Steuern auf Online-Shops schaden nicht Temu, sondern hiesigen Händlern

Veröffentlicht: 06.12.2024
imgAktualisierung: 06.12.2024
Geschrieben von: Christoph Pech
Lesezeit: ca. 3 Min.
06.12.2024
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meikesen / Depositphotos.com
Die EU will Temu Einhalt gebieten, aber alle bisher aufgezeigten Wege schaden nicht Temu, sondern vor allem den Händlern hier.


Temu und Shein kamen quasi aus dem Nichts und sind heute die am schnellsten wachsenden E-Commerce-Anbieter weltweit. Auch die deutsche Kundschaft hat offenbar eine Schwäche für die Billiganbieter, sonst würden allein Temu nicht bereits über 16 Millionen Deutsche nutzen. Der Aufstieg vor allem dieses Billigmarktplatzes stößt vielen aber auch sauer auf. Kleine Online-Händler:innen können unmöglich mit den Preisen mithalten, die Konkurrenz beginnt schon, das Konzept von Temu frech zu kopieren und nicht zuletzt bei Politik und Behörden schrillen die Alarmglocken.

Temu ist das neue Lieblingsziel der EU-Kommission – sowohl der bisherigen, die etwa ein Verfahren wegen gefährlicher Produkte und manipulativer Werbepraktiken eröffnet hat. Als auch der neu eingesetzten Kommission, die bereits fleißig Pläne schmiedet, um Temu unter Kontrolle zu bringen. Es ist ein hehres Ziel, dem Emporkömmling mit seinen billigen, teilweise gefährlichen Produkten und seinen aggressiven Marketing- und Kundenbindungsmaßnahmen das Leben schwer zu machen. Das Problem: Die EU-Kommission schießt mit Kanonen auf Spatzen, denn alle bisher eingeleiteten und künftig geplanten Schritte treffen Temu am Ende kaum, setzen dafür aber die Konkurrenz innerhalb der EU unter Druck.

Der Zoll ist doch an der Grenze

2028 soll die Zollfreigrenze von 150 Euro fallen. Das heißt, dass dann alle Pakete verzollt werden müssen, nicht nur die teuren. Damit soll die Preispolitik von Temu ins Visier genommen und außerdem die Einfuhr potenziell gefährlicher Produkte eingedämmt werden. Das ist gut gemeint, wird aber nicht funktionieren. Wenn Temu wegen der Zollgebühren ein paar Prozent auf ein ohnehin spottbilliges Produkt drauflegt, wird es qualitativ immer noch minderwertig und vor allem preislich immer noch unter allem sein, was hiesige Händler:innen mit gesundem Menschenverstand anbieten können.

Viel wichtiger aber in diesem Zusammenhang: Wer soll das alles kontrollieren? Die Zöllner:innen, die tagtäglich damit beschäftigt sind, Pakete zu kontrollieren, sind jetzt schon am Limit. Ab 2028 müsste theoretisch alles kontrolliert werden. Bei den Paketmengen, die täglich über deutsche und europäische Grenzen kommen, ist das gar nicht schaffbar. Auch eine zusätzliche Zollgebühr für Nicht-EU-Einfuhren, die diskutiert wird, wird Temu nicht abschrecken – genauso wenig wie die Millionen Kund:innen, die den Marktplatz nutzen.

Wen trifft eine Steuer, wenn nicht kleine Händler:innen?

Der weitaus schwerwiegendere Schuss in den Ofen ist aber der Plan der EU-Kommission, eine neue Steuer auf Online-Shops einzuführen. „Man könnte meinen, dass einige Leute in der EU Kommission den Bezug zur Realität verloren haben. Um Temu und Shein und die noch kommenden Billiganbieter in den Griff zu bekommen muss man die hiesigen Onlinehändler unterstützen und nicht mit bestrafen“, schreibt etwa der Nutzer Richard P. auf die entsprechende Meldung und trifft damit ziemlich genau den vorherrschenden Ton des Feedbacks auf die Pläne.

Wie auch bei den Zollgebühren wird eine zusätzliche Steuer Temu (und hier kann man durchaus Amazon und die weiteren Big Player mit einschließen) nicht einmal kratzen. Im schlimmsten Fall müssen wieder ein paar Cent auf Ramschware draufgeschlagen werden. Ob ein T-Shirt 69 Cent oder 83 Cent kostet, ist der Kundschaft herzlich egal – billig bleibt billig.

Treffen würde eine solche Steuer ausschließlich kleine und mittlere Händler:innen, die im Konkurrenzkampf mit den Big Playern und Billiganbietern sowieso im Nachteil sind.

Gegen die Großen, nicht gegen die Kleinen

Immerhin: Derzeit sprechen wir über Pläne, Gespräche, Diskussionen. Und dass solche Ideen tatsächlich von den EU-Mitgliedstaaten mitgetragen werden, darf zumindest in Zweifel gezogen werden. Dennoch zeigt sich einmal mehr, dass die EU in ihrem Vorgehen gegen fragwürdige und/oder große Plattformen zu kurzsichtig agiert. Eine Steuer auf Marktplätze wäre zum Beispiel etwas völlig anderes. Oder eine eingeplante Grenze, ab welcher Größe eine Steuer gezahlt werden muss, ähnlich wie es im Digital Markets Act verankert ist, der sich vor allem auf große Tech-Unternehmen konzentriert. 

So wird immer noch nicht verhindert, dass die Großen noch größer werden, aber zumindest leiden die KMU weniger darunter. Darüber hinaus braucht es dennoch wirksame Mechanismen, um die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Anbieter auch künftig zu gewährleisten – und hier ist die EU gefragt, wirksam durchzugreifen und nicht nur den heißen Stein zu beträufeln.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 06.12.2024
img Letzte Aktualisierung: 06.12.2024
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Christoph Pech

Christoph Pech

Experte für Digital Tech

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1 Kommentare
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Ralf
09.12.2024

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Meine Meinung. Es einfach belassen und die Freie Marktwirtschaft seinen Lauf lassen. Gegen Temu dann eine empfindliche Strafe verhängen, wenn ein Produkt gegen die Sicherheit verstößt. Das sollte dann möglich sein, wenn der Zoll nur stichprobenartig kontrolliert und dabei ein solches Produkt, welches bei Temu bestellt worden ist, findet. Somit wäre dieser Punkt abgehakt. Was die Billigpreise angeht, da fährt Amazon mit der Chinaware auf der gleichen Schiene. Für die KMUs ist es was das angeht irrelevant. Hingegen wenn Temu im Spiel bleibt, haben die KMUs die Möglichkeit auch dort zu verkaufen, was den Erpressungsdruck und der Marktmacht von Amazon etwas Luft nehmen würde und zu einem besseren Wettbewerb führen würde, was dann auch den KMU´s zu gute kommt. Denn wenn Temu wegfällt, kann Amazon tun und lassen was es will und für die KMUs ändert sich ennoch nichts in Sachen China Billigramsch. Auch ein Land wie China kann nicht für immer mit so billigpreisen kommen, da das Pro-Kopf einkommen steigt und somit auch irgendwann die Produktionskosten. Zudem könnte das Problem weiter entspannt werden, wenn China in der Postunion nicht mehr als Entwicklungsland gilt. Eine Nation die Raumstationen baut und schon die erste Marslandung plant und in der Medizin Europa voraus ist, kann einfach kein Entwicklungsland mehr sein. Zumal sich China sogar leistet, Sendungen die die ins Ausland gehen, nicht nur kostenlos sondern noch einen kleinen Obulus oben drauf gibt. Könnte Deutschland oder irgendein EU-Land sich das leisten, wenn ich als Händler für jedes Paket das ich in die Schweiz oder USA schicke, die vollen Versandkosten erstattet bekomme und dann noch 50 Cent oder nen Euro zusätzlich vom Staat ausbezahlt bekomme? Das kann wohl nur ein reiches Land und kein Entwicklungsland. Das letztere kann wohl schwer vermeiden, aber die Frage welche Stellung China in der Postunion hat, das könnte man regeln.