1. Bereits gut etabliert: Wiederaufbereitete Elektronik
2. „Wir wollen, dass der Kauf von refurbished Geräten zur Normalität wird.“
3. „Der Erfolg von Unternehmen muss auch an deren Umwelt Impact gemessen werden.“
4. Von Schnelllebigkeit gekennzeichnet: die Modebranche
5. Reverse.supply unterstützt Marken und Handelsfirmen
6. Das schwierige Thema: Lebensmittel retten und wiederverwerten
Früher wurde repariert, was kaputt war und aus Resten stets noch etwas herausgeholt. Oft ging es auch nicht anders, schließlich musste man mit seinen Ressourcen deutlich mehr haushalten als in den aktuellen Zeiten des Überflusses. Aber wir wollen hier nicht in einen „Früher war alles besser“-Pathos verfallen. Dennoch – der heutige Überfluss führt leider dazu, dass sich selten noch die Mühe gemacht wird, Dinge zu reparieren, wenn es doch viel einfacher ist, diese einfach zu ersetzen.
Dabei haben wir auch heute ein Problem mit Ressourcen, und zwar ein viel dringlicheres: Jahrelanges Ausschlachten und Abbauen hat dazu geführt, dass inzwischen jedem die Endlichkeit der Erd-Ressourcen bewusst sein sollten. Um nun angesichts dieser Endlichkeit weiterhin wirtschaften und konsumieren zu können, bedarf es aber nicht nur Produkten, welche sich reparieren lassen, sondern auch einer Infrastruktur, um Waren wieder in den Verkaufskreislauf einzuführen.
Doch wie können Händler:innen und Marktplätze das am besten umsetzen? Wir haben uns mal angesehen, wie einige Vertreter aus den Bereichen Elektronik, Mode und Lebensmittel das tun und mit welchen Hürden diese zu kämpfen haben.
Bereits gut etabliert: Wiederaufbereitete Elektronik
Im Bereich der Elektronikprodukte erleben seit einigen Jahren Plattformen wie Refurbed und MySWOOP wachsende Erfolge. Viele Menschen haben schließlich gerne stets ein aktuelles Modell in Sachen Smartphone oder Laptop. Der Weiterverkauf nicht mehr gebrauchter Altgeräte hat sich hier also aufgrund der nicht zu verachtenden Kostenstrukturen schnell etablieren können.
Mittlerweile bieten Dienste, wie die beiden genannten, die Möglichkeit, die Geräte aufzukaufen und nach einem Wiederaufbereitungsprozess im optimierten Zustand weiterzuverkaufen. Das bietet letztlich auch Kund:innen die Chance, neuwertige Elektronik zu deutlich günstigeren Konditionen zu erstehen.
Beide Portale verstehen sich dabei als Marktplatz und arbeiten neben dem eigenen Verkauf auch mit Partnern zusammen. So vertreiben über Refurbed beispielsweise Marken wie Kärcher oder De’Longhi eigenständig ihre runderneuerten Produkte aus zweiter Hand.
„Wir wollen, dass der Kauf von refurbished Geräten zur Normalität wird.“
Während MySWOOP sämtliche Wiederaufbereitungsprozesse in der hauseigenen Werkstatt durchführt, hat Refurbed sich ein europaweites Netzwerk aus über 250 Partnerbetrieben hierfür aufgebaut. Diese gehen Geräte in einem standardisierten Prozess mit bis zu 40 Stufen durch, um sie für den Wiederverkauf vorzubereiten.
Trotz gründlicher Wiederaufbereitung bleiben Refurbed-Produkte vor dem Gesetz jedoch weiterhin Gebrauchtwaren. Als solche haben Kund:innen beim Kauf eine gesetzlich verankerte Gewährleistung, welche bei Grbauchtwaren mindestens ein Jahr beträgt. Neben dieser räumen die meisten Händler:innen eine zusätzliche Garantie auf die Waren ein: bei Refurbed beträgt diese mindestens 12 Monate, bei MySWOOP sogar 36 Monate.
Beide Plattformen wollen damit sicherstellen, dass Verbraucher:innen sich trotz gebrauchtem Zustand beim Kauf sicher fühlen und den Produkten vertrauen. „Wichtig ist uns, dass Kund:innen mit ihrem Einkauf zufrieden sind, damit der Kauf von refurbished Geräten zur Normalität wird“ betont Kilian Kaminski, Gründer von Refurbed.
„Der Erfolg von Unternehmen muss auch an deren Umwelt Impact gemessen werden.“
Im Bereich der Technik hat sich in jüngster Vergangenheit auf EU-Ebene einiges getan. Ob Batterieverordnung, Ökodesign-Richtlinie oder USB-C-Pflicht – viele neue Gesetze scheinen den Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft zunehmend zu ebnen.
Wenn es nach Kaminski ginge, müsste jedoch ein allumfassenderes Umdenken her: „Wir sehen einige gute Entwicklungen mit Gesetzesvorschlägen, die bereits in die richtige Richtung gehen, aber der Fortschritt ist leider sehr langsam. Ein Umdenken muss stattfinden: Der Erfolg von Unternehmen kann nicht mehr nur an Umsätzen gemessen werden, sondern muss den Umwelt-Impact einbeziehen und die Gesetzgebung muss dies auch reflektieren.“
Von Schnelllebigkeit gekennzeichnet: die Modebranche
Ein Markt, der jedoch noch einmal sichtbar mehr Bewegung aufweist, ist der Modesektor. Nicht erst seitdem Fast Fashion Konzerne wie Shein oder Primark praktisch täglich neue Trends zu etablieren versuchen, sind manche Kleidungsstücke mindestens so schnell wieder out, wie sie zuvor erst einmal in waren. Auch Refurbed wollte im Bekleidungsbereich Fuß fassen. Schnell merkte man jedoch, dass es hier deutlich schwerer war, vergleichbare Preisvorteile zu bieten wie bereits im Elektroniksortiment.
