Bisher kannte der Online-Umsatz vor allem eine Richtung und kletterte Jahr für Jahr weiter nach oben. Doch im letzten Jahr trat plötzlich eine Stagnation ein. So pushte 2021 die Coronapandemie noch den Umsatz über digitale Kanäle, doch mit einer reinen Bereinigung des diesbezüglichen Wachstums allein lassen sich die gesunkenen Zahlen nicht erklären. Vielmehr ist abzulesen, dass Kunden ihren Konsum an die schwierige Wirtschaftslage anpassen. Knapp 35 Prozent der befragten Verbandsmitglieder rechnen mit niedrigeren Zahlen. Rund 17 Prozent gehen sogar von deutlich niedrigeren Umsätzen aus.
Zwischen Kosten- und Preisdruck
Kostensteigerungen in Krisenzeiten komplett an Endverbraucher weiterzugeben, ist schwierig. Im Gegenteil: Der Onlinehandel ist gefordert, Kunden mit stabilen Preisen bei Laune zu halten und mit guten Angeboten zum Kauf zu motivieren. Das kann gelingen, ohne an die eigene Marge zu gehen. Die operativen Kosten zu prüfen, ist auf jeden Fall sinnvoll. Denn die Inflation wirkt sich nicht nur auf die Haushalte der Verbraucher aus, sondern birgt auch erhebliche Risiken für das eigene Geschäft.
Sparpotenziale lassen sich in der Regel im Fulfillment identifizieren. Oft ist es günstiger, Lagerverwaltung, Kommissionierung, Verpackung, Lieferabwicklung und Retourenmanagement an einen spezialisierten Dienstleister auszulagern. Auch in der Kommunikation mit dem preissensiblen Kunden liegen weitere Möglichkeiten, die bislang noch nicht voll ausgeschöpft wurden.
Attraktive Angebote schnüren
Besonders empfänglich sind Verbraucher für Angebote mit Preisvorteilen. Wichtig ist, dass rabattierte Warenbündel zueinander passende Produkte enthalten: Weshalb nicht zu Pasta und Sugo gleich Amarettini mit Limoncello anbieten? Gut konzipiert, steigern solche Bundle-Angebote den Umsatz pro Kunde.
Außerdem verlassen Besucher den Shop mit dem guten Gefühl, gespart zu haben. Viele haben darüber hinaus eine Schwäche für rabattierte Produkt-Abos. FMCG-Anbieter können sich diese zunutze machen, um Kunden dauerhaft zu binden und den Absatz stabil zu halten.
Sofortkauf mit flexiblem Zahlungsziel
Online-Shopper zahlten 2021 am liebsten per Rechnung (28,3 Prozent der Käufe im E-Commerce), über PayPal (28,2 Prozent) und mit Lastschriftverfahren beziehungsweise Bankeinzug (17,4 Prozent). Buy-now-pay-later (BNPL), als Variante des Rechnungskaufs, spricht derzeit ebenso viele Verbraucher an: Sie erfüllen sich ihre Wünsche oder kaufen sofort, was sie brauchen, müssen sich aber vorerst keine Gedanken über die Bezahlung machen.
Die Null-Prozent-Finanzierung stellt in Zeiten, in denen Kunden finanziell der Schuh drückt, ein hervorragendes Marketinginstrument dar und gehört als starkes Verkaufsargument gleich an den Anfang der Customer Journey. Die über Drittanbieter wie Klarna oder auch PayPal angebotenen Minikredite sind auch deshalb so beliebt, weil für Käufer keine Gebühren anfallen, wohl aber für den Shopbetreiber. Vor diesem Hintergrund gilt es, sorgfältig zu prüfen, ob sich die Zahlungsoptionen durch höhere Umsätze und eine engere Kundenbindung rechnen.
Hinzu kommt der Verbraucherschutz. Wie Sylvie Ernoult, Pressesprecherin des Bundesverbands deutscher Banken, ausführt: „Die Verlockung, Waren zu erwerben, die sich der Verbraucher oder die Verbraucherin nicht leisten kann, ist groß. Gerade das Angebot, die Begleichung der Rechnung via eines einfachen Mausklicks nochmals zu verschieben, ermöglicht es, die Fälligkeit fürs Erste auszublenden. Für den einen oder die andere kann sich das zur Konsumfalle entwickeln.“
Speziell junge Menschen, welche BNPL-Anbieter gezielt ansprechen, überfordert der allzu leichte Kauf von Waren mitunter. Seriöse E-Commerce-Betreiber zielen darauf ab, ihren Kunden das Einkaufen so leicht wie möglich zu machen. Sie haben kein Interesse daran, sie in eine wirtschaftliche Schieflage zu bringen, da sie dann auch als Kunden ihren Wert verlieren.
Schnelle Lieferung nicht um jeden Preis
Für E-Commerce-Anbieter und Verbraucher lohnt es sich finanziell, Versandoptionen kritisch zu prüfen. In erster Linie motiviert Online-Händler der Wettbewerbsdruck (knapp 70 Prozent), für eine schnelle Lieferung zu sorgen. So das Ergebnis der aktuellen EHI-Studie „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2022“. Doch es gibt einen weiteren wichtigen Grund: Gut ein Drittel der Händler wollen auf diese Weise Retouren vermeiden oder zumindest die Rücksendequote senken.
Denn: Ist die Ware nicht schnell genug beim Kunden, hat er sich das entsprechende Produkt häufig schon im Geschäft besorgt oder ist online zum Wettbewerber gegangen. Rund 60 Prozent der befragten Händler liefern daher innerhalb von ein bis zwei Werktagen. Lediglich drei Prozent verlangen dafür einen Aufpreis. Im vergangenen Jahr sicherte ein Fünftel sogar eine 24-Stunden-Lieferung ohne Extrakosten zu. Im Jahr 2022 sind dazu nur noch zehn Prozent bereit.
Eine gute Balance zu finden, ist die Kunst. Während in den letzten Jahren Shop-Betreiber ihren Kunden zugunsten des Gesamtumsatzes häufig die unrentable Lieferung am selben oder nächsten Tag einräumten oder diese sogar einpreisten, ist das für Retailer aus finanziellen Gründen heute fast nicht mehr möglich. Da Verbraucher wegen der gewachsenen Preissensibilität heute eher dazu bereit sind, Abstriche bei der Lieferzeit zu machen, wäre es eine Option, über kosmetische Preissenkungen den Basistarif der KEP-Dienstleister als Standard durchzusetzen und die Kosten für eine schnellere Lieferung als Premiumservice voll weiterzureichen – ganz nach dem Prinzip „günstig sticht schnell“.
Wirtschaftliches Fulfillment
Kurze Lieferzeiten, so ein weiteres Ergebnis der EHI-Studie, hängen auch von den internen Abläufen ab: Vier Fünftel halten standardisierte Logistikprozesse für zentral, „um Lieferzusagen einhalten und Liefertreue sicherstellen zu können“. Das gelingt am besten mit einem erfahrenen Fulfillment-Dienstleister. Er hält Kapazitäten vor, die Retailer flexibel nutzen können.
Ob Weihnachtsgeschäft oder Sommerflaute: Die Lagerfläche, die gezahlt werden muss, entspricht stets der aktuellen Nutzung. Der Logistikpartner hält diese vor. Er kommissioniert und versendet in jeder Situation schnell und in gleichbleibend hoher Qualität. Unternehmen federn auf diese Weise Peaks ab.
Statt hoher versteckter Kosten, die pro Bestellung die Fünf-Euro-Marke regelmäßig übersteigen, agieren sie mit überschaubaren und gut kalkulierbaren Tarifen für die externe Dienstleistung. Darüber hinaus profitieren sie von Rahmenverträgen mit Kurierdiensten, die wegen des hohen Volumens preislich deutlich unter einer Direktbeauftragung liegen. Gerade in angespannten Zeiten bieten gesunde, langfristige Partnerschaften mit solide aufgestellten Dienstleistern ein Mehr an Sicherheit. Gemeinsam mit Fulfillment-Dienstleistern sind Onlinehändlern in der Lage, Skaleneffekte zu nutzen und Optimierungspotenziale zu heben, um Kunden überzeugende Qualität zu besonders günstigen Konditionen zu bieten.
Über den Autor:
Andrej Kotliar ist Sales Manager DACH bei der Huboo E-Commerce Technologies GmbH. Er zeichnet für den Aufbau und die Leitung der Vertriebsaktivitäten des E-Fulfillment-Dienstleisters in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich.
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