Bremsen Gesetze den Secondhand-Markt aus?

Veröffentlicht: 04.10.2024
imgAktualisierung: 04.10.2024
Geschrieben von: Corinna Flemming
Lesezeit: ca. 5 Min.
04.10.2024
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Foto von Kleidung
kokoshay / Depositphotos.com
Könnte ein neues Gesetz dem Markt mit gebrauchten Artikeln den Todesstoß versetzen? Die Plattformen sind da geteilter Meinung.


Ich habe in der Vergangenheit bereits öfter darüber geschrieben, dass ich eine aktive Käuferin und Verkäuferin auf verschiedenen Secondhand-Plattformen bin. Seit der Geburt meiner Tochter vor drei Jahren hat sich dies noch einmal verstärkt. Allerdings hat mich in den letzten Monaten ein leises Gefühl beschlichen, dass der Handel über Plattformen wie Kleinanzeigen, Vinted oder Momox etwas stagniert. Als private Verkäuferin habe ich gemerkt, dass Produkte nicht mehr so schnell verkauft werden wie noch vor einigen Jahren. Und auch die Suche nach gebrauchtem Spielzeug oder Secondhand-Kleidung erwies sich in letzter Zeit deutlich schwieriger, die Erfolgsrate, etwas Passendes zu finden, ist erheblich gesunken. Stellt sich die Frage: Habe ich nur diesen Eindruck oder hat sich der Secondhand-Markt in den letzten Jahren tatsächlich zum Negativen hin verändert? Bei den Plattformen selbst gehen die Meinungen dazu stark auseinander.

Kleinanzeigen: Neues Gesetz schmälert den Handel

Ende August hat Kleinanzeigen eine Umfrage veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass der Handel auf dem Marktplatz rückläufig ist. Demzufolge verkauft schon jetzt jeder fünfte Nutzer (10 Prozent) weniger oder sogar gar keine Artikel mehr (9 Prozent) über Secondhand-Plattformen. Grund dafür ist das neue Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG). Das Gesetz ist im Januar 2023 in Kraft getreten und besagt, dass nun auch Erlöse aus privaten Verkäufen über Online-Plattformen ab einer gewissen Schwelle an die Finanzbehörden gemeldet werden. Die Behörden erhoffen sich davon mehr Kontrolle beim Verdacht, dass gewerbliche Verkäufer ihr Business als Privathandel tarnen. Die Meldepflicht verpflichtet Plattform-Betreiber nun auch gesetzlich, solchen Verkäufern künftig besser auf die Spur zu kommen.

Allerdings verunsichert das auch viele private Verkäufer völlig zu Unrecht, wie auch Kleinanzeigen-CEO Paul Heimann betont. „Für die allermeisten Nutzer unserer Plattform könnte der Handel dort einfach weitergehen, wie bisher. Es gibt für sie keinen Grund, verunsichert zu sein, denn sie haben nichts zu befürchten – keine Steuern und in der Regel auch keinen Anruf vom Finanzamt“. Denn private Verkäufe von gebrauchten Waren sind auch weiterhin steuerfrei. Außerdem gelten auch weiterhin steuerliche Freigrenzen, Darunter fällt, dass Plattformbetreiber nur dann verpflichtet sind, die Verkäufe ihrer Nutzer ans Bundeszentralamt für Steuern zu melden, wenn diese eine Anzahl von 30 oder Einkünfte von 2.000 Euro erreichen bzw. überschreiten. „Ganz abgesehen davon müssen ohnehin nur Gewinne versteuert werden. Und die sind beim Verkauf gebrauchter Artikel sehr selten, weil diese im Einkauf meist teurer waren“, so Heimann weiter.

Große Unsicherheit über neue Bestimmungen

Wie aus der Studie der Plattform außerdem hervorgeht, haben über ein Drittel der Befragten (35 Prozent) noch nie von dem Gesetz gehört, während 25 Prozent zwar davon wissen, sich aber nicht näher damit befasst haben. 22 Prozent derjenigen, die das Gesetz kennen, fühlen sich außerdem schlecht informiert. Insgesamt sind über 80 Prozent der Nutzer unsicher, was die neuen Regelungen betrifft, was teilweise dazu führt, dass sie ihre Verkaufsaktivitäten einschränken. Zwar haben 32 Prozent der Studienteilnehmer ihr Verkaufsverhalten noch nicht angepasst, dies liegt aber allen Anschein daran, dass sie das Gesetz bisher noch gar nicht kennen.

Es ist also gut möglich, dass der private Handel mit Gebrauchtwaren noch weiter abnimmt, je bekannter das Gesetz wird. Der Kleinanzeigen-CEO warnt jedoch davor, dass dies negative Auswirkungen auf die Kreislaufwirtschaft haben könnte, wenn Nutzer weniger gebrauchte Artikel verkaufen und diese stattdessen entsorgen.