Schließlich hat Mode mit einem sehr viel höheren Verschleiß zu kämpfen: Teile können bereits nach wenigen Malen Nutzung durch Flecken, aufgeraute Textur oder gar Löcher beeinträchtigt sein. Angesichts des eher geringen zu erwartenden Wiederverkaufswertes rentiert sich in vielen Fällen keine aufwendige Reparatur.
Doch derartig starke Abnutzungserscheinungen sind nicht immer der Fall. Viele Konsument:innen bestellen mehrere Teile zu Anprobe und schicken die unpassenden zurück. Um diese wieder in den Verkaufskreislauf einzuführen, bedarf es also keines großen Wiederaufbereitungsprozesses. Jedoch auch in solchen Fällen müssen Ressourcen zum Betrieb einer designierten Verkaufsoberfläche vorhanden sein.
Reverse.supply unterstützt Marken und Handelsfirmen
Ein Unternehmen, welches hier ansetzt, ist das Berliner Start-up Reverse.supply. Die von ihnen entwickelte Software bietet Modemarken, wie auch Modehändlern, die Möglichkeit, Ankauf und Wiederverkauf von Waren zu verwalten und auf der eigenen Website zu integrieren.
Ein maschinelles Lernsystem vereinfacht dabei nicht nur die Verwaltung, sondern automatisiert ebenso Prozesse wie die Beurteilung und Bepreisung eingehender Artikel. Die weiteren Schritte, wie die tatsächliche Aufbereitung, Produktfotoerstellung sowie Lagerung und Versand können ebenso durch Reverse.supply übernommen werden.
Teil des Beurteilungsprozesses ist dabei auch eine Echtheitsprüfung, welche vor allem im Falle von Markenkleidung zur Steigerung des Wiederverkaufspreises beitragen kann. Damit nimmt das Unternehmen, nicht nur Händler:innen einen Großteil an Arbeit ab, sondern sorgt am anderen Ende auch dafür, dass Verbraucher:innen sich auf ein qualitativ neuwertiges Produkt freuen können.
Gefragt nach den gesetzlichen Hürden in ihrem Marktsegment, verweist ein Sprecher von Reverse.supply jedoch auf mangelnde Anreize für den Kauf von Gebrauchtkleidung: „Wir wissen, dass für viele Käufer:innen von Secondhandbekleidung der geringere Preis eine Hauptmotivation ist. Ein reduzierter Steuersatz für gebrauchte Textilien wäre ein sinnvoller Ansatz.“ Eine weitere Option sei eine stärkere Verpflichtung der Unternehmen, sich um das spätere Recycling ihrer Waren zu kümmern.
Das schwierige Thema: Lebensmittel retten und wiederverwerten
Der Bereich der Lebensmittel gilt für die meisten Menschen als sensibel. Kund:innen kaufen gerne möglichst frisch und innerhalb des Mindesthaltbarkeitsdatums. Der Gedanke „alte“ Lebensmittel zu kaufen klingt zunächst nicht erstrebenswert. Doch das Mindesthaltbarkeitsdatum ist genau deswegen wieder und wieder in der Kritik, da es eben ein falsches Verständnis vom Lebenszyklus der Produkte vermittelt.
Dass es dennoch auch im Lebensmittel-Sektor Möglichkeiten gibt, den Kreislauf zumindest rundherum maximal sinnvoll zu nutzen, zeigen Plattformen wie Motatos oder auch Sirplus. Diese kaufen für gewöhnlich ungekühlte Lebensmittel auf, die aufgrund einer geringen Mindesthaltbarkeit durch Supermärkte nicht mehr aufgenommen würden.
Im Interview mit OnlinehändlerNews erklärte Alexander Holzknecht von Motatos die Problematik wie folgt: „Die großen Hersteller produzieren insgesamt riesige Mengen und eine hundertprozentige Verwertungseffizienz, gibt es einfach nicht. Das liegt auch daran, dass der reguläre Handel Produkte unterhalb einer Mindeshaltbarkeitsangabe von fünf Monaten einfach direkt ablehnt.“
Doch was passiert mit Lebensmitteln, die selbst nach allen Rettungsversuchen und Spenden nicht mehr vor Ende ihrer Genießbarkeit verzehrt werden können? Hier arbeitet beispielsweise der Kochboxenanbieter Hello Fresh mit den Landwirtschaftsbetrieben, die ihn beliefern, erneut zusammen. Obst und Gemüse, welches nicht mehr in den Verkauf gehen kann, wird zurück an eben diese gesandt und kommt dort der Ernährung der gehaltenen Tiere zugute.
Wo ein Wille, da ein Weg
Der Blick über verschiedene Branchen offenbart sehr unterschiedliche Hürden. Dennoch finden sich in nahezu allen Bereichen Akteure, die sich diesen Hürden stellen und zeigen: wo ein Wille, da ein Weg. Der nachhaltige Weg ist dabei in den seltensten Fällen der bequeme und preisgünstige. Für viele Verbraucher:innen ist es schlicht nicht möglich, sich eine nachhaltige Lebensweise leisten zu können.
Und hier kreuzen sich die Kritikpunkte der verschiedenen Akteure: denn was in allen Branchen vor allem gewünscht wird, wäre eine stärkere Unterstützung seitens der Regierung. Sei es eine auf der einen Seite eine Schaffung von Anreizen oder aber auf der anderen Seite eine stärkere Verpflichtung zur Verwertung der Produkte, die man als Hersteller in den Verkehr gebracht hat.
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