Der Sprung vom studentischen, durch Müßigkeit geprägten Leben hin zum hart arbeitenden Pseudo-E-Commerce-Experten ist voller Stolpersteine, die es zu überwinden gilt. Ein Beitrag über besondere Momente, erste Male, das Arbeitsleben, Zeitwahrnehmung und Ebay.

Im Leben geht es grundlegend um die besonderen Momente. Die, die sich von den alltäglichen Abläufen abheben und auch noch Jahre später Gänsehaut verursachen. Von Natur aus prädestiniert für genau diese besonderen Momente sind die sogenannten ersten Male (wobei es erstaunlich ist, dass sich dafür kein eigenständiger Begriff im deutschen Wortschatz finden lässt): Das erste Mal Fahrradfahren ohne Stützräder und sich dabei wie der „King Of The Road“ fühlen, der erste Schultag, das erste Date und auch der erste Liebeskummer...

Diese Momente nehmen mit ansteigendem Alter immer mehr ab. Irgendwann wurde eben alles wenigstens ein Mal erlebt. Die vergleichsweise spärlichen besonderen Momente und ersten Male werden höchstens noch beim Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt erlebt. Ein besonderer Moment im Leben, der niemals-nie in Vergessenheit gerät, ist der erste Arbeitstag. Dies verhält sich auch beim Schreiber dieser Gedanken nicht anders. Vor nahezu exakt einem Monat trat dieser Moment letztendlich ein.

Bedeutungsschwangeres Zitat

(Bildquelle Bedeutungsschwangeres Zitat: Gustavo Frazao via Shutterstock)

E-Commerce als neuer Lebensmittelpunkt

Erstaunlich ist dabei, wie schnell der Mensch dazu in der Lage ist, sich an neue Lebensumstände zu gewöhnen. Hieß es vorher noch aufstehen, wenn das Sonnenlicht dann doch zu sehr blendet, sorgen nun zwei Wecker dafür, die Träume über die Rettung der Welt abrupt zu beenden und sich mit der Rakete vom schönen Chemnitzer Bernsdorf gen Arcus Park in den Nordosten von Leipzig zu katapultieren.

Jeder bereits etablierte Schwerstarbeiter wird die unterschiedliche Zeitwahrnehmung zwischen schulisch-universitärem und malochendem Leben kennen. Diese stellt den größtmöglichen Einschnitt dar, denn wo sich vorher Zeitplanung lediglich an der Peripherie des Interesses entlangschlängelte, muss nun jede freie Minute effektiv genutzt werden, um nicht allzu große Lebensveränderungen hinnehmen zu müssen. Doch ist dies wirklich der Fall? Scheint es nicht viel wichtiger zu sein, jeden Wochentag durch irgendeine Kleinigkeit zu einem besonderen zu machen und auf diesem Weg nicht vom Sog der Zeit verzehrt zu werden und auf einmal festzustellen, dass „ja morgen schon wieder Wochenende ist?“

Im Rückblick fasziniert auch, welche Themen auf einmal an der Tagesordnung stehen: War vorher noch relevant, wann und ob Sven Scheuer ein Comeback als Torwart beim FC Bayern München feiern wird oder wie lustig die neue Folge Bohn Jour auf dem ersten Internet-only-Sender Rocketbeans TV ausfällt, steht nun die die Zukunft von Ebay, der gefühlt nie endende Poststreik und Amazons Selbstbeweihräucherung im Fokus des fortlaufenden Lebens.

Erhebliche Sprachschatzerweiterung

Der deutsche Wortschatz wird laut Duden aktuell auf zwischen 300.000 und 500.000 verschiedene Grundformen geschätzt. Aktiv werden davon zwischen 12.000 und 16.000 Wörter regelmäßig vom Durchschnittsmenschen verwendet. Passiv wiederum sollen etwa 50.000 Wörter verstanden werden.

Diese Zahlen berücksichtigen jedoch unter keinen Umständen Sprecher, die im E-Commerce-Business tätig sind: Während sich bei „Normalsterblichen“ rund 3.500 Fremdwörter im Wortschatz befinden, liegt die Zahl bei E-Commerce’lern nach eigenen Schätzungen in etwa doppelt so hoch. Formulierungen wie „Hast du schon vom neuen Joint Venture zwischen dem Einzelhandelsverband Harz-Heide und der Braunschweiger Zeitung gehört? Soll übelst an die lokale Shopping-Plattform Online City Wuppertal erinnern!“ – „Das ist doch nichts im Vergleich zum neuen Inkubator Warpspeed Ventures, der von den Home24 und Auto1-Machern gegründet wurde!“ – „Die Conversion Rate von Amazongoogletwitterebay ist ja mal sowas von schäbig – die sollten besser mal an ihrer Affiliate-Kampagne und an ihrem Keyword-Marketing arbeiten.“ – „Die neue Ecommerce-Benchmark ist online! Was für ein hilfreiches Tool für Online-Shops, um ihre Key Performance Indicators mit der Konkurrenz zu vergleichen…“

Erstaunlich ist dabei, wie schnell dann letztendlich doch zumindest ein Großteil verstanden wird. Gleichzeitig jedoch auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass in etwa acht Stunden des gesamten Tages mit diesem Themengebiet verbracht wird (bei fünfeinhalb Wochen beziehungsweise 28 Arbeitstagen beträgt die Summe nach Adam Riese, der, schnallen Sie sich bitte an, eigentlich Adam Ries hieß, 224 Stunden, die zum jetzigen Zeitpunkt dafür genutzt werden konnten).

Der Stolz, der nach einem investigativ recherchierten Artikel auch noch Tage später empfunden wird, befindet sich teilweise in sehr hohen Hemisphären. Dies trifft beispielsweise auf die jüngst veröffentlichte Vorstellung der Paypal your life-Kampagne zu. Bei so einem Fundstück besteht die Möglichkeit, auch ironische Randbemerkungen einfließen zu lassen, als dies beispielsweise bei der Nachricht der Eröffnung eines Logistikparks in der Nähe des Emmelsumer Hafens der Fall ist. Auch die gemeinsame Geschichte zwischen Ebay und Paypal gehört in diese Kategorie der selbst ernannten Meisterwerke, da hier eine immense Vergangenheit aufgearbeitet werden musste. Manchmal entwickeln sich aber auch während des Schreibvorgangs die vermeintlich kleinen Nachrichten zu Herzensangelegenheiten.

Quintessenz

Bleibt letztendlich nur zu sagen: Hallo E-Commerce, Hallo Onlinehändler-News, vielen Dank für die Einladung, hier bin ich – so schnell werdet ihr mich nicht wieder los! Und zum Abschluss noch ein lieb gemeinter Hinweis: Zieht Euch warm an, liebe Online-Unternehmen – ich habe mindestens ein halb geöffnetes Auge auf Euch gerichtet!