Die Verantwortlichen bei Amazon und Temu dürften sich fragen, ob das eigentlich ein Scherz sein soll. Da überzieht Donald Trump die Welt mit Zöllen, bringt über Nacht alle Unternehmen in Schwierigkeiten, die auf Importe in die USA angewiesen sind, nur um Tage später fast alles wieder (vorerst zeitweise) zurückzunehmen. Da leistet er sich ein Wettbieten mit dem großen Konkurrenten China, weil er nach eigenen Angaben die eigene Wirtschaft ankurbeln will, nur um nach wenigen Wochen kalte Füße zu kriegen und das Ganze (ebenfalls zeitweise) wieder abzublasen.

Dass die Börsen darauf erratisch reagieren, dass Tausende Unternehmen plötzlich Angst um die Existenz haben, dass Businesspläne, Umsatzprognosen und ganze Handelsrouten hastig umstrukturiert werden müssen, interessiert den Quasi-Monarchen dabei freilich wenig. Aber die Wirtschaft ist in Aufruhr – und reagiert dabei ähnlich kurzsichtig wie Trump. Was Amazon und Temu derzeit veranstalten, steht dafür stellvertretend.

Europa muss es richten

Manchen Konkurrenten mag es freuen, wie die chinesischen Emporkömmlinge Temu und Shein unter der US-Handelspolitik zu leiden haben. Die Marktanteile in den USA sind aufgrund der US-Zölle massiv eingebrochen, weil das Billigkonzept nicht funktioniert, wenn auf Importe horrende Zölle erhoben werden. Das gesamte Geschäftsmodell basiert auf supergünstigen Produkten, die direkt aus den Fabriken in China kommen. Wenn Temu keine spottbilligen Preise anbieten kann, dann bleibt nur ein regulärer Marktplatz mit zu hohen Preise für zu billige Produkte übrig.

Ähnlich ergeht es Amazon mit seinem Temu-Konkurrenten Haul, der mit dem gleichen Konzept Marktanteile abzweigen soll, dank der Zollpolitik aber schon jetzt teils Preise wie der reguläre Amazon-Marktplatz aufruft. Wozu dann noch Haul nutzen? Weil das Geschäftskonzept in den USA plötzlich bedroht ist, richten beide ihren Blick nun noch intensiver nach Europa. Temu ist hier schon stark und verstärkt das Engagement spürbar und Amazon bringt seinen Ableger nun schneller als vermutlich geplant war in die Märkte auf dem alten Kontinent. 

Und dann nimmt Trump alles erst einmal wieder zurück. Und nun? Rolle rückwärts bei Temu? Haul doch noch reifen lassen bei Amazon? Dass Donald Trump sehr eigene Vorstellungen von Wirtschaftspolitik hat, sollte Milliardenkonzernen nicht neu sein. Dass Trump seinen Zollkrieg nicht durchhalten kann, war vielen Expert:innen klar. Die US-amerikanische Wirtschaft zu stärken, ist eines seiner Kernversprechen und einer der Hauptgründe für viele gewesen, ihn zu wählen. Mit seinen Zöllen erreicht er das Gegenteil. Und ganz nebenbei macht er damit europäischen und deutschen Händler:innen das Leben schwer.

Der Preiskampf tobt

Denn das Leiden von Temu und Shein aufgrund der US-Zölle bringt gleichzeitig hiesige Händler:innen in Schwierigkeiten, wenn die Billiganbieter verstärkt die Kundschaft hierzulande ansprechen. Temu ist der am schnellsten wachsende Marktplatz in Deutschland und deutsche Händler:innen beschweren sich bereits seit Jahren, dass der Preisdruck immer größer wird. Noch länger kämpfen sie gegen das (indirekte und direkte) Preisdiktat von Amazon.

Du kannst deinen Shop noch so herausragend gestalten, du kannst den besten Kundenservice der Welt bieten und du kannst konkurrenzlos gute Produkte verkaufen – der Preis ist auch 2025 das entscheidende Kaufkriterium. Und den Preis bestimmten schon immer die Big Player. Diese heißen heute Amazon und Temu und kämpfen gerade ihrerseits mit Dumpingpreisen gegeneinander. Die Verlierer in diesem Kampf werden die kleinen und mittleren Händler:innen sein.

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