Nachhaltigkeit im E-Commerce schont nicht nur die Umwelt, sondern zahlt sich für Online-Händler auch in barer Münze aus. Emissionsarme Liefermethoden und nachhaltigere Verpackungsmaterialien für die Auslieferung der vom Kunden bestellten Ware gehen Hand in Hand mit sehr guten Unternehmensgewinnen, wie ein Feldversuch von Valantic unter mehr als 500.000 Online-Kunden ergeben hat.
Hinzu kommen weitere Gründe, auf nachhaltigere Lieferoptionen zu setzen: Mehr als 75 Prozent der CEO spüren, dass ihre Stakeholder den Druck erhöhen, aktivere Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung einzuführen. Sie befürchten ansonsten nachteilige Auswirkungen auf das Geschäft. Kunden sind unzufrieden, lassen dem Frust konkrete Maßnahmen folgen und wechseln zum Beispiel zur nachhaltigeren E-Commerce-Konkurrenz.
Außerdem stärkt nachhaltiges Handeln nachweislich die Mitarbeiterbindung um etwa 40 Prozent. Dadurch entfallen für E-Commerce-Unternehmen kostenintensive, zusätzliche Recruiting- und Onboarding-Kosten. Unter den Alterskohorten der Millennials und der Generation Z fallen die Zahlen sogar noch höher aus.
Shopping-Kunden zu nachhaltigeren Lieferoptionen motivieren
Mit welchen Maßnahmen können E-Commerce-Anbieter und Shop-Betreiber ihre Kunden dazu motivieren, sich für nachhaltigere Lieferoptionen wie Selbstabholen in der nächstgelegenen Postfiliale zu entscheiden?
Um diese Frage zu beantworten, haben Valantic und Dijksterhuis & Van Baaren in den Niederlanden – im Auftrag von Thuiswinkel.org sowie dem niederländischen Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft – einen Feldversuch unter etwa 500.000 Kunden durchgeführt. Im Fokus standen die Internet-Shops von Blokker, Hunkemöller, Lobbes.nl und Prénatal.
Die Ergebnisse des Feldversuches lassen sich auf ähnlich strukturierte E-Commerce-Märkte in der DACH-Region übertragen. Die Studie wurde unter Einsatz von A/B-Tests vom 1. März bis zum 16. April 2023 durchgeführt und unter anderem mit Google Analytics ausgewertet.
Im Feldversuch kamen vier Möglichkeiten zur Beeinflussung des Auswahlverhaltens für oder gegen eine bestimmte Lieferoption zum Einsatz:
- ein naturverbundenes Logo beziehungsweise Icon
- Textinformationen über die nachhaltigste Liefermethode
- Vorauswahl der nachhaltigsten Option als Default-Wert
- eine soziale Bestätigung in der Form: „Diese Liefermethode wird häufig gewählt“.
Die Optionen wurden einzeln und in Kombination getestet. Alle Kombinationen und Varianten erfolgten an der Stelle auf der Checkout-Seite, wo Online-Shop-Kunden zwischen den verfügbaren Liefermethoden wie Hauszustellung, Abholung an der Packstation oder Abholen im Laden wählen können.
Ein Beispiel: Der Spielzeug-Shop Lobbes
Beim Online-Spielzeugladen Lobbes hat das Testteam insgesamt zehn Maßnahmen (Interventionen) – inklusive Kombinationen aus Logo, Default-Einstellung, Text oder sozialer Bestätigung – getestet. Der rote Punkt in der Liste bedeutet, dass die Default-Einstellung „nachhaltigste Lieferoption“ beim Check-out voreingestellt war.
Zu den Ergebnissen: In der Kontrollgruppe – ohne jede Maßnahme – haben sich 7,1 Prozent für die nachhaltigste Lieferoption entschieden, ohne dass sie dazu durch zusätzliche Interventionen motiviert werden mussten (vgl. Grafik unten). Sie sind sozusagen Nachhaltigkeitskäufer aus Überzeugung.
Der Rest der Käufer – die Mehrheit von 92,9 Prozent – tat das nicht. Schon die Kombination aus Default-Einstellung (nachhaltigste Lieferoption voreingestellt) plus ein erläuternder Infotext ergab jedoch ein deutliches Plus von 8,1 Prozent. Psychologen ist dieses Verhalten nicht unbekannt. Sie sprechen vom sogenannten Pique-Effekt: Käufer werden aus ihrem Autopiloten, ihrem normalen Verhalten gerissen und denken, mit den zusätzlichen Informationen konfrontiert, bewusst über die Konsequenzen ihrer Entscheidung für eine bestimmte Lieferoption nach.
Die Ergebnisse der Interventionen für den Spielzeug-Shop Lobbes im Einzelnen:
Fazit & Praxisempfehlungen
Die Versuchsresultate für die Internet-Shops von Blokker, Hunkemöller und Prénatal weichen im Detail zwar voneinander und von den Ergebnissen des Spielzeuganbieters Lobbes ab. Einige allgemeine Trends sind aber deutlich erkennbar: Eine Kombination aus zwei Verhaltensinterventionen führte in der Kaufpraxis der Kunden auf allen vier Online-Plattformen zu mehr als doppelt so vielen nachhaltigen Lieferentscheidungen.
Insbesondere die Voreinstellung der nachhaltigsten Lieferoption als Default-Wert in Kombination mit einem Logo, einer sozialen Interaktion oder einem Infotext sorgte Shop-übergreifend für deutlich mehr nachhaltige Lieferentscheidungen.
Schon durch wenige, sehr kostengünstige Maßnahmen können E-Commerce-Anbieter ihre Nachhaltigkeit deutlich steigern, wie der Feldversuch von Valantic deutlich macht. Die Default-Einstellung „nachhaltige Lieferoption“, ein paar Zeilen erklärender Text vor dem Check-out und ein nachhaltiges Icon reichen aus, um beim Online-Käufer ein Nachdenken und eine Verhaltensänderung zu bewirken.
Dadurch reduzieren sich die CO₂-Emissionen während des Transports und der Auslieferung der bestellten Ware. Durch umweltfreundlichere Verpackungsmaterialien können Shop-Anbieter bei ihrer nachhaltig denkenden Kundschaft weiterhin punkten.
Die Konversionsraten und Shop-Umsätze blieben, auch das ist ein wichtiges Ergebnis der Studie, durch die Verhaltensinterventionen unverändert. Langfristig ist davon auszugehen, dass die Umsätze eher steigen. Unsere Empfehlung lautet: In Abhängigkeit von Markt und Zielgruppe sollte jeder Online-Shop selbst austesten, welche Kombination aus den aufgezeigten Verhaltensinterventionen für sein Angebot die besten Ergebnisse generiert.
Über den Autor:
Jelmer Spoelstra verfügt über langjährige Erfahrung als kaufmännischer Leiter und Personalleiter und ist Managing Director bei Valantic NL
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