Vor knapp anderthalb Jahren, als der Online-Händler Otto.de erstmals sein neues Miet-Angebot „Otto Now“ präsentierte, stellte ich mir die Frage, ob ein derartiges Geschäftsmodell überhaupt Bestand haben kann oder tendenziell eher als unsinnig bezeichnet werden muss. Mittlerweile ist genug Zeit vergangen, um ein Zwischenfazit zu ziehen und eine Einschätzung zu treffen, ob und inwiefern sich der sogenannte „Miet-Commerce“ etablieren kann beziehungsweise wie er sich generell seit dem Start entwickelt hat.
Immer mehr Unternehmen starten Miet-Modelle
Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass das Ausleihen von Produkten für einen gewissen Zeitraum grundsätzlich für Unternehmen ein zumindest interessantes Geschäftsmodell darstellt. Das belegt allein die Tatsache, dass seit dem besagten Datum nach und nach mehr Händler ihre eigene Miet-Modell-Variante vorstellten – darunter Tchibo, Conrad, MediaMarkt und zuletzt auch Saturn.
Bei drei von vier der größten Unternehmen, die seit Otto.de nachzogen, handelt es sich also um Elektronikspezialisten. Das verwundert kaum – schließlich ist gerade diese Sparte prädestiniert dafür, dass Produkte nur temporär in den Besitz eines Verbrauchers wandern. Das neuste Smartphone, ein größerer Fernseher, ein leistungsstärkerer Laptop – der Verschleiß von technischen Gegenständen nimmt immer größere Ausmaße an, sodass die Vermietung hier mehr als Sinn ergibt.
Grover: Kundenfreundliche Konditionen
Doch es geht bei Conrad, MediaMarkt und Saturn noch einen Schritt weiter: Nicht nur, dass sie allesamt im Elektronikbereich aktiv sind – sie arbeiten bei der Umsetzung auch alle drei mit dem Berliner StartUp Grover zusammen. So sehr mich das für das Unternehmen an sich auch freut, bleibt dennoch die Frage im Raum, inwiefern sich das jeweilige Angebot überhaupt noch voneinander unterscheidet. Nicht nur, dass alle drei Anbieter, allen voran MediaMarkt und Saturn, ein ähnliches Produktportfolio anbieten, sondern auch die Konditionen der Miet-Modelle sind größtenteils deckungsgleich.
Natürlich sind diese aus Kundensicht durchaus angenehm: Keine Kaution, dafür eine Kaufoption, eine Mindestmietzeit von gerade mal einem Monat und eine Versicherung bei einem Schadensfall: Man wird als Verbraucher fast schon umgarnt und dahingehend gelockt, zumindest einmal in das Angebot reinzuschnuppern und sich dementsprechend zumindest irgendein angebotenes Produkt auszuleihen.
Otto Now und Tchibo Share heben sich ab
Die Konditionen von Otto Now unterscheiden sich von denen anderer Anbieter, denn Otto.de wickelt das Miet-Modell intern ab und arbeitet nicht mit Grover zusammen. Der größte Unterschied besteht darin, dass die Mindestmietzeit nicht bei einem Monat liegt, sondern je nach Vertrag bei 3, 6, 12 oder 24 Monaten. Hierbei gilt: Je länger ein Produkt gemietet wird, umso geringer fallen auch die monatlichen Kosten aus.
Tchibo hingegen hebt sich komplett von allen anderen Miet-Commerce-Unternehmen ab. Über die Plattform „Tchibo Share“ lassen sich nicht Elektronikprodukte, sondern Kleidungsstücke für die heranwachsende Generation mieten, wofür Tchibo mit dem Magdeburger Unternehmen Relenda zusammenarbeitet. Der Ansatz macht deutlich, dass sich die Vermietung nicht nur für den Elektronikbereich eignet, sondern auch für andere. Eltern, die andauernd neue Kleidung für ihren Nachwuchs kaufen müssen, dürften davon ein Lied singen können.
Fazit: Unterschiedliche Ansätze wünschenswert
Auch wenn die Konditionen bei den genannten Elektronikhändlern überzeugend klingen, wäre es wünschenswert, wenn hier zukünftig mehr wie etwa bei Otto Now und Tchibo Share erprobt wird und entsprechend auch andere Modelle getestet werden. Sonst besteht die Gefahr, dass sich sämtliche Angebote zu sehr ähneln und es für den Kunden schlichtweg egal ist, bei wem er seine (Elektronik-)Produkte mietet. Experimente und unterschiedliche Ansätze würden sicherlich neue Erkenntnisse ans Tageslicht fördern, die den Miet-Commerce verbessern und fester in den Köpfen der Verbraucher verankern.
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