anderer großer Platzhirsch, Alibaba, mehr Produkte hatte. Deswegen ist China das einzige Land der Welt, aus dem sich Amazon wieder zurückgezogen hat. 

Welche Veränderungen kommen durch Amazons schwedischen Marktplatz nun auf deutsche Händler zu? 

Wie auch schon im Frühjahr, als Amazon in die Niederlande gekommen ist, haben ausgewählte Händler bereits heute die Möglichkeit, auf dem neuen Markt die Produkte anzubieten. Sogenannte Reseller, die Markenwaren verkaufen, können mit Tools mehr oder weniger vollautomatisch alle Waren auf Amazon Schweden einstellen. 

Dies ist möglich, da Amazon vor dem Markteintritt massenhaft Produkte (vor allem die Bestseller, also Markenwaren) in die schwedische Sprache übersetzt hat. Somit können sich Reseller an die bestehenden Produktarten auf Amazon.se „dranhängen“, ohne dass sie eigenen Content benötigen. Dies, gekoppelt mit Tools, die solche Angebote miteinander verbinden und direkt den richtigen Preis berechnen und später permanent an die Marktlage anpassen, kann einen fünf- oder sechsstelligen Umsatz auf Amazon.se in Schweden bedeuten. 

Somit ist natürlich auch die Umsatzsteuer-Anmeldung in Schweden notwendig und Händler müssen sich zuvor beim lokalen Finanzamt als Steuerzahler anmelden. In Schweden liegt die Lieferschwelle bei 33.794 Euro, was 320.000 Schwedischen Kronen (SEK) entspricht. Für diese Summe darf ein Händler aus Deutschland pro Jahr nach Schweden an Endverbraucher verkaufen, bevor er sich steuerlich in Schweden anmelden muss. Für Hersteller und private Label kommt noch dazu, dass sie ihren Content übersetzen, die Listings auf Amazon.se erstellen und bewerben müssen. 

Schwedische Händler können auch auf Amazon.de verkaufen

Schwedische Kunden wurden zuvor auf Amazon.de weitergeleitet und konnten bei deutschen Händlern kaufen. Sind durch Amazon.se für deutsche Händler jetzt eher Einbußen oder Gewinne zu erwarten? Wie könnten deutsche Händler von Amazon.se profitieren?

Ich denke, Amazon.se ist vor allem eine Möglichkeit eines neuen Absatzes für deutsche Händler. Gleichzeitig kommen natürlich neue Händler aus Schweden hinzu, die nun auf Amazon verkaufen werden, auch auf Amazon.de. Wenn wir dabei aber berücksichtigen, dass sich im letzten Jahr eine Million neue Verkäufer auf Amazon weltweit angemeldet haben (knapp 3.000 Händler pro Tag), werden die neuen Online-Händler aus Schweden, die auf Amazon nun dazustoßen, kaum spürbare Auswirkungen für deutsche Händler haben. 

Im Durchschnitt haben Händler, die Nethansas Software Clipperon nutzen, drei Prozent ihres Amazon-Umsatzes in Europa aus den Niederlanden. Ich denke, Schweden wird innerhalb eines Jahres, wenn es gut läuft, bis zu fünf Prozent des Marktes ausmachen können. Für deutsche Händler bedeutet das: Ein durchschnittliches Umsatzwachstum von fünf Prozent innerhalb der nächsten zwölf Monate, wenn sie europaweit über Amazon verkaufen.

Welche Folgen könnte der neue Marktplatz Amazon.se für den Verkauf in andere Nachbarländer haben, beispielsweise Dänemark?

Auch Bewohner von Dänemark werden bei Amazon.se einkaufen. So ist es auch bei Amazon.de und Österreich, oder Amazon.es und Portugal oder Amazon.fr und Belgien.

Amazon.se steht in den Startlöchern

Sascha Stockem, CEO Nethansa

Ihr Tipp: Wann wird Amazon.se gelauncht? 

Da wir sehen, dass Händler ihre Waren jetzt bereits online stellen können, schätze ich den Launch bis spätestens Ende September.

Welche weiteren Märkte hat Amazon aktuell noch im Blick?  

Dazu darf ich mich als offizieller Partner von Amazon leider nur sehr eingeschränkt äußern. Allerdings sehen wir sehr große Investitionen von Amazon u. a. in Polen, gleichzeitig wird der polnische E-Commerce-Markt nach Einschätzungen vieler Experten dieses Jahr um 100 Prozent wachsen – von 10 Milliarden auf 20 Milliarden Euro. Er explodiert also buchstäblich. Dessen ist sich Amazon natürlich auch bewusst.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zu Amazons internationaler Strategie im Beitrag: So erobert Amazon neue Märkte