„Service vor Produkten“ – so gewinnt man im Wettbewerb mit Billiganbietern

Veröffentlicht: 06.05.2025
imgAktualisierung: 06.05.2025
Geschrieben von: Ricarda Eichler
Lesezeit: ca. 5 Min.
06.05.2025
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ca. 5 Min.
Farbige Buchstaben zeigen das Logo Ebay während des Ebay on Tour-Stopps 2025 in Leipzig.
Ebay
Beim Seller-Event Ebay on Tour sprachen wir mit Andreas Häntsch über den Konkurrenzdruck aus China und Social Commerce.


Im Rahmen vom Ebay-on-Tour-Stopp in Leipzig durften wir mit Andreas Häntsch, Senior Director Seller Engagement bei Ebay, sprechen. Wie die vorhandenen KI-Tools in der Praxis angenommen werden und welche spannenden Neuerungen noch in diesem Jahr zu erwarten sind, erfahrt ihr hier. 

KI unterstützt vor allem kleine Shops

OnlinehändlerNews: Wie werden die bisher vorhandenen KI-Tools von Sellern angenommen? Führt ihr Statistiken darüber, welche Funktionen besonders viel beziehungsweise weniger genutzt werden?

Andreas Häntsch: Nein, derartige Statistiken führen wir nicht. Was wir aber erfasst haben, ist, dass bereits über 10 Millionen Verkäufer:innen weltweit unsere KI-Funktionen genutzt und damit weit über 100 Millionen Angebote erstellt haben. Mittels dieser konnte ein Bruttowarenvolumen (GMV) in Milliardenhöhe generiert werden.

Genutzt wird unsere automatisierte Angebotserstellung mit KI dabei vor allem von kleineren Händler:innen und Privatpersonen. Das Tool erlaubt es, mit nur einem Bild oder ein paar Keywords eine ganze Artikelbeschreibung mit allem drum und dran zu generieren. Für Einzelpersonen stellt das natürlich eine massive Zeitersparnis dar.

Größere Seller, die ihre Angebote vor allem über einen Drittanbieter auf den Marktplatz einspeisen, nutzen üblicherweise deren angebundenes ERP-System und etwaige KI-Tools. Da wäre der Schritt über unsere KI-Angebotserstellung tatsächlich vielleicht eher unpraktisch.

Aber auch hier ziehen wir nach: Man kann bei unserem Tool mittlerweile einen Bulk-Upload nutzen. Hier lassen sich beispielsweise 100 Bilder auf einmal hochladen und entsprechende Listings erstellen. Aber auch das spricht vermutlich weiterhin eher die kleinen und mittelständischen Händler:innen an.

Parken statt Löschen: So geht Ebay mit strittigen Listings um

Wie viel Entscheidungsmacht hat KI bei der Moderation vermeintlich inhaltlicher Verstöße? Wie können sich Händler:innen gegen derartige Entscheidungen zur Wehr setzen?

Natürlich liegt es zuerst einmal stets in der Verantwortung der Händler:innen, die Angebote, auch solche, die durch KI erstellt wurden, sauber zu prüfen. Die KI kann zwar den kreativen Output übernehmen, aber ob die Inhalte so korrekt sind oder rechtliche Fallstricke vorliegen, liegt schlussendlich in der Verantwortung der Menschen.

Bei der Prüfung von Inhalten arbeiten wir mit einer Mischung aus KI und menschlichen Mitarbeitenden. Wichtig ist dabei, zu betonen, dass es natürlich auch nicht in unserem Interesse ist, Artikel fälschlich zu sperren. Der Worst-Case für alle ist ein fälschlich gelöschter Artikel, denn damit geht auch dessen gesamte Verkaufshistorie verloren.

Daher bieten wir hier mit der „On Hold“-Funktion eine zusätzliche Sicherheit an. Artikel, bei denen es gerade offene Fragen gibt, werden über diese zunächst zwischengeparkt, bis eine finale Entscheidung gefällt wird. Wenn die Sperrung irrtümlich war, kann das Listing direkt wieder online gehen, ohne Verluste oder eine aufwendige Neulistung.

Kommt Ebay Live nach Deutschland?

Der Hype um Social-Commerce kommt zunehmend auch in Deutschland an. Was plant ihr zukünftig, um diesen Trend zu bedienen?

Neben Meta haben wir auch mit diversen anderen sozialen Netzwerken aktive Partnerschaften. Mittels dieser können Händler:innen ihre Listings verknüpfen und über die Netzwerke teilen. Das lässt sich sogar automatisieren und bietet eine tolle Möglichkeit, um auf Angebote aufmerksam zu machen.

Ein weiterer wichtiger Trend, an dem wir nicht vorbeikommen, ist natürlich Live-Shopping. In den USA sind wir 2022 mit „Ebay Live“ als Beta-Test gestartet. Über eine Unterseite von ebay.com lassen sich hier verschiedene Live-Shows sehen, gezeigte Produkte direkt kaufen. Vor allem beratungsintensive Produkte aus den Kategorien Sammlerstücke, Luxus oder Mode laufen hier gut.

Natürlich schauen wir uns auch die Optionen für Ebay Live auf dem deutschen Markt an. (Anmerkung der Redaktion: Eine aktuelle Ausschreibung, in welcher ein General Manager Live-Shopping gesucht wird, lässt hier Mutmaßungen über zeitnahe weitere Entwicklungen zu.)

Wie funktioniert Ebay Live? Kann hier jeder verkaufen oder gibt es durch Ebay moderierte Inhalte?

Andreas Häntsch / Ebay In den USA funktioniert es bisher so, dass sich Verkäufer:innen einfach dafür anmelden können und starten. Natürlich wird darauf geachtet, dass keine rechtswidrigen oder diskriminierenden Inhalte veröffentlicht werden. Aber Ebay tritt dabei selbst nicht als Akteur auf oder produziert Studioinhalte für Shops.

Perspektivisch könnten also auch Privatpersonen Live-Shopping anbieten. Das könnte völlig neue Möglichkeiten eröffnen, wenn man daheim den Kleiderschrank ausmistet. Wie konkret wir das Ganze in Deutschland umsetzen, müssen wir derzeit noch klären.

Service im Fokus: So setzt man sich gegen China-Shops durch

Wie nehmt ihr die Konkurrenz durch Temu und Shein wahr? Empfindet ihr diese als Bedrohung für Ebay?

Deutschland ist ein Land der Marktplätze. Wir haben hier grob geschätzt rund 200 relevante Marktplätze – zwei weitere machen da erstmal keinen zu großen Unterschied. Allerdings bin ich großer Verfechter eines „Level Playing Field“ – also gleicher und fairer Bedingungen für alle. Und da ist es leider so, dass ein Großteil der Regeln, die für die 200 Marktplätze gelten, für diese beiden nicht zu gelten scheinen.

Ich schaue hier gerne mit zwei Augen drauf: Einerseits konzentrieren wir uns natürlich vorrangig auf unsere eigenen Stärken. Andererseits wünscht man sich natürlich schon, dass seitens der Politik stärker interveniert wird.

Auch direkt auf Ebay verkaufen ja viele chinesische Shops. Was können hiesige Händler:innen tun, um ihre Angebote hier sinnvoll zu differenzieren?

Wir bieten Händler:innen zahlreiche Möglichkeiten zur Selbstvermarktung über Shop-Templates oder Angebots-Templates. Da gilt es, sich vor allem selbst als Unternehmen darzustellen und von der Masse anonymer Anbieter abzuheben.

Noch wichtiger sehe ich aber die Differenzierung durch eine exzellente User-Experience. Und da bin ich generell Optimist: Ich vertraue darauf, dass Verbraucher:innen am Ende merken, wo sie eine gute User-Experience erhalten und wo eben nicht.

Gerade da es ja auch mitnichten so ist, dass aus China nur Schrott kommt, sollte man sich also nicht darauf verlassen, nur über seine Produkte punkten zu können. Stattdessen sollte die Kundschaft merken, dass lokale Unternehmen den besseren Service bieten können. Hier sind deutsche Seller mit schnellem Versand, kostenlosem Rückversand und direkter Kommunikation im Vorteil. Gerade bei höherpreisigen Artikeln überlegen Verbraucher:innen dann vielleicht zweimal, ob sie diese bei Nichtgefallen am Ende nach China zurücksenden wollen, oder eben doch nur nach Deutschland.

Daher ist unser Rat vor allem: Anstatt euch auf Temu und Co. zu konzentrieren, schaut auf eure Stärken. Zeigt der Kundschaft, warum es sinnvoll ist, bei euch drei bis vier Euro mehr auszugeben. Nur so gewinnt man auf lange Sicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Veröffentlicht: 06.05.2025
img Letzte Aktualisierung: 06.05.2025
Lesezeit: ca. 5 Min.
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Ricarda Eichler

Ricarda Eichler

Expertin für Nachhaltigkeit

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