Wenn man Händler auf Amazon Vendor anspricht, rutscht die Stimmung in den Keller. Vor allem das neue Programm für Ausgleichszahlungen erzürnt die Gemüter. Es ist von aktivem in die Tasche der Lieferanten greifen die Rede. Wir haben uns einmal umgehört, was die Gemüter der Amazon Vendor-Teilnehmer am meisten bewegt. Ein Stimmungsbild.

Gruppe von Geschäftsleuten am Tisch beim Diskutieren

(Bildquelle Diskussion: Rawpixel.com via Shutterstock)

Mit Amazon Vendor können Händler und Hersteller zu Lieferanten von Amazon werden. Die Vorteile davon werden von Amazon auf der entsprechenden Landingpage prominent kommuniziert, doch scheint nicht alles so reibungslos zu laufen, wie es im ersten Augenblick scheint. Vor allem mit dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen scheint sich Amazon enorm viel Unmut zuziehen. Doch die Probleme scheinen tatsächlich viel tiefer zu liegen und vor allem von struktureller Natur zu sein.

Klagen schwer gemacht: hier greift luxemburgisches Recht

Die Reaktionen auf das neue Programm für Ausgleichszahlungen sind vielfältig, lassen jedoch einen durchgehenden Ton erkennen. Denn auch wenn Ausgleichs- und Strafzahlungen in der Industrie laut Mark Steier von wortfilter.de üblich sind, ist das neue Programm vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ein herber Schlag. Denn wie in unserem Beitrag bereits erklärt, ist ein pauschaler und völlig aus der Luft gegriffener Beitrag zumindest nach deutschem Recht nicht zulässig. So dürfen zum Beispiel „für Personal- und IT-Kosten anfallende Kosten als Bestandteil des regulären Geschäftsbetriebes nicht pauschal in Abzug gebracht werden“. Fraglich also, ob „Kosten pro Kundenkontakt an unseren (A.d.R.: Amazons) Kundenservice“ tatsächlich berechnet werden dürfen. Aber wie bereits erklärt, vereinbart Amazon mit seinen Vertragspartnern luxemburgisches Recht, weswegen an dieser Stelle nicht weiter auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eingegangen werden kann.

Transparente Kommunikation sieht anders aus

Was Amazon von seinen Vendor-Teilnehmern in erster Linie angekreidet wird, ist die Tatsache, dass es keine Kommunikation gibt. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Händler erklärten uns zum Beispiel, dass sie erst durch unseren Artikel von dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen erfahren haben. Scheinbar hat Amazon die E-Mail bisher nur an einen ausgewählten Teil seiner Lieferanten versendet.

Aber auch sonst ist der Informationsfluss eher spärlicher Natur. So berichteten Händler, dass Amazon gern Neuerungen in Tests ausprobiert, die damit einhergehenden Konditionen jedoch kaum kommuniziert – ähnlich wie im aktuellen Fall. Wenn Amazon mit den Ergebnissen der Tests jedoch zufrieden ist, werden diese für alle verpflichtend. Tatsächlich erhebt Amazon schon jetzt Ausgleichszahlungen. Diese liegen laut einigen Händlern aktuell bei 10 Prozent pro Produkt auf den Warenwert – also Amazons Einkaufspreis. Bei Produkten mit niedrigen Margen ohnehin schon nicht gerade wenig, können die neuen Strafzahlungen ganz schnell das Aus für kleine und mittelständische Lieferanten bedeuten. Zudem stellt sich die Frage: Löst das neue Programm die alten Konditionen ab? Darauf wird in der E-Mail von Amazon Vendor Central nicht eingegangen.

Probleme bei der Warenannahme

Problematisch scheint auch die Logistik an sich zu sein. Sehr viele Händler werfen Amazon vor, die eigene Logistik nicht im Griff zu haben. Egal ob es sich dabei um Multi-PO-Lieferungen oder normale Lieferungen handelt, irgendwas scheint immer schief zu gehen. So erklärte ein Händler, dass gerade „bei Multi-PO-Lieferungen regelmäßig Warenbestände auf eine falsche PO gebucht werden, so dass es bei einer PO zu Fehllieferungen kommt, während andere PO´s dann überbucht werden, was wieder eine Ausgleichszahlung nach sich zieht.“ Klingt fast schon nach Masche. In Kombination mit dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen empfindet das so mancher Händler als „aktives in die Tasche der Lieferanten greifen“.

Natürlich – und das sei hier zur Verteidigung von Amazon gesagt – arbeiten in der Warenannahme auch nur Menschen. Und Menschen machen Fehler. Das ist zwar ärgerlich, aber soweit auch nur bedingt das Problem. Was die Händler verärgert, ist auch hier die nicht stattfindende Kommunikation von seitens Amazon. Obwohl nach Aussage der Händler in mehreren Fällen einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass alle Einheiten geliefert wurden, besteht Amazon weiterhin auf seine Aussage und verhängt entsprechende Strafen. Wer die Probleme direkt klären will, stößt bei Amazon jedoch auf taube Ohren. Auch wenn es die sogenannten „Vendor Manager“ gibt, sind diese nur in seltenen Fällen erreichbar und dann meist „ahnungslose Leute“. Problemlösungsorientiertes Arbeiten scheint hier ein Fremdwort zu sein.

Amazon sitzt am längeren Hebel

Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass Amazon überhaupt nicht an einer Kommunikation oder an einem Austausch mit seinen Vendor-Teilnehmern gelegen ist. In den Rahmenverträgen bzw. Jahresvereinbarungen werden Konditionen festgelegt, an die sich sowohl Amazon als auch die Händler halten müssen. Natürlich hat man als Händler bzw. als Lieferant die Wahl, ob man Amazon beliefert oder nicht. Doch sollte man dabei immer bedenken, dass Amazon am längeren Hebel sitzt und man wahrscheinlich nur einmal eine Bestellung aus dem Hause Amazon nicht annimmt.