Viele Unternehmerinnen und Unternehmer stecken ihr Herzblut in das eigene Unternehmen. Aber nur, weil man seine eigene Firma mühsam aufgebaut hat, ist man nicht automatisch auf alle Ewigkeiten daran gebunden. Regelmäßig stehen Unternehmerinnen und Unternehmer vor der Entscheidung, das eigene Unternehmen abzugeben. Im Jahr 2018 wurden nach Angaben des Portals „Die Deutsche Wirtschaft“ beispielsweise 737 Unternehmensverkäufe verzeichnet – ein Rekordwert, wie das Magazin meldet. Im Schnitt wechseln also etwa zwei Unternehmen pro Tag den Besitzer. Aktuell liegt vor allem auch der Aufkauf von Amazon-Händlern im Trend.
Von Absicherung bis Überforderung: Das sind die Gründe für einen Verkauf
Doch warum sollte jemand, der mit Blut, Schweiß und Tränen ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat, einen Verkauf anstreben? Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Timo Bock, Berater bei dem Unternehmensbroker Dragonflip erklärt. „Viele möchten einen Teil des in der Firma aufgebauten Vermögens vor unternehmerischen Risiken absichern und in den privaten Besitz überführen, andere möchten sich auf neue Aufgaben fokussieren und in einigen Fällen sind es auch gesundheitliche Aspekte, die eine Rolle spielen“, führt Bock weiter aus.
Auch Peter Höschl, E-Commerce-Experte und Betreiber von Shopanbieter.de, spricht von ganz unterschiedlichen Gründen für einen Unternehmensverkauf: Altersnachfolge spiele eine Rolle, aber auch die Situation der Gründer komme häufig zum Tragen. „Gründer haben das Unternehmen in harter Arbeit aufgebaut, sind jetzt aber ausgebrannt und möchten etwas Neues machen. Oder das Unternehmen erreicht einen Reifegrad, bei dem professionelle Strukturen und mehr Personal notwendig sind – darauf haben manche Gründer keine Lust, weil sie sich mehr als Gründer und weniger als Unternehmer verstehen.“
Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen der Inhaber einen erhöhten Liquiditätsbedarf für den Lagerbestand entwickelt und dieses finanzielle Risiko nicht eingehen will. Bei starkem Wachstum komme es mitunter auch dazu, dass Gründer den Überblick verlieren und das Unternehmen ihnen „über den Kopf“ wachse, so Höschl. Und dann gibt es natürlich noch den entgegengesetzten Fall: Umsatz und Gewinn des Unternehmens gehen zurück, der Wettbewerbsdruck ist stark. Mit dem Verkauf des Unternehmens zieht der Inhaber sich aus dem Geschäft zurück.
Die Zahlen müssen stimmen
Doch mit der Entscheidung, das eigene Unternehmen zu verkaufen, ist nur der erste Schritt einer weiten Reise gemacht. Natürlich kann ein Unternehmen nicht einfach auf einem Kleinanzeigenportal zum Verkauf angeboten werden, Geld wechselt fix den Besitzer und die Sache ist erledigt. Die Vorbereitung für den Verkauf erfordert einige Zeit. „Steuerliche Überlegungen sollten so früh wie möglich mit dem Steuerberater besprochen werden“, betont Timo Bock von Dragonflip. Im Idealfall sollte bereits bei der Gründung ein möglicher Verkauf eingeplant werden, um im Fall der Fälle vorbereitet zu sein. Denn die Steuerspanne beim Verkauf ist durchaus beachtlich, wie Bock weiter ausführt: „Je nach Gestaltung fällt die Steuer auf den Verkauf zwischen 1,5 Prozent und 48 Prozent aus.“
Bei der Transaktion müssen vor allem die Zahlen stimmen. „Eine saubere und vor allem aktuelle Buchhaltung sollte selbstverständlich sein“, so Bock. Das sei vor allem wichtig, wenn der potenzielle Käufer eine Bankenfinanzierung benötigt – ohne ordentliche Zahlengrundlage kann sonst die Finanzierungszusage ausbleiben. Peter Höschl von Shopanbieter.de kann dem nur beipflichten: Dass die eigene Buchhaltung nicht gut aufbereitet und gepflegt ist, sei eine der größten Hürden beim Verkauf eines Unternehmens, weiß er aus Erfahrung. Kostenstellen sollten unbedingt sauber getrennt sein und wenn bei einem Unternehmen mit Online- und Stationärgeschäft beispielsweise nur ein Unternehmenssegment veräußert werden soll, sind vermischte Zahlen der absolute Super-GAU.
Darüber hinaus lassen sich unangenehme Überraschungen vermeiden, wenn die Buchhaltung ordentlich gepflegt ist und das Zahlenmaterial gut aufbereitet vorliegt. Wer den Überblick verloren hat, wird eventuell durch unerwartete Belastungen beim Verkauf überrumpelt. Das kann die Transaktion auch für den Käufer des Unternehmens zur Tortur machen.
So wird der Unternehmenswert berechnet
Für viele Unternehmer dürfte eine Frage zentral sein: Wie viel ist mein Unternehmen eigentlich wert? In der Regel wird hier eine zunächst einfach aussehende Formel herangezogen:
Kaufpreis = Basisgröße × Multiplikator
Die Basisgröße ist dabei ein Wert wie beispielsweise das Ebit (earnings before interest and taxes = Gewinn vor Zinsen und Steuern), das Ebitda (earnings before interest, taxes, depreciation and amortization = Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände), der Umsatz oder auch der Cashflow. Das bereinigte und gewichtete Ebit bzw. Ebitda wird nach Angaben von Peter Höschl und Timo Bock häufig verwendet.
Bei dem Multiplikator, auch mit dem englischen Begriff Multiple bezeichnet, handelt es sich um einen Koeffizienten, der keine berechnete Variable, sondern ein Erfahrungswert aus der Praxis ist.
Um Händlern die Berechnung des Unternehmenswertes zu erleichtern, gibt es hilfreiche Tools im Netz. Auch Shopanbieter.de und Dragonflip bieten eigene Tools, die über die Abfrage weniger Daten den potenziellen Unternehmenswert ermitteln.
Unternehmensverkauf: Share Deal oder Asset Deal?
Beim Verkauf des Unternehmens gibt es dann zwei Möglichkeiten, über die sich der Verkäufer Gedanken machen sollte. Denn sie beeinflussen, was genau der Verkauf überhaupt umfasst. So werden bei einem sogenannten Share Deal die Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert, bei einem Asset Deal dagegen Vermögensgegenstände wie beispielsweise die Marke.
Für Online-Händler, die über Amazon verkaufen, gibt es zudem einen weiteren wichtigen Aspekt zu beachten: „Bei einem Share Deal bleiben alle Verträge erhalten und somit auch der Amazon Account“, erklärt Timo Bock von Dragonflip. Das sei mittlerweile auch bei einem Asset Deal möglich – dafür gibt es einen Übertragungsvertrag.
Peter Höschl zufolge umfasst der Verkauf eines Unternehmens in der Regel diese Punkte:
- Umsatz und Erlöse, Domains sowie Traffic
- Kundendaten und -beziehungen, sofern rechtlich erlaubt
- Warenbestand
- Lieferanten- und Dienstleisterkontakte
- Lizenzen für Shopsoftware, Warenwirtschaft etc.
- Portalkonten bzw. Zugänge dazu
- Rechte, Patente, Gebrauchsmuster
- Technische und inhaltliche Aufbauleistung
- Aufbauleistung für Marketing
- Content, Beschreibungen, Bilder
- Geschäftsausstattung und IT
- Know-how, Training-on-the-job
Manche Verkäufe dauern ein Jahr
Der Verkauf an sich kann je nach Unternehmensgröße zwischen sechs Wochen und sechs Monaten dauern, weiß Höschl. Das hänge stark von verschiedenen Faktoren ab, in der Regel spiele die Unternehmensgröße aber eine wichtige Rolle. „Kleine Shops verkaufen sich schneller, größere Shops dauern länger. Ein Verkaufsprozess kann bei großen Unternehmen aber auch bis zu einem Jahr dauern, vor allem, wenn es dem Verkäufer nicht gelingt, seine Daten transparent und ausreichend zu liefern“, erklärt der Experte. Auch wenn während des Verkaufs neue Informationen dazukommen oder der Verkaufspreis ambitioniert angesetzt wird, könne es zu Verzögerungen beim Verkauf kommen.
Den Erfahrungen von Timo Bock zufolge dauert es in der Regel etwa zwei Monate, bis ein Verkauf abgeschlossen ist. Bei einem Bieterverfahren dauere es demnach rund vier Wochen bis zu einem Angebot, dem sogenannten Letter of Intent (LOI), danach habe der Käufer in der Regel weitere vier Wochen Zeit für die Due-Diligence-Prüfung – also der sorgfältigen Prüfung der Stärken und Schwächen des Unternehmens und damit der entsprechenden Risiken der Transaktion.
„Wenn der potenzielle Käufer Mängel oder Abweichungen von den Angaben im Exposé feststellt, wird der Preis häufig nachverhandelt“, erklärt Bock. „Wenn sich beide Seiten einig sind, wird der Verkaufsvertrag erstellt.“ In diesem Fall rät der Experte dazu, einen spezialisierten Anwalt zu Hilfe zu nehmen. Im Verkaufsvertrag werden auch weitere Verpflichtungen geregelt – so stehen die Verkäufer häufig auch nach der Transaktion noch für die Übergabe oder längere Zeit als Berater zur Verfügung.
Fach-Anwalt und Steuerberater – Nicht am falschen Ende sparen
Der Verkauf eines Unternehmens will also vor allem gut vorbereitet sein. Darin sind sich Peter Höschl und Timo Bock einig. Vor allem unsauber aufbereitetes Zahlenmaterial ist häufig ein Stolperstein beim Unternehmensverkauf. Gerade undurchsichtiges Zahlenwerk könne beim potenziellen Käufer Fragen aufwerfen, warnt Höschl. Timo Bock rät dazu, steuerliche Fallstricke „auf jeden Fall mit einem Steuerberater“ zu prüfen.
Ein auf Unternehmensverkäufe spezialisierter Anwalt sorgt dann auch beim Kaufvertrag für die nötige Sicherheit – ist dieser nicht ausführlich genug, könnte es ebenfalls ein böses Erwachen geben. Peter Höschl kenne beispielsweise einen Fall, bei dem die Eigentumsübergabe im Vertrag nicht eindeutig geklärt wurde. Das Ergebnis: Der Käufer wurde Inhaber der Domain, ohne dass eine Zahlung erfolgte. Einen solchen Fauxpas sollte man natürlich vermeiden.
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