Wer handeln will, muss nett sein – So rau ist das Klima auf Marktplätzen

Veröffentlicht: 11.09.2024
imgAktualisierung: 11.09.2024
Geschrieben von: Corinna Flemming
Lesezeit: ca. 5 Min.
11.09.2024
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ca. 5 Min.
2 Frauen schreien sich an
SIphotography / Depositphotos.com
Der anonymisierte Raum des Internets lässt viel Platz für Hass und Beleidigungen. Leider nehmen diese auch auf Marktplätzen und Secondhand-Plattformen immer mehr zu.


Na, wurdest du im Internet auch schon einmal wüst beschimpft und wusstest eigentlich gar nicht so recht, warum? Leider ist das trauriger Alltag. Der Hass aus Social Media und in einschlägigen Kommentarspalten scheint keine Grenzen zu kennen, denn der anonyme Raum des Internets wiegt viele User in Sicherheit, ganz ungefiltert und ohne auch nur einen Funken Verstand, ihre Meinungen kundzutun. Ob diese Personen im wahren Leben die gleichen Äußerungen auf diese Art und Weise tätigen würden, ohne sich dabei hinter einer digitalen Fassade verstecken zu können, ist zu bezweifeln. 

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Aber nicht nur auf Social Media, das ja rein für den Zweck des gegenseitigen Austauschs geschaffen wurden, hagelt es Hass und Beleidigungen. Auch auf Marktplätzen oder Secondhand-Portalen scheint der Ton in den letzten Jahren immer rauer geworden zu sein. Schimpfwörter fliegen hier aus den banalsten Gründen: Wenn ein Artikel schon von einem anderen Nutzer reserviert wurde, wird einem das schnell mit einem „Schlampe“ quittiert. Erhalten Interessenten zehn Minuten nach ihrer Anfrage noch immer keine Antwort, folgt ein unschönes „Dann f*** dich doch und behalte deinen Scheiß“.

Das sind wahre Konversationen, die genau so in meinem Postfach bei verschiedenen Portalen stattgefunden haben. Natürlich geht es nicht immer so knallhart zu. Viele Nachrichten versprühen auch mit deutlich weniger Hass eine gewisse Aggression. Wenn zum Beispiel auf eine Nachfrage ein genervtes „DAS HABE ICH DIR DOCH SCHON GESAGT“ folgt – natürlich alles in Großbuchstaben, um seinen Ton dahinter noch einmal zu verdeutlichen. Beispiele solcher und ähnlicher Konversationen gibt es reihenweise im Internet:

Plattformen müssen Meldefunktion anbieten

Solche Äußerungen sind natürlich völlig unangemessen und haben weder bei privaten noch bei gewerblichen Verkäufen irgendetwas zu suchen. Verbraucher müssen sich ein derartiges Verhalten auch nicht gefallen lassen, denn durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) sind Plattformen dazu verpflichtet, eine entsprechende Meldestelle einzurichten, auf der Nutzer illegale oder unangemessene Inhalte melden können. Die Plattform muss laut dem Gesetz dieser Meldung dann nachgehen und den Inhalt löschen, wenn er gegen das Gesetz verstößt. Bei Verstößen gegen die Vorgaben des Digitale-Dienste-Gesetzes droht den Plattformen ein Bußgeld.

Kleinanzeigen beispielsweise stellt seinen Nutzern eine entsprechende Hilfeseite zur Verfügung und schreibt dazu: „Wenn du Kontakt mit einem Nutzer hast, der sich nicht angemessen verhält oder ausfallend wird, ist es wichtig, dass du Maßnahmen ergreifst. In jeder ersten E-Mail, die du von einem Interessenten bekommst, findest du einen direkten Link zum Melden von Spam oder Ähnlichem.“ User haben außerdem die Möglichkeit, einen Kontakt direkt zu blockieren, um keine Nachrichten mehr zu erhalten oder ihn direkt bei Kleinanzeigen zu melden. „Wenn wir vermehrt Meldungen zu einem Nutzer erhalten, können wir innerhalb unseres Marktplatzes Maßnahmen ergreifen“, so das Portal dazu.

Die meisten weniger erfreulichen Nachrichten habe ich persönlich aber bei Vinted bekommen. Wenn es um Mode geht, scheinen viele Nutzer keinen Spaß zu verstehen. Die Secondhand-Fashion-Community hat zu diesem Thema auch eine ausführliche Seite zusammengestellt und erklärt darin ganz genau, wie andere Mitglieder blockiert oder gemeldet werden können. Wie Vinted mit gemeldeten Usern umgeht, schreibt das Portal allerdings nicht.

Lediglich heißt es: „Nachdem du ein Mitglied oder einen Inhalt gemeldet hast, werden wir uns den Fall genau ansehen und dich anschließend darüber informieren, welche Maßnahmen wir ergreifen werden.“ Ich habe diese Funktion bereits einige Male benutzt, leider konnten die Mitglieder trotz unangemessener Nachrichten weiter auf der Plattform handeln.

Scharf formulierte Kritik oder Beleidigung?

Natürlich kann auch außerhalb der Marktplätze gegen Beleidigungen oder Ähnliches vorgegangen werden. Unabhängig davon, ob man das Mitglied bei der entsprechenden Plattform meldet, lässt sich auch einfach Anzeige bei der Polizei erstatten. Das geht in vielen Fällen bei solch kleineren Delikten auch online. Allerdings muss hier natürlich konkret nachgewiesen werden, dass es sich tatsächlich um eine Beleidigung handelt, und das ist nicht immer ganz einfach.

„Wie so oft in der Juristerei ist auch die Frage, ob eine Beleidigung vorliegt, immer einzelfallabhängig“, erklärt Hanna Hillnhütter, Volljuristin beim Händlerbund. „Eine Beleidigung ist eine Aussage, die die Missachtung einer Person zum Ausdruck bringen soll. Die Abgrenzung von scharf formulierter Kritik zu einer Beleidigung ist aber nicht immer eindeutig. So hat das Bundesverfassungsgericht 2012 entschieden, dass eine strafbare Schmähkritik dann vorliegt, wenn bei einer Äußerung nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung einer Person im Vordergrund steht.“

Lautet eine Bewertung also: „Dieser Online-Shop scheint nicht gut organisiert zu sein, mir wurden zweimal die falschen Produkte zugesendet, was wirklich nervig und ärgerlich war“, dann setzt sie sich mit der Sache an sich auseinander und ist nicht strafbar. Würde die Formulierung allerdings lauten: „In diesem Shop arbeiten wirklich nur Trottel, die absolut verblödet sind und nichts auf die Reihe bekommen. Diese Idioten haben mir zweimal die falschen Produkte zugesendet!“ wäre der Straftatbestand der Beleidigung wohl erfüllt. Da auch klassische Schimpfwörter von der Rechtsprechung bereits regelmäßig als Beleidigung angesehen wurden, sollten verärgerte Nutzer wohl immer erst überlegen, bevor etwas Unüberlegtes geschrieben und verschickt wird.

Für Beleidigungen in den Knast?

Kommt eine unüberlegte Aussage tatsächlich zur Anzeige, kann dies dem Täter teuer zu stehen kommen. „Das Strafgesetzbuch sieht bei einem Straftatbestand der Beleidigung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor“, erläutert Hillnhütter die möglichen Konsequenzen. Allerdings wird die Freiheitsstrafe in diesem Fall als Obergrenze angesehen und nur in den absoluten Ausnahmefällen verhängt, in der Regel bleibt es also bei einer Geldstrafe.

Bleibt also nur noch zu erklären, wie erfolgversprechend solche Anzeigen im meist so anonymen Internet tatsächlich sind? „Gerade, wenn eine Beleidigung schriftlich und mit Klarnamen getätigt wurde, sind die Erfolgschancen nicht schlecht, da mit Screenshots relativ einfach ein Beweis vorgelegt werden kann“, so Hillnhütter zu den Möglichkeiten, gegen die Täter vorzugehen.

Abschließend lässt sich nur sagen, dass jeder einzelne vor dem Senden einer Nachricht einmal kurz in sich gehen und fragen sollte, ob das Schimpfwort, was man gerade verschicken will, tatsächlich nötig und gerechtfertigt ist. Und die Antwort lautet in jedem Fall: Nein! Schließlich sitzt am anderen Ende auch nur ein Mensch, der es verdient hat, mit Respekt behandelt zu werden. Dieser geht besonders im Internet leider häufig verloren und wir alle können unseren Beitrag dazu leisten, höflich und mit dem nötigen Anstand miteinander umzugehen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 11.09.2024
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Corinna Flemming

Corinna Flemming

Expertin für Internationales

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