Momox: Nachhaltigkeit treibt das Geschäft an

Im Gegensatz zu Kleinanzeigen sieht Momox einen deutlichen Aufwärtstrend beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen. Das 2006 in Berlin gegründete Re-Commerce-Unternehmen, welches für den An- und Verkauf von gebrauchten Büchern und Medien bekannt ist, konnte im Bereich des Re-Commerce deutlich wachsen. Trotz des allgemeinen Rückgangs im E-Commerce-Sektor gelang es Momox, den Umsatz im Jahr 2023 auf einen Rekordwert von 347,2 Millionen Euro zu steigern. Die Berliner bearbeiten mittlerweile täglich bis zu 170.000 Artikel, darunter 150.000 Bücher und Medien sowie 20.000 Kleidungsstücke. Seit der Gründung im Jahr 2004 hat das Unternehmen zusammen mit über 33 Millionen Kunden mehr als 400 Millionen Artikel angekauft und weiterverkauft.

Parallel zum Unternehmenswachstum haben sich in den letzten Jahren einige wichtige Trends im Verbraucherverhalten herauskristallisiert, die das Geschäftsmodell von Momox maßgeblich beeinflusst haben. Der wohl bedeutendste Trend ist das steigende Bewusstsein für Nachhaltigkeit, wie uns das Unternehmen auf Nachfrage mitteilte. Immer mehr Menschen hinterfragen ihre Kaufgewohnheiten und setzen auf einen bewussteren und umweltfreundlichen Konsum. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Laut einer von Momox in Auftrag gegebenen Umfrage kaufen bereits 54 Prozent der Deutschen regelmäßig Gebrauchtwaren, und 67 Prozent haben schon einmal Second-Hand-Kleidung oder -Medien gekauft.

Ein weiterer bemerkenswerter Trend ist der Re-Commerce, also der Wiederverkauf von gebrauchten Artikeln. Fast die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) hat bereits gebrauchte Bücher oder Medien verkauft, was einen deutlichen Anstieg von 10 Prozent im Vergleich zu 2021 darstellt.

Einfluss externer Faktoren nimmt zu

Auch externe Faktoren, wie die wirtschaftliche Lage, technologische Veränderungen und gesellschaftliche Trends, haben das Geschäft von Momox signifikant beeinflusst. Die letzten Jahre, geprägt von globalen Herausforderungen wie der Corona-Pandemie und wirtschaftlichen Unsicherheiten, haben das Potenzial und die Relevanz von Secondhand-Plattformen deutlich gemacht. Da viele Menschen ihre Ausgaben reduzieren und bewusster konsumieren, greifen sie verstärkt auf Second-Hand-Optionen zurück, um zu sparen und nachhaltiger zu konsumieren. Beides ist in den letzten Jahren immer mehr ins Bewusstsein der Konsumenten gerückt.

Veränderungen bei den Ankaufsbedingungen: Trugschluss oder Realität?

Mit dem wachsenden Interesse an Secondhand-Plattformen wie Momox oder Vinted steigt nicht nur das Angebot, sondern auch die Konkurrenz. Besonders, was den Ankauf von Büchern und anderen Medien durch Momox angeht, habe ich als aktive Kundin eine deutliche Wende gespürt. Während ich vor einigen Jahren noch jedes Buch für einen relativ guten Preis an das Re-Commerce-Unternehmen weiterverkaufen konnte, sind es heutzutage gerade einmal rund ein Viertel der gescannten Produkte, die überhaupt von der Plattform angenommen werden. Zudem befinden sich die angebotenen Preise nur noch im Centbereich, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu früheren Jahren.

Auf Nachfrage erklärt Momox allerdings, dass sich die Annahmebedingungen für Bücher und Medien nicht geändert haben. „Generell wird der Ankauf von Artikeln durch die Nachfrage reguliert. Durch die langjährige Erfahrung und den Betrieb eigener Onlineshops kann Momox genau nachvollziehen, welche Produkte aktuell besonders gefragt sind, und steuert den Ankauf entsprechend“, so das Unternehmen. Für Kleidung, Schuhe und Accessoires haben sich die Bedingungen allerdings tatsächlich 2023 geändert. Seitdem werden nur noch Artikel im „guten“ oder „sehr guten“ Zustand angekauft. Momox will seinen Kunden ein hochwertiges und relevantes Sortiment bieten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das der Trend hin zu Secondhand zwar weiter nach oben geht – getrieben unter anderem durch den Nachhaltigkeitsgedanken und der Kostensensibilität der Verbraucher – neue Verordnungen wie das Plattformen-Steuertransparenzgesetz die Nutzer aber gleichzeitig verunsichert. Hier ist die Politik gefordert, klare Regelungen für den privaten und gewerblichen Verkauf festzulegen und diese auch deutlich und für alle verständlich zu kommunizieren.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 04.10.2024
img Letzte Aktualisierung: 04.10.2024
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Corinna Flemming

Corinna Flemming

Expertin für Internationales

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