In der Reihe „Ama-Zone“ grübelt Tina Plewinski über die vielfältige Welt von Amazon: über Vor- und Nachteile des Online-Riesen, neue Entwicklungen, trendige Hypes, die unablässigen Machtbestrebungen des Konzerns und – im aktuellen Teil dieser Reihe – über einen neuen „maßgeschneiderten“ Amazon-Service, der gigantisches Potenzial in sich trägt.

Manche Neuerungen aus dem Hause Amazon schlagen ein wie eine Bombe und sorgen für tagelange Schlagzeilen in den Medien und Aufruhr unter Konkurrenten. Andere scheinen hingegen eher unterzugehen – obwohl sie ebenfalls bahnbrechender Natur sind. So zum Beispiel auch eine Meldung aus dem Dezember. Damals startete Amazon in den USA einen neuen Service: einen Modeservice namens „Made for you“. Dabei handelt es sich quasi um eine Online-Maßschneiderei, mit deren Hilfe sich Kunden T-Shirts zum Spottpreis auf den Leib schneidern lassen können.

Dieser neue Service ist auf so vielen verschiedenen Ebenen aufsehenerregend und könnte Amazon unfassbar viele Möglichkeiten eröffnen. Vielen Datenschützern dürfte „Made for you“ allerdings einen kalten Schauer über den Rücken jagen.

Amazon erstellt digitale Körper-Double seiner Kunden

Kurz und knapp formuliert funktioniert der neue Service folgendermaßen: Man schickt Amazon Fotos von sich in enganliegender, das heißt figurbetonter Kleidung. Mithilfe dieser Fotos erschafft Amazon ein digitales Abbild des Kunden, also ein Körperdouble. Dann kann der Kunde nähere Details zum gewünschten Shirt angeben: Passform, Armlänge, Farbe und *boom* schon lässt sich mithilfe des digitalen Selbst genau sehen, wie das Shirt am eigenen Leib aussehen wird. Ein quasi maßgeschneidertes Shirt für 25 läppische Dollar. Klasse, oder? 

Und wenn wir an dieser Stelle einen Blick in die Zukunft wagen: Was sollte Amazon davon abhalten, den Service bald maximal auszuweiten? Ich sehe es schon vor mir: maßgeschneiderte Bürooutfits, Kleider, Anzüge, Abendroben. Amazon macht gut sitzende Klamotten für jedermann bezahlbar. Wir zahlen lediglich ein Apfel, ein Ei und unsere sensibelsten Daten. *katschingggg*

Amazon wird uns besser kennen als wir selbst 

Das Problem hierbei ist natürlich die grundlegende Frage: Möchte ich, dass Amazon weiß, wie ich aussehe? Und nicht nur das! Möchte ich, dass Amazon GENAU weiß, wo meine körperlichen Stärken und vor allem meine Schwachstellen liegen? Meine geliebten Speckröllchen oder Wurstärmchen?

Natürlich weiß Amazon das in vielen Fällen auch so schon … Wenn Kunden ständig Abnehmdrinks, Nahrungsergänzungsmittel oder Diätbücher bestellen, dann darf man davon ausgehen, dass der Konzern genau weiß, dass diese Kunden versuchen, ihren Körper zu optimieren. Allerdings ist es aus meiner Sicht ein riesiger Unterschied, ob Amazon meine Bestellhistorie kennt oder intimere Fotos von mir hat.

Mehr Daten, besserer Service!

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Amazon laut The Verge darauf verwiesen hat, die Fotos sofort zu löschen, wenn das digitale Abbild erstellt ist. Und natürlich ist „intim“ immer eine Frage der Ansicht. Nicht für jeden sind Fotos in eng anliegender Kleidung schon ein Grund für Kritik.

Doch ich finde, wenn Amazon in der Lage ist, ein digitales Abbild meiner Selbst zu schaffen, weiß, was ich wann wie oft bestelle, meinen Musikgeschmack und meine Lieblingsfilme kennt und durch die Nutzung von Alexa sogar weiß, wann ich abends nach Hause komme, weil ich das Licht anschalte, dann sind alle persönlichen und intimen Mauern niedergerissen. 

Wer das will, kann jetzt und in Zukunft von einem sagenhaften Service profitieren. Je mehr Daten Unternehmen haben, desto besser können schließlich Angebote auf jeden Kunden zugeschnitten werden. Ich warte allerdings auf den Moment, in dem sich erste Nutzer melden und davon berichten, dass Alexa ihnen Abnehmtipps und passende Produktangebote bei Amazon geschickt hat. Und dann ist das Geschrei groß!