Temu und Shein kamen quasi aus dem Nichts und sind heute die am schnellsten wachsenden E-Commerce-Anbieter weltweit. Auch die deutsche Kundschaft hat offenbar eine Schwäche für die Billiganbieter, sonst würden allein Temu nicht bereits über 16 Millionen Deutsche nutzen. Der Aufstieg vor allem dieses Billigmarktplatzes stößt vielen aber auch sauer auf. Kleine Online-Händler:innen können unmöglich mit den Preisen mithalten, die Konkurrenz beginnt schon, das Konzept von Temu frech zu kopieren und nicht zuletzt bei Politik und Behörden schrillen die Alarmglocken.
Temu ist das neue Lieblingsziel der EU-Kommission – sowohl der bisherigen, die etwa ein Verfahren wegen gefährlicher Produkte und manipulativer Werbepraktiken eröffnet hat. Als auch der neu eingesetzten Kommission, die bereits fleißig Pläne schmiedet, um Temu unter Kontrolle zu bringen. Es ist ein hehres Ziel, dem Emporkömmling mit seinen billigen, teilweise gefährlichen Produkten und seinen aggressiven Marketing- und Kundenbindungsmaßnahmen das Leben schwer zu machen. Das Problem: Die EU-Kommission schießt mit Kanonen auf Spatzen, denn alle bisher eingeleiteten und künftig geplanten Schritte treffen Temu am Ende kaum, setzen dafür aber die Konkurrenz innerhalb der EU unter Druck.
Der Zoll ist doch an der Grenze
2028 soll die Zollfreigrenze von 150 Euro fallen. Das heißt, dass dann alle Pakete verzollt werden müssen, nicht nur die teuren. Damit soll die Preispolitik von Temu ins Visier genommen und außerdem die Einfuhr potenziell gefährlicher Produkte eingedämmt werden. Das ist gut gemeint, wird aber nicht funktionieren. Wenn Temu wegen der Zollgebühren ein paar Prozent auf ein ohnehin spottbilliges Produkt drauflegt, wird es qualitativ immer noch minderwertig und vor allem preislich immer noch unter allem sein, was hiesige Händler:innen mit gesundem Menschenverstand anbieten können.
Viel wichtiger aber in diesem Zusammenhang: Wer soll das alles kontrollieren? Die Zöllner:innen, die tagtäglich damit beschäftigt sind, Pakete zu kontrollieren, sind jetzt schon am Limit. Ab 2028 müsste theoretisch alles kontrolliert werden. Bei den Paketmengen, die täglich über deutsche und europäische Grenzen kommen, ist das gar nicht schaffbar. Auch eine zusätzliche Zollgebühr für Nicht-EU-Einfuhren, die diskutiert wird, wird Temu nicht abschrecken – genauso wenig wie die Millionen Kund:innen, die den Marktplatz nutzen.
Wen trifft eine Steuer, wenn nicht kleine Händler:innen?
Der weitaus schwerwiegendere Schuss in den Ofen ist aber der Plan der EU-Kommission, eine neue Steuer auf Online-Shops einzuführen. „Man könnte meinen, dass einige Leute in der EU Kommission den Bezug zur Realität verloren haben. Um Temu und Shein und die noch kommenden Billiganbieter in den Griff zu bekommen muss man die hiesigen Onlinehändler unterstützen und nicht mit bestrafen“, schreibt etwa der Nutzer Richard P. auf die entsprechende Meldung und trifft damit ziemlich genau den vorherrschenden Ton des Feedbacks auf die Pläne.
Wie auch bei den Zollgebühren wird eine zusätzliche Steuer Temu (und hier kann man durchaus Amazon und die weiteren Big Player mit einschließen) nicht einmal kratzen. Im schlimmsten Fall müssen wieder ein paar Cent auf Ramschware draufgeschlagen werden. Ob ein T-Shirt 69 Cent oder 83 Cent kostet, ist der Kundschaft herzlich egal – billig bleibt billig.
Treffen würde eine solche Steuer ausschließlich kleine und mittlere Händler:innen, die im Konkurrenzkampf mit den Big Playern und Billiganbietern sowieso im Nachteil sind.
